BLOG vom: 08.11.2007
Neues über den Kaffee: Hauptsächlich für den Frauenkopf?
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
„Fliehe die Lehren jener Forscher, deren Beweisgründe nicht bestätigt werden durch die Erfahrung.“
(Leonardo da Vinci)
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In meinem Blog „Schwarz wie der Teufel: Imagewandel des Kaffeegenusses“ vom 28.5.2007 berichtete ich bereits ausführlich über neue Erkenntnisse der Wirkungen des Wachmachers. Auch fügte ich einige amüsante Anekdoten über den „Schwarzen Teufel“ an. Warum jetzt schon wieder das Thema? Nun, es gibt neue Erkenntnisse, die nicht gerade im Sinne der Kaffeegegner sind.
Kaffee nur für den Frauenkopf?
Jetzt weiss ich, warum Frauen so scharf auf Kaffee sind und als „Kaffeetanten“ abgekanzelt werden. Obwohl es auch Kaffeeonkels gibt. Laut einem Bericht in der Zeitschrift „Neurology“ (2007, 69: 536–545) profitieren hauptsächlich Frauen vom schwarzen Gebräu, wenn sie 3 oder mehr Tassen davon täglich trinken. Koffein soll nämlich dem Gedächtnis der Frauen auf die Sprünge helfen. Von diesem Effekt profitieren besonders ältere Damen.
In der Studie von Karen Ritchie vom französischen Forschungsinstitut INSERM wurden 7000 Franzosen über 65 Jahre zu ihrem Kaffee- und Tee-Verbrauch befragt. Das Ergebnis war überraschend: Kaffeetrinkerinnen hatten im Alter von 65 Jahren ein um 30 % geringeres Risiko vergesslich zu werden. Bei Frauen über 80 Jahren war der Effekt noch beeindruckender. Hier waren 2 Drittel geistig fit. Warum Männer nicht darauf reagierten, ist nicht erklärbar. „Frauen könnten empfänglicher für die Effekte von Koffein sein und den Stoff eventuell anders verarbeiten“, so Karin Ritchie.
Trösten wir uns, wir Männer! Der Kaffeegenuss bringt uns geschmackliche Erlebnisse und eine Belebung. Das ist auch bei mir so. Wir trinken am Morgen Milchkaffee und nach dem Mittagessen einen Espresso. Das hat sich so eingebürgert. Am Nachmittag greife ich dann zu einem Schwarz- oder Grüntee. Der Abend wird eingeleitet mit einem Pfefferminz-, Melissen- oder Kräutertee.
Gegen den Radlerschmerz
Die Ärztezeitschrift „Medical Tribune“ berichtete in der Ausgabe 29 (2006) über die Wirkung von Koffein auf den Radlerschmerz. Das dürfte den Freizeit- und Leistungssportler besonders interessieren, bringt doch das Herumfahren mit dem Drahtesel öfters ein häufiges Ziehen in den Beinen oder andere Schmerzen. Wer also die nächste Radtour angeht, der sollte vorher eine Tasse Kaffee trinken.
So lief die Studie ab: Studentinnen mussten in Versuchen eine von 2 Koffein-Dosen oder Placebo zu sich nehmen, dann durften sie auf einem Fahrradergometer 30 Minuten herumstrampeln. Dann staunte der Studienleiter: Die Probanden, die die Koffeindosen erhielten, klagten weniger unter Anstrengungsschmerzen als diejenigen, die nur ein Placebo aufnahmen. Der Effekt war bei den unterschiedlichen Koffeindosen gleich.
Schneller laufen durch Kaffee?
Das war mir vollkommen neu: Wer Kaffee vor einem Wettkampf trinkt, der kann schneller laufen. Diese Ansicht verdanken wir australischen Wissenschaftlern. Durch das „Kaffee-Doping“ wurde bei Amateur-Sportlern die maximale Power-Score um 7 % gegenüber Placebo erhöht. Bei dem Versuch bekamen die Sprinter eine Koffeinlösung (6 mg/kg KG) und andere eine Placebo-Lösung.
Nachdem man solche Ergebnisse verdaut hat, könnte man fragen, ob der Kaffee oder Tee mit all seinen Begleitstoffen auch eine solche Wirkung entfaltet. Es ist durchaus möglich, dass die Inhaltsstoffe die Schnelligkeit erhöhen oder sogar reduzieren.
Vorbeugend gegen Krebserkrankungen?
Wer täglich Kaffee trinkt, vermindert das Risiko, an Parkinson und Alzheimer zu erkranken. Zum Thema Krebs und Kaffee gibt es über 400 Studien. Nach neuesten Untersuchungen italienischer Ärzte schützt Kaffee auch vor Leberkrebs. Francesca Bravi vom Forschungsinstitut Mario Negri in Mailand analysierte 11 Studien aus Südeuropa und eine aus Japan. Das Ergebnis war verblüffend: Kaffeetrinker hatten ein um 41 % geringeres Leberkrebsrisiko. Warum das so ist, wissen die Forscher noch nicht. Es wird vermutet, dass einige Stoffe im Kaffee eine Schutzwirkung entfalten. Nachdem ein Bericht in der Online-Ausgabe von „focus“ erschien (www.focus.de vom 2.8.2007 – die Studie wurde in der Fachzeitschrift „Hepatology“ publiziert), meldeten sich einige Leser und gaben Kommentare ab.
Hansemann schrieb: „Es ist bekannt, dass Bitterstoffe der Leber helfen können. Kaffee hat Bitterstoffe. Ist es nicht so, dass man nach einem deftigen Essen oft Lust auf einen Kaffee hat? Es ist nicht der Genuss der Bohnen, sondern weil er auch verdauungsunterstützend wirken kann.“
Die Kaffeetrinkerin und Joggerin D. Anke freut sich immer wieder, wenn Positives über den Kaffee berichtet wird. „Da ich ziemlich viel Kaffee trinke, darf ich über den täglichen Genuss hinaus nun sogar auf Unsterblichkeit hoffen“, schreibt sie augenzwinkernd.
Auch die US-amerikanischen Mediziner schlürfen Kaffee und erforschten die Wirkung. Nach Erkenntnissen von Allen Conney und seinem Team von der State University of New Jersy hilft Bewegung und Koffein gegen Hautkrebs. Die Erkenntnisse wurden zwar nur im Tierversuch ermittelt. Dabei kam heraus, dass Bewegung und Koffein beschädigte Zellen zerstören.
Warten wir einmal ab, was die Studien über den Kaffee wert sind. Vielleicht gibt es bald Studien, die ganz andere Ergebnisse liefern. Letzten Endes wird sich der Spruch von Leonardo da Vinci am Anfang des Blogs bewahrheiten, dass eben die Erfahrung bzw. die Langzeitbeobachtung von einer grösseren Bedeutung ist als Kurzzeit-Studien mit einer geringen Probandenzahl. Dazu ein Beispiel: Früher wurde behauptet, Schwangere sollten nicht viel Kaffee trinken, um die Entwicklung des Fötus nicht zu gefährden. Angeblich würden die Kinder zu früh und mit geringerem Gewicht auf die Welt kommen. Dänische Untersuchungen, die auch im „British Medical Journal“ unlängst publiziert wurden, konnten diesen Effekt nicht bestätigen.
Für Leute, die mit Kaffee nichts am Hut haben, bringe ich jetzt ein „Bonbon“ zum Schluss. Es ist ein Ausspruch, den Johann Wilhelm Petersen, Bibliothekar und Autor des Buchs „Geschichte der deutschen Nationalneigung zum Trunke“ (1782) zum Besten gab. Der Autor war übrigens ein Jugendfreund Schillers. Er sagte:
„König Friedrich ward noch mit Biersuppe erzogen, aber die Kinder von tausend seiner Unterthanen schon mit Kaffee. Die Seuche blieb nicht nur in den Städten, sondern steckte sogar Bauern und hart arbeitende Taglöhner an. Und so ward allmählich diese Thee- und Kaffeesauferei zu einem Verderber, welcher die Gesundheit schwächte, weibische Schlappheit und Empfindelei ausbreitete, viele Haushaltungen zugrunde richtete, das Mark der Nation auffrass und jährlich gegen 24 Millionen Gulden aus Teutschland schleppet.“
Nun wissen wir, dass der Kaffee keinesfalls eine weibische Schlappheit bewirkt, sondern dem Gedächtnis der Frauenköpfe zu ungeahnten Höhenflügen verhilft. Auch für die Männer bleibt etwas übrig: Sie erfreuen sich an dem Genuss und bleiben hellwach. Und das ist auch schon etwas.
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