BLOG vom: 29.05.2008
Kirschtorten-Fest: Sahnige Versuchung auch auf Japanisch
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
Am 22.05.2006 berichtete ich bereits in dem Blog „Erfand wirklich ein Eunuch die Schwarzwälder Kirschtorte?“ unter anderem auch über das 2. Schwarzwälder Kirschtortenfestival in Todtnauberg D. Als jetzt, am 25.05.2008, die 3. Veranstaltung dieser Art im Kurhaus von Todtnauberg über die Bühne ging, reisten Paula und ich erwartungsvoll an, um die Amateure und Profis bei der Herstellung der sahnigen Versuchung über die Schulter zu schauen.
Die Veranstaltung wurde von den Hotels (allen voran das Hotel Engel, Hotel Mangler, Hotel Arnica und der Hotel-Pension Försterhaus) und der Kurverwaltung Todtnauberg hervorragend über die Bühne gebracht. Unter Mithilfe der Beeriwieber (Fasnachtsverein) und des Schwimmbadvereins Todtnauberg wäre die Veranstaltung, wie mir Jochen Stückler mitteilte, nicht zu bewältigen gewesen. Die Vereine stellten ja die meisten Helfer.
Bei diesem Festival, das 2010 wieder stattfindet, können sich Profis und Hobbykonditoren anmelden und ihre Version der Schwarzwälder Kirschtorte dem Publikum und einer Jury darbieten. Es wurde genau festgelegt, was jeder an Zutaten mitbringen sollte: dunkle Biskuitböden, Kirschen für die Füllung, Dekoration und Verzierungsmaterial. Vorhandene Zutaten waren 30-prozentige Sahne (Breisgau-Milch), Schladerer Kirschwasser und Konfitüren der Firma Faller, also Produkte aus der Region.
Jeder Teilnehmer hatte 20 Minuten Zeit, um aus den vorhandenen Zutaten eine Schwarzwälder Kirschtorte zu zaubern. Im Anschluss wurden die Torten von 4 Jurymitgliedern nach Optik (Dekor, Form; 30 Punkte), Handwerk (Arbeitsablauf, -ausführung, Präsentation; 25 Punkte), Geschmack und Geruch (Böden, Sahne, Füllung; 30 Punkte) bewertet. Die Originalität (Kreativität, aussergewöhnliches Dekor) wurde mit 15 Punkten bewertet. Die besten Teilnehmer wurden mit Gold-, Silber- und Bronzemedaillen ausgezeichnet.
Das Festival wurde um 11 Uhr von Sascha Hotz, Geschäftsführer der Todtnauer Ferienland GmbH., eröffnet. Kurz darauf erzählten Klaus Vollmer vom Landesverband der Konditoren und Sascha Hotz Wissenswertes zur Geschichte der Schwarzwälder Kirschtorte. Bernd Ropertz aus Todtnau zeigte zu Beginn der Veranstaltung, wie eine richtige Schwarzwälder Kirschtorte hergestellt wird.
Wir waren um 13.00 Uhr in Todtnauberg. Wir parkten das Auto in der Nähe des Feuerwehrhauses und wanderten gemütlich an schönen alten Schwarzwaldhäusern vorbei zum Kurhaus. Kaum anwesend, war ich auf der Suche nach Jochen Stückler (siehe Blog vom 11.05.2008: Wirtegeschichten IV: Spinatknödel, Speck aus Mausefalle“), den ich dann in der Küche entdeckte. Dort bereitete er zusammen mit Kollegen Gerichte zu, die mittels Bons an die Hungrigen ausgegeben wurden. Die fleissigen Köche kamen ganz gehörig ins Schwitzen. Auf die Frage, wie viele Torten Jochen Stückler und seine Kollegen hergestellt haben, meinte er: „60 Stück, aber die werden nicht reichen. Wir müssen wohl laufend nachproduzieren.“
Das war in der Tat so. Bis zum Ende der Veranstaltung waren schon über 100 Torten in den Mägen der 2500 Besucher verschwunden. Eine beachtliche Leistung. Das Verzehren der Speisen und Torten hatte auch etwas Gutes: Der Erlös aus den verkauften Tortenstücken kommt dem Todtnauberger Kindergarten zugute.
11 Amateure und 17 Profis zeigten am Nachmittag, wie sie ihre sahnigen Meisterwerke herstellten. Aus terminlichen Gründen konnten wir nur bis zum Ende des Amateurwettbewerbs bleiben.
Unterhalb der Bühne, die bezeichnenderweise den Namen „Cafe Tortenblick“ hatte, war ein langer Tisch mit den Utensilien für die Tortenherstellung aufgebaut. 3 Frauen waren in der 1. Ausscheidung zugange, Silvia Linda aus St. Peter, Lore Seger aus Häg-Ehrsberg, die Japanerin Chieko Lio-Herfurt aus Freiburg im Breishau. Aber auch der junge Nachwuchs aus Todtnauberg, der 7-jährige Alfred Boch jun., und die 10-jährige Anne-Marie Schwertfeger waren mit Begeisterung dabei. Sie fertigten eine Kindertorte, nicht mit Kirschwasser, sondern mit Kirschsaft.
Als Juroren wirkten folgende mit: Alfred Boch (*) vom Hotel Engel in Todtnauberg, Werner Eiche von der Gewerbeschule in Lörrach, Franz-Josef Koszinowsky, Konditormeister aus Sankt Blasien, und Armand Maier, Maitre-Pâtissier aus Gutach. SWF3-Rundfunk-Reporter Klaus Gülker führte in bewährter Form durch das Programm.
Mit Argusaugen beobachteten die Juroren die Teilnehmerinnen. Aber auch ich konnte einige interessante Dinge feststellen. So war Silvia Linda aus St. Peter mit einer unglaublichen Ruhe dabei, eine besonders hohe Schwarzwälder-Kirsch-Torte anzufertigen. Als Verzierung nahm sie keine eingelegten Kirschen, sondern setzte auf die Sahnehäubchen echte Kirschen mit Stielen drauf. Eine solche Torte habe ich noch nie gesehen. Wegen ihrer Ruhe brauchte sie am längsten, konnte aber dennoch die vorgeschriebene Zeit einhalten.
Lore Seger war als Erste fertig – kein Wunder, sie galt ja schon als Profi, da sie im Jahr für Verwandte und zum eigenen Bedarf etwa 200 Kirschtorten produziert. Als Klaus Gülker sie fragte, ob sie auch ihren Fanclub dabei habe, zeigte sie auf einen Mann und meinte: „Mein Freund ist dabei.“ Als später die Frau in dieser Gruppe als erste mit der Torte fertig war, sprang der Freund herum und klatschte Beifall. Er wollte gar nicht mehr aufhören und murmelte etwas vor sich hin. Aber das übrige Publikum blieb ruhig und liess sich nicht durch den in höchste Verzückung geratenen Mann zu Beifallsstürmen animieren.
Die Japanerin kreierte eine japanische Kirschtorte. Als Verzierung auf der Oberseite wählte sie Schokostreusel, getrockneten Grüntee und Kokosraspeln. Für ihre Kreativität und das aussergewöhnliche Dekor bekam sie aus den Händen von Ursula Cantieni einen Sonderpreis.
Ursula Cantieni, bekannt aus der Fernsehserie „Die Fallers – eine Schwarzwaldfamilie“, war Stargast der Veranstaltung. Frau Cantieni war auch damals (1996) bei der Fernsehsendung „Wandern um den Fallerhof“, bei der Frank Hiepe und ich mitwirkten, dabei. Während der damaligen Sendung erzählten wir Interessantes über Heilwirkungen, Aberglauben und Brauchtum von Heilkräutern des Schwarzwaldes. Ursula Cantieni fertigte beim Festival mit Unterstützung des Pâtissiers Armand Maier eine besondere Kirschtorte an. Dabei sparte sie nicht mit Kirschwasser.
Und wer wurde zum Sieger oder zur Siegerin erkoren? Es war nicht meine Favoritin Silvia Linda mit der besonders hohen Kirschtorte, sondern eine andere: Bei den Profis gewann die 23-Jährige Konditorin Nicole Speidel aus Reutlingen, gefolgt von Adeline Pless auf dem 2. Platz. Diese hatte ihre Torte mit kleinen Bollenhüten dekoriert. Wie der Pâtissier Armand Maier in TV-Südbaden (gesendet am 26.05.2008 um 20.00 Uhr) betonte, lagen diesmal die Konditoren 1 bis 3 ziemlich eng beieinander. Bei den Amateuren siegte Angelika Lipps aus Appenweier, gefolgt von Petra Rösch aus Eimeldingen. Die erwähnten jüngsten Teilnehmer belegten den 5. Platz und bekamen eine Silbermedaille.
Am Fernsehen wurde unter anderen eine Kirschtorte gezeigt, die eine besondere Verzierung hatte. Aus den Sahnehäubchen ragten Tannenspitzen heraus. In der SWR/SR- Fernsehsendung „Landesschau“ vom 05.2008 (18.45 Uhr) wurde zum Ausdruck gebracht, dass Tannenspitzen auf einer Schwarzwälder Kirschtorte nichts zu suchen haben. Dieser Konditor hatte also keine Chance auf einen vorderen Platz. Aber originell war die Idee in meinen Augen dennoch.
Die Medaillen wurden vom Todtnauer Bürgermeister Andreas Wiessner überreicht.
Zu erwähnen wäre noch, dass die Todtnauberger Trachtenkapelle und das Duo „Die Grashüpfer“ für die musikalische Stimmung sorgten.
In einer E-Mail teilte mir Jochen Stückler zum Festival dies mit: „An diesem Tag hat alles gepasst: schönes Wetter, viele zufriedene Gäste, gute motivierte Mitarbeiter, keine Torte machte den ,Abgang’ (fiel auseinander oder auf den Boden) und ein stolzer Umsatz von 6350 Euro. Man muss bedenken, dass wir das Stück Torte mit 2 Euro sehr günstig abgegeben haben.“
Die grösste Kirschtorte der Welt
(*) 1998 stellten Alfred Boch und sein Team die grösste Schwarzwälder Kirschtorte der Welt her. 200 einzelne Kirschtorten wurden zu einer Torte mit einem Durchmesser von 4,5 m und 3 m Höhe zusammengestellt. Für die Torten wurden 2000 Eier, 60 kg Zucker, 50 kg Mehl, 300 Liter Sahne, 20 kg Schokoflocken und 30 l Schwarzwälder Kirschwasser verarbeitet. Zusammen wog das Meisterwerk 750 kg. Eine unglaubliche Leistung, die dann auch mit einem Eintrag in das Guinnessbuch der Rekorde belohnt wurde. 3200 Einzelstücke gelangten in den Verkauf. Der Reinerlös kam der Sanierung des Bürstenbinderbrunnens zugute.
Internet
www.kirschtorte.de (Infos über die Kirschtorte, mit einem Kirschtortenrezept)
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