Textatelier
BLOG vom: 06.02.2008

Keine Gnade gegenüber den fleissigen Schweizer Putzfrauen

Autor: Walter Hess, Biberstein CH (Textatelier.com)
 
Am 24. Februar 2008 dürfen wir Schweizer über das Bundesgesetz über die Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für unternehmerische Tätigkeiten und Investitionen (Unternehmenssteuerreformgesetz II) abstimmen. Es will die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) durch Steuerentlastungen verbessern. Zu Recht bezeichnet der Bund in der Abstimmungsbroschüre Steuern als „substanzzehrend“ – ich sehe und erlebe das genauso.
 
Je nach Finanzakrobatik könnten die Steuerausfälle von Bund und Kantonen, falls das erwähnte Gesetz angenommen werden sollte, zwischen 877 Mio. CH und 2 Milliarden CHF ausmachen – genau so umfangreich wäre die Unternehmensentlastung. Wie es genau herauskommen wird, weiss man nicht. Die Gegner befürchten unter anderem, dass die Altersversicherung AHV darunter leiden könnte. Und je nach Standpunkt sieht die Beurteilung anders aus, weshalb ich hier nicht mit einer Parole aufwarten möchte.
 
Ich fügte dieses Beispiel schlicht und ergreifend aus dem Grunde an, weil sich einerseits die Öffentliche Hand im grossen Wirtschaftsbereich grosszügig zeigt, anderseits aber die kleinen Putzfrauen, diese privaten Reinigungshilfen, an die Kandare nimmt. Eine nette Frau, die irgendwo für ein paar Franken beim Putzen hilft und den bescheidenen Ertrag dieser humanitär sowie bakteriell hochstehenden und zweifelsfrei sehr nützlichen Aktivität nicht versteuert, ist eine Schwarzarbeiterin und bewegt sich damit im Rahmen des Kriminellen. Bundesrätin Doris Leuthard kennt dem Reinigungspersonal gegenüber keine Gnade. Seit dem 1. Januar 2008 gibts kein Pardon mehr.
 
Es wird gesagt, die Einbindung der Putzfeen ins Steuersystem sei für diese selber wichtig, weil sie dann gegen Unfall versichert und auch besser in die AHV eingegliedert seien. Das ist schon richtig, wenn es um massgebliche Dimensionen geht, sagen wir einmal um mehr als 2000 CHF im Jahr. Doch für ein paar wenige Stunden im Monat oder Jahr lohnt sich der administrative Aufwand wohl kaum – irgendwo müsste man schon eine untere Grenze setzen, damit die Administration nicht aufwändiger als die Putzarbeit als solche wird. Limiten, die zwar immer willkürlich sind und gegen die Gleichbehandlungsbestrebungen verstossen, finden sich allüberall, auch bei der eingangs erwähnten Unternehmenssteuerreform (die an eine natürliche Person ausgeschütteten Dividenden sollen durch den Bund nicht mehr voll besteuert werden, wenn diese Person zu mindestens 10 % am Kapital beteiligt ist). Das Gleichheitsprinzip hat in der Paxis ohnehin einen schweren Stand.
 
Für die nur sporadisch arbeitenden Putzfrauen wird die Folge sein, dass sie weniger häufig oder gar nicht mehr zum Einsatz kommen. Denn wenn ich ebenso viel Belastung durch Formulare wie Entlastung durchs Putzen erhalte, nehme ich halt den Staubsauger und den Putzlappen besser gleich selber zur Hand, der Einfachheit halber, auch wenn der Formularkrieg zugegebenermassen offenbar etwas vereinfacht worden ist (die kantonalen Ausgleichskassen werden entsprechend mehr belastet). Ich erlaube mir die Freiheit, die Putzfrauen als Dienstleistungsunternehmen zu empfinden, um die Bemerkung zu rechtfertigen, dass die Besteuerung bis zum letzten Franken hier wenig unternehmensfreundlich sei. Eher etwas schäbig.
 
Den Putzfrauen, die eine wenig beliebte Arbeit zu geringen Ansätzen leisten, gehört meine Sympathie, und ich wünsche ihnen, dass sich eine von Vernunft statt von Kleinlichkeit geprägte Lösung findet, die alle ihre Bedürfnisse unter einen Hut bringt. Ein bisschen Freiraum müsste man ihnen schon lassen.
 
Eine dem Reinigungspersonal gegenüber offenbar anständige Arbeitgeberin war bisher die Schweizer Post. Angeblich lagen hier die Kosten für Reinigung und Unterhalt (Haustechniker) bisher bis zu 30 % höher als in den Vereinbarungen im Branchen-Gesamtarbeitsvertrag (GAV) zwischen den Gewerkschaften und der Reinigungsbranche; sie verdienen zwischen 22 und 25 CHF pro Stunde. Und nun will die wegen teilweise überhöhter Tarife wieder sehr rentable Post ausgerechnet hier, bei den tiefsten Löhnen, sparen und das Putz- und Gebäudeunterhaltspersonal (helvetischer Ausdruck: „Service House“) in einen separaten Bereich auslagern – nach dem Motto „Immer auf die Kleinen“ und ganz im Sinne der skrupellosen neoliberalen Globalisierung. Die rund 2500 Angestellten (850 Vollzeitstellen) werden den GAV verlieren und würden dann zu verschlechterten Konditionen wieder angestellt; denn das ist ja der Zweck der Sparübung. Im neoliberalen Managementdeutsch: Die Post will und muss sich auf die vollständige Marktöffnung vorbereiten und sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren. Die Star Cleaners gehören nicht dazu. Am liebsten würde die Post offenbar die Grundversorgung aufgeben und die hinterbliebenen Poststellen ebenfalls schliessen; deren Kosten hat sie in diesem Sinne mit 400 statt 200 Mio. CHF pro Jahr angegeben.
 
Marktöffnung und Kerngeschäft sind die üblichen neoliberalen Sprüche, die immer wieder auftauchen, nicht nur im Bereich der Facility-Management-Dienstleistungen, wie sie die Post nennt. Sie rufen bei mir die Befindlichkeitsstörung Nausea (engl. für Brechreiz) hervor. Für einen Crashkurs zur lächerlichen Anbiederung an die sprachliche Weltläufigkeit scheint das Geld der Post immerhin noch gereicht zu haben.
 
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