BLOG vom: 13.12.2007
Bundesratswahl CH 07 – 2. Teil: Die Opposition SVP steht
Autor: Walter Hess, Biberstein CH (Textatelier.com)
Dieser Wahlkrimi „Schweizer Bundesratswahl 2007“, von den Mitte-Links-Parteien und insbesondere von der CVP inszeniert, verkam zu einer Schmierenkomödie. Da die neu gewählte Bundesrätin, Eveline Widmer-Schlumpf, dieses hinterhältige Spiel von Anfang an mitgespielt hat und offensichtlich willens war, das Amt auf jeden Fall anzunehmen, was immer auch an Winkelzügen darum herum unternommen wurde, geschah ihr Eintritt in den Bundesrat unter miserablen Vorzeichen. Das ist schlechter Stil. Sie tat allerdings so, als sei ihr Annahmeentscheid erst im letzten Moment gefallen, was mit der Vorgeschichte leicht zu widerlegen ist. Während der etwa 20-stündigen Auszeit wollte sie einfach noch zu ihren Gunsten herausholen, was herauszuholen war. Das war wahrscheinlich nichts, und gleichwohl nahm sie die Wahl an.
Damit werden die neue Bundesrätin Widmer und auch der Nato-kompatible Militärminister Samuel Schmid von ihrer angestammten Schweizerischen Volkspartei (SVP) nicht mehr anerkannt (sie sind nicht mehr Fraktionsmitglieder), und die SVP als stärkster Schweizer Partei wird zur Opposition, die ohne Rücksicht operieren kann. Nachdem die neue Bundesrätin die Wahlannahme erklärt hatte, zeigte sich der abgewählte SVP-Bundesrat Christoph Blocher in einem markanten Votum eher erleichtert, nicht mehr eingebunden zu sein und sich wieder offen und frei äussern zu können. Die 4 Jahre im Bundesrat haben Blocher zweifellos tiefe Einsichten in die politischen Mechanismen in der Schweiz gewährt, und es wird interessant sein mitzuerleben, wie seine Politik (wahrscheinlich in der Rolle des kommenden SVP-Präsidenten, Ueli Maurer hat seinen Rücktritt vor Wochen bekannt gegeben) davon geprägt sein wird.
Das miese politische Ränkespiel zur Blocher-Abwahl, das sich die wahl-frustrierten Drahtzieher in den kleinen Parteien abgekartet und selbst gegenüber ihren Getreuen erst im letzten Moment vor der Wahl Widmers offenbart haben, weist auf den hinterhältigen politischen Stil einer ausgesprochenen Neidgenossenschaft hin, der tatsächlich durch eine starke und kompetente Opposition überwacht und in die Schranken gewiesen werden muss. In diesem Sinne erwarte ich, dass von der neuen Situation der notwendige Reinigungseffekt ausgeht. Zu den Verlierern dürfte allen voran die CVP gehören, die das Ränkespiel eingefädelt hat. Die Position der Sozialdemokratischen Partei und der Grünen war von Anfang an klar („keine Blocher-Wiederwahl“) und damit wenigstens offen und berechenbar.
Die Schweizer Politik hat sich grundlegend verändert, ohne dass das an den Resultaten und der Stabilität im Lande Wesentliches ändern dürfte. Und auch wir Schweizer werden uns in Zukunft wahrscheinlich (noch) intensiver mit der Politik befassen. In der Vor-Blocher-Zeit war es verschiedenen Schweizern schwer gefallen, die Namen der 7 Bundesräte und der zugehörigen Partei auswendig aufzuzählen. Und auch der Name des alljährlich wechselnden Bundespräsidenten brauchte uns nicht besonders zu interessieren – man verstand darunter einfach eine interne Organisationsaufgabe, ein Primus inter Pares (Erster unter Gleichen), und wer das war, spielte fürs Volk kaum eine Rolle.
Das hat sich nun geändert. Die Politik ist im Rahmen der überhand nehmenden Unterhaltungskultur zur Personality-Show verkommen, bei der die Personen wichtiger als politische Inhalte (Sachfragen) sind. Rund um die Bundesratswahl freuten sich die Medien folgerichtig denn auch vor allem daran, dass das Geschehen so „spannend“ war – das erschien ihnen wichtiger als das, was dabei herauskommen würde. An diesem von Infantilität geprägten Zustand ist alles falsch. An die erste Stelle gehören nicht persönliche Eigen- und Betroffenheiten, sondern Sachfragen. Selbstredend wird die Politik von Menschen gemacht; doch wenn diese Darsteller als solche wichtiger als das werden, was sie auf dem politischen Parkett tun, besteht die Gefahr von gravierenden Fehlentwicklungen, wie das zurzeit mit der Schweizer Armee geschieht, ohne dass das wahrgenommen wird, notabene.
Die neue Entwicklung bietet erweiterte Ansatzmöglichkeiten, die Sachfragen wieder ins Zentrum des politischen Geschehens zu stellen, aufmerksamer hinzuschauen. Das ist zwingend nötig, wie gerade die Art und Weise, wie diese Bundesratswahl vonstatten ging, eindeutig gelehrt hat.
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