Textatelier
BLOG vom: 16.08.2008

Staunen im Kräutergarten: Der Salbei tröstet, die Rose erfreut

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Am 27.07.2008 fand in unserer Gegend der jährlich stattfindende „Tag des offenen Bauerngartens“ statt. Die mit sehr viel Liebe gepflegten Gärten finden immer wieder grosses Interesse, nicht nur bei Pflanzenliebhabern. So fanden auch viele Besucher aus dem Hotzenwald, aus Bad Säckingen, der Schweiz und vom Bodensee den Weg nach Ibach. Vor dem Haus „Tannenhof“ in Unteribach bewunderten sie den Kräutergarten von Marlene Müller (www.Veda-Energeticum.com).
 
Die Gemeinde Ibach setzt sich aus den Ortsteilen Ober- und Unteribach, Lindau und Mutterslehen zusammen. Sie hat 400 Einwohner und liegt auf einem Hochplateau unweit von St. Blasien. Ibach, das sich inmitten von ausgedehnten Wiesen- und Weideflächen ausbreitet, gilt als eine kleine Perle im Hotzenwald. Immer wieder, wenn ich nach Ibach fahre, bewundere ich die alten Schwarzwaldhäuser mit ihren heruntergezogenen Walmdächern und den mit Blumen geschmückten Balkonen.
 
Im Rahmen einer Veranstaltung des Kneipp-Bunds St. Blasien konnte ich am 02.08.2008 den Gemüse- und Kräutergarten von Marlene Müller mit einer kleinen Gruppe bewundern. In ihrem Kräutergarten, der hinter ihrem Gemüsegarten liegt, sind Pflanzen aus aller Welt zu sehen. Somit konnten die interessierten Besucher einmal hautnah erleben, wie die Pflanzen aussehen, wie sie riechen und wie sie schmecken. Eine originelle Idee war die Beschriftung: Auf umgedrehten Blumentöpfen war die lateinische und deutsche Bezeichnung zu sehen.
 
Ungläubiges Erstaunen löste die Bemerkung von Frau Müller aus, dass man Kräuter nicht düngen muss. Wir konnten uns überzeugen, wie prächtig die Pflanzen in dieser Höhe (über 900 m ü. M.) gedeihen. Nur über den Winter muss sie einige Pflanzen ins Haus holen. Auch Tomaten und Gurken gedeihen im Freien nicht so gut, dafür in ihrem kleinen Gewächshaus. Dort hat sie sogar einige Weinreben. Frau Müller hat übrigens fast alle Pflanzen aus Samen gezogen.
 
„Kraut der Unsterblichkeit“
Auch hier wunderten sich die Gäste als sie von einer asiatischen Pflanze hörten, die gegen das Altern wirkt. Es handelt sich um die Pflanze Jiaogulan, die auf Grund ihrer antioxidativen Wirkung Freie Radikale unschädlich macht. Es sind die Gypenoside in den Blättern, die wirksam sind. Die Forscher sind überzeugt, dass die Pflanze zukünftig eine wichtige Rolle bei der Vorbeugung von Krebs, Arteriosklerose, Entzündungen und Lebererkrankungen spielen wird. Das Kraut senkt Blutfette und Blutzucker, reguliert den Blutdruck, stärkt das Immunsystem, verhindert stressbedingte Krankheiten. Auch soll die Pflanze gegen Alterserscheinungen (Altersschwäche) wirken. Erste klinische Untersuchungen erwiesen sich bei den Krankheiten und Alterserscheinungen als viel versprechend.
 
In der traditionellen chinesischen Medizin hat die Pflanze einen bedeutenden Platz. Der chinesische Name „Xiancao“ bedeutet soviel wie „Kraut der Unsterblichkeit“. Die Blätter kann man entweder kauen oder aus den frischen oder getrockneten Blättern einen Tee zubereiten. Die Blätter eignen sich auch als Salatzusatz. Wie Marlene Müller betonte, sollte man täglich die Blätter kauen oder als Tee trinken. Der Handel bietet Samen, Tees und eine Anti-Aging Naturkosmetik an.
 
Als ich diesen Absatz schrieb und dann mein Blog unterbrochen hatte, um die Post aus dem Briefkasten zu holen, kam ich mit einer Nachbarin wegen des Ibacher Kräutergartens ins Gespräch. Da sagte sie ganz spontan: „Warten Sie, ich habe etwas für Sie.“ Dann ging sie in ihre Wohnung, kam zurück und hatte einen Gartenkatalog in Händen. Sie riss eine Seite heraus und übergab mir diese. Und was stand auf der Seite? Man mag es kaum glauben, es war das Angebot über das chinesische Heilkraut Jiaogulan. Die Firma warb mit der Überschrift „Gesundheit aus dem Blumentopf!“ Ich war ganz perplex, aber auch die Frau, als ich ihr erzählte, dass ich diese Pflanze zum ersten Mal bei Marlene Müller gesehen hatte. Die Nachbarin hat auf ihrem Balkon bereits eine schöne Pflanze herangezogen. Dort durfte ich sogleich ein Blatt probieren.
 
Lavendel- und Rosenbadesalz
Die Gäste waren besonders erpicht darauf, einige Rezepte von der Kräuterexpertin zu bekommen. Sie schrieben eifrig mit, als sie die Rezepte von Badesalzen erfuhren.
 
Hier die Rezepte:
 
Lavendel-Badesalz: Frische Blüten und Blätter und gleiche Mengen Salz mittels Mixer zerkleinern. Die feuchte Masse wird in Eierbecher gefüllt. Nach 1 Stunde kann man die Masse herausklopfen. Für 1 Bad reicht die Menge eines Eierbechers aus. Als Emulgatorenersatz wird dann dem Badewasser 1 Becher Sahne oder Buttermilch zugefügt. Dann kann man voller Erwartung in ein solch duftendes Bad steigen. Lavendel hat eine ausgleichende und beruhigende Wirkung.
 
Rosen-Badesalz: Das Badesalz wird mit Rosenblättern wie oben beschrieben hergestellt. Das Bad entspannt und führt zu einer Harmonie. Besonders empfehlenswert ist ein solches Bad für Frauen in den Wechseljahren.
 
Die Rose wird in der Hildegard-Medizin verwendet. Sie gilt als „Frohmacher“. Zur Anwendung kommen Rosenblütentee und ein Rosenriechpulver (zusammen mit Salbei). Das Riechpulver sollte man immer bei sich tragen und in Stresssituationen daran riechen. „Der Salbei tröstet und die Rose erfreut“, so Hildegard von Bingen.
 
Als eine ältere Frau, die wohl nicht gerade die Fröhlichste war, dies hörte, sagte sie ganz spontan: „Die Rose könnte ich gut gebrauchen.“
 
Lavendelblütenöl: Lavendelblätter mit Jojobaöl oder Sonnenblumenöl in einem Glas mischen, nach 6 Wochen wird abgegossen und ausgepresst. Man kann damit die Fusssohlen oder den Rücken einreiben. Dieses Öl verhilft zu einem gesunden Schlaf.
 
Nach diesen ersten Pflanzen gingen wir weiter, und dabei entdeckte ich ein sehr schön gestaltetes Schild mit der Aufschrift „Dieser Garten wächst mit Liebe“. Das kann ich wirklich bestätigen. Man muss einen grünen Daumen haben, um solch einen Garten hervorzubringen.
 
Ysop gegen den Kirchenschlaf?
Ysop hat als Wirkstoffe ätherisches Öl, Gerbstoffe, bittere Glykoside, Sitosterin und Ursolsäure zu bieten. Ysop regt die Drüsen des gesamten Verdauungstraktes an. Er wird bei Magen- und Darmstörungen und zur Appetitsteigerung gerne genommen. Aus den Ysopblüten kann man ein Gelee fabrizieren. Dieser passt gut zu Wildgerichten.
 
Dr. Eugen Fehrle berichtete in seiner „Badischen Volkskunde“, dass Bauersfrauen immer einige stark riechende Blättchen des Ysops ins Gebetbuch legten. Warum dies? Fehrle hatte eine Antwort: „Dies geschieht zunächst nicht, wie häufig zu lesen ist, gegen den Kirchenschlaf. Diese Begründung ist erst nachträglich gegeben infolge spasshafter Gespräche über den guten Schlaf der Bauern während der Predigt. Zunächst sollte das Zweiglein, besonders bei jungen Frauen, ein Gegenmittel gegen Übelwerden in der Kirche sein, wogegen man auch Riechfläschchen benutzt.“
 
Auch die Eberraute wurde in die Kirche mitgenommen, um einen Schlaf bei langweiligen Predigten zu verhindern.
 
Dann wurden wir mit der Eberraute konfrontiert. In der Volksmedizin wurde die Pflanze gerne gegeben zur Magenstärkung, Förderung der Verdauung und bei Wurmbefall. In der Homöopathie kommen entsprechende Zubereitungen bei Abmagerung, Entwicklungsstörungen der Kinder, chronischen Hautstörungen, Rheumatismus und Gicht zur Anwendung. Die stark riechende Eberraute wird in kleinen Mengen Salaten beigemischt (höchstens 1 Blättchen auf eine Schüssel!), aber auch in Vorratsschränken platziert, um Schädlinge abzuhalten.
 
In manchen Gegenden im Badischen wurde Wermut, Raute oder Eberraute in Brautschuhe gegeben. Damit wurde die Braut vor bösem Zauber geschützt. Marlene Müller wusste noch etwas über Brauchtum zu berichten. So versteckten Mütter in den Schuhen ihrer Kinder Eberrautenblätter. Damit sollten sie keusch bleiben, solange sie die Schuhe trugen. Ein Gast, der bei einer anderen Führung dies interessiert zur Kenntnis nahm, bemerkte darauf dies: „Und was passiert, wenn die Mädchen ihre Schuhe am Abend ausziehen?“
 
Pfefferartig schmeckende Indianernessel
Marlene Müller hat in ihrem Kräutergarten auch die Indianernessel (Goldmelisse, Monarda). Die farbenprächtige feurig-rot blühende etwa 1 m grosse Staude ist ein Blickfang. Die aus Nordamerika stammende Pflanze nutzten die Oswego-Indianer als Heilmittel bei Erkältungskrankheiten aller Art. Heute ist der erfrischende Tee aus den Blätten in den USA sehr beliebt.
 
Die Blätter kann man auch klein schneiden und in den Salat mischen. Die Blätter schmecken pfefferartig. Davon konnten wir uns mit einer Geschmacksprobe überzeugen. Es gibt auch Indianernesseln mit den Blütenfarben Lila, Rosa und Weiss.
 
Süsse Pflanzen sind keine Dickmacher
Auch das gibt es im Kräutergarten zu bewundern: Pflanzen, die süss schmecken. Es sind die Süssdolde (Myrrhenkerbel) und die Stevia rebaudiana (Süsskraut, Süssblatt, Honigkraut). Die Süssdolde ist ein Doldenblütler und bildet eine 60 bis 150 cm grosse Staude aus. Die essbaren Blätter können vom Frühjahr bis Herbst geerntet werden. Auch die Samen haben eine Verwendung. Die im Herbst eingesammelten Samen dienen als Gewürz. Früher wurde die Pflanze in der Volksheilkunde als Blutreinigungsmittel gebraucht, aber auch bei Husten und Magenschwäche.
 
Die Stevia gehört zu den Korbblütlern und enthält einen natürlichen Süssstoff, der in vielen Ländern dieser Welt schon lange genutzt wird. So verwenden beispielsweise die Guarani-Indianer Stevia, um den Mate-Tee zu süssen. Auch in Brasilien und Paraguay verwenden bestimmte Bevölkerungskreise Stevia zum Süssen und als Medizin. So soll Stevia herzstärkend, blutdrucksenkend und gegen Sodbrennen wirksam sein. Paraguayische Indianer gebrauchen Stevia als Verhütungsmittel. Und in asiatischen Ländern ist Stevia schon lange der „Renner“.
 
Bisher wurden in den Blättern über 100 verschiedene Stoffe nachgewiesen. Für die Süsse verantwortlich sind 7 Glykoside.
 
Der Süssstoff Steviosid, der die 250-300fache Süsskraft wie Zucker hat, ist für Diabetiker geeignet und wirkt auch vorbeugend gegen Karies. Der Süssstoff ist also zahnfreundlich. Der Süssstoff, der noch nicht von der EU zugelassen ist, hat noch einen Vorteil: Er macht nicht dick. Da werden die Abspeckwilligen jubeln, und die Zuckerindustrie in die Röhre schauen.
 
Das Steviosid an sich ist nicht toxisch. Beim Abbauprodukt, dem Steviol, wurde im Tierversuch eine Mutagenität ermittelt. Beim Menschen liegen laut WHO keine Veränderungen im Erbgut nach Verzehr von Steviosid vor. In einigen Ländern wurde deshalb der Süssstoff nicht zugelassen, dann wurde das Verbot wieder aufgehoben. Denn Tierversuche lassen sich nicht auf den Menschen übertragen. Ausserdem wurden bei den Tierversuchen grosse Mengen verfüttert. Ein Mensch müsste dann schon kiloweise Blätter am Tag verzehren. Es besteht der Verdacht, dass hier die Zuckerindustrie die Studien finanziert hat, denn es liegt in ihrem Interesse, dass keine Konkurrenz in Form eines natürlichen Süssstoffes auf den Markt kommt.
 
Kleine Beere mit grosser Wirkung
Auch die Aronia, die seit einiger Zeit für Furore sorgt, hat Marlene Müller in ihrem Kräutergarten. Die Beeren waren allerdings noch nicht reif. Die Aronia-Beere ist im reifen Zustand violettschwarz und hat gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe. Klinische Untersuchungen ergaben eine gute Wirkung bei Herz- und Kreislauferkrankungen, Hautkrankheiten, Entzündungen, Magen-, Darmerkrankungen, Kinderkrankheiten und Strahlenschäden.
 
Die Beeren haben ein ganzes Paket an Inhaltsstoffen zu bieten, so zum Beispiel Vitamin C, Mineralstoffe, Spurenelemente und Polyphenole (Bioflavonoide). So enthält die Aronia-Beere den höchsten Anthocyanidingehalt aller bekannten Früchte (800 mg/100g). Zum Vergleich: Blaue Weintrauben und Blaubeeren haben nur 165 mg je 100 g zu bieten.
 
Die Polyphenole, zu denen Phenolsäuren, Hydroxyzimtsäuren, Flavonoide, Anthocyane gehören, wirken antioxidativ, krebshemmend und entzündungshemmend. Anthocyane verhindern eine Zusammenballung von Blutplättchen (Thromboseschutz) und senken den Cholesterinspiegel.
 
Es gab noch mehr zu sehen
Wir staunten nur so, was die charmante Frau Müller so noch auf Lager hatte. Sie zeigte uns noch folgende Duft- und Heilkräuter: Koreanische Minze, verschiedene Oregano-Sorten, Bockshornklee, Wilder Ruccola, Wermut, Königskerze, Kapuzinerkresse, Damaszenerrose, Duftpelargonien, Dahlienblüten, Alant, Malve, Meisterwurz, Guter Heinrich, Bergbohnenkraut.
 
So erfuhren wir, dass die Kapuzinerkresse antibiotische Substanzen enthält. Man kann sich einen alkoholischen Auszug von den Blüten und Blättern selbst herstellen. Der Auszug wird dann mit Wasser verdünnt und zum Gurgeln verwendet. Er lindert Angina, Mandelentzündung, Bronchitis, stärkt die Abwehr. Zur Wirkung erzählte uns Frau Müller diese Geschichte: Ein Mann, der des Öfteren mit Angina zu tun hatte, stand kurz vor einer Operation. Da gurgelte er regelmässig mit einem Auszug der Kapuzinerkresse. Seine Mandeln hat er noch heute. Sobald er nur die geringsten Schmerzen in seinen Mandeln verspürt, wendet er den Auszug an.
 
Nach der interessanten Führung wurden die Gäste mit einem Rosenkuchen zusätzlich belohnt. Der Biskuitkuchen aus Dinkelmehl war mit Rosenblüten-Gelee gefüllt und mit Rosenblütenzucker bestreut. Das Gebäck schmeckte allen vorzüglich. Als Getränk servierte Frau Müller einen mit Wasser verdünnten Blüten-Sirup. Er bestand aus 5 verschiedenen Blüten. Die genaue Zusammensetzung wollte sie uns nicht verraten.
 
Dann verriet sie uns doch noch eine Neuigkeit: Sie plant die Einrichtung eines Naturpfades in der Nähe ihres Hauses. Im dortigen moorigen Gelände wachsen seltene Pflanzen. Dies dürfte ein weiterer Höhepunkt für Naturliebhaber werden. Die Ideen gehen der agilen Frau offensichtlich nicht aus.
 
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