Textatelier
BLOG vom: 31.12.2008

2008 war einmal: Wer Enttäuschungen erträgt, darf hoffen

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein CH (Textatelier.com)
 
Die Medien haben es um die Jahreswende leicht, die Konsumenten aber umso schwerer. Die Meinungsmacher können nach Gutdünken ein paar Meldungen aus dem Archiv zusammenkleben, also Gammelinformationen aufwärmen, die ihnen wichtig zu sein scheinen, und die Konsumenten können das Aufgewärmte gefälligst auslöffeln. Meistens kommt dabei Unerfreuliches heraus, in Bezug auf dieses 2008 besonders. Dass die Amerikaner durch ihre Schuldenwirtschaft den ganzen vernetzten Globus in den Abgrund gerissen haben, dass die neoliberale Globalisierung das blödsinnigste aller denkbaren Modelle ist, weil es zur weiteren Bereicherung der Reichen und der zunehmenden Verarmung der Armen dient und entsprechende Spannungen verschärft, ist hinlänglich bekannt. Die Hungernden stürmen bereits Läden, sind zur Auswanderung gezwungen. Und George W. Bush, der als vorläufig schlechtester aller US-Präsidenten gilt, wusste nichts Gescheiteres, als den Biotreibstoff und damit die Nahrungsmittelknappheit zu fördern, die entsprechende Spekulation anzuheizen, weil Amerikaner nicht sparen können. Der Hunger breitete sich weiter aus. Bush hat wirklich alles falsch gemacht, innerhalb von nur 8 Jahren die ganze Welt ruiniert, eine fabelhafte Leistung, die ihm einen Ehrenplatz in den abendländischen Geschichtsbüchern sichern wird ...
 
Der Weltvereinheitlichung unter US-Dominanz müsste ebenso der Riegel geschoben werden wie den kriegslüsternen Machthabern (wie jenen in Israel) und Mitläufer-Politikern, die den USA zudienen und das Wohl ihres eigenen Volks vergessen. Statt gesprochen wird geschossen. Die Weltöffentlichkeit musste ihren ständigen Wohnsitz auf Barrikaden verlegen.
 
Individueller Rückblick
Jeder Mensch hat seine eigenen Erinnerungen an das verfliessende Jahr 2008, und zweifellos waren schöne Tage, unvergessliche Erlebnisse drunter, ansonsten er etwas falsch gemacht hätte. Ich könnte solche serienweise aufzählen, kleine, an sich unbedeutende Erlebnisse. Meine Höhepunkte waren ein Spaziergang durch einen bis ins Innere mit dichtem Raureif geschmückten Wald im Solothurner Jura, eine Wanderung über die mit einer wunderbaren alpinen Flora geschmückten Schratten im Bödmerenwald und viele neue und wiederbelebte Bekanntschaften und Gespräche mit ausserordentlichen Menschen. Es war ein reiches Jahr.
 
Vorausschau
Der Jahreswechsel verlockt gerade die Medienschaffenden und viele weitsichtige Experten zur Kunst der Vorausschau, zur Prophetie. Wahrscheinlich geht niemand fehl in der Annahme, dass 2009 mit dem durch eine noch ausgedehntere Schuldenmacherei weiter aktiv geförderten Zerfall der Weltwirtschaft schwierig werden wird. Die Hoffnung, dass ein messianischer Retter auftauchen wird, der nicht einfach einen verbalakrobatischen „Change“ zum Wahlschlager macht und mit alten ausrangierten Gäulen, die das Desaster zu verantworten haben, noch verstärkt dem Abgrund zusteuert, ist äusserst gering. Es müsste jemand sein, der (oder die) einsieht, dass zuerst einmal aufgeräumt und wieder gut gemacht werden müsste, der die Einhaltung des Völkerrechts durchsetzen, Kriege ächten und unterbinden, Kriegsnationen anprangern würde, der Lügen als Machtmittel aufdeckt und einer Menschlichkeit, einer Tierlichkeit und einer Pflanzlichkeit, ja einer umfassenden Natürlichkeit zum Durchbruch verhilft – jemand, der wahre Werte erkennt und propagiert. Man könnte die mit massenpsychologischen Erkenntnissen untermauerte Werbung und Öffentlichkeitsmanipulation theoretisch auch für eine Erziehung in Ethik einsetzen – wenn jemand draufkäme und das bezahlen würde, auch wenn damit keine Geschäfte verbunden wären.
 
Prognosen sind fast immer falsch. Auch Hoffnungen ihrerseits können unbegründet, falsch, illusorisch sein – aber wer Enttäuschungen verkraften kann, darf in Hoffnungen schwelgen. Das wird ihm wenigstens vorübergehend gut tun.
 
Die Krise-Chance-Gleichung
Die Redensart, wonach eine Krise eine Chance sei, nährt die Hoffnung: Wenn ein Haus abgebrannt ist, hat man hoffentlich die Chance, ein neues, noch schöneres aufzubauen. Wenn ganze Städte durch Bomben dem Erdboden gleichgemacht werden, ergibt sich die wunderbare Chance, sie neu aufbauen zu können. Wenn jemand eine schwere Krankheit durchgemacht hat, wird er vielleicht darin eine Chance zur Neugestaltung seines Lebens sehen und wahrnehmen und zur Gesundheit jetzt mehr Sorge tragen. Und in der Finanz- und Wirtschaftswelt fegen Krisen häufig Unternehmen, die auf falschen Prämissen fussten, hinweg und geben das Feld für Produzenten frei, die mit mehr Weitsicht und mit mehr Verantwortungsgefühl ans Werk gehen. Solche Krisen könnten also eine marktbereinigende Kraft hervorbringen, wenn dies die grossen Staaten nicht mit Steuergeldern verhindern würden (siehe US-Autoindustrie und andere dortige Wirtschaftszweige, deren desolater Zustand normalerweise keine Überlebensfähigkeit ermöglichen würde). Es käme zu neuen Formen der Umverteilung, hoffentlich in der richtigen Richtung.
 
Manipulative Elemente, welche die Finanzmärkte mehr und mehr durchdringen, verschleiern und dienen den Interessen der Manipulatoren – so haben die USA durch den gesteuerten Dollarzerfall ihre Schulden ständig auf alle Länder der Erde abgeschoben, und als das allein nicht mehr ausreichte, kamen eben die faulen Milliardenpapiere ins Spiel. Viele Verantwortliche, die das Debakel in Szene gesetzt haben, nehmen jetzt in Barack Obamas neuer Regierung Einsitz. Sie werden nun einen weiteren Schritt aushecken, allenfalls z. B. eine gewaltige Inflation, die auch der Entschuldung dienen kann. Die irregeleitete Weltöffentlichkeit hat noch nicht aus ihrer Obama-Verzückung herausgefunden, die vorerst auf ein paar hohlen Schlagwörtern und einem messianischen Getue beruht. Die Begeisterung müsste nur schon durch die Personalpolitik des neuen Präsidenten und sein Nachsicht bezeugendes Schweigen zur weiteren Zerstörung Palästinas (inkl. der Universität Gaza!) durch Israel Schlagseite erhalten. Israels Armee wirft ungestraft tonnenweise Bomben ab, ungeachtet der Schäden unter den Zivilisten. Allmählich nimmt der Umgang Israels mit Palästina den Charakter eines Völkermords an. Dieser Krieg geht weit über den Selbstschutz und die Raketenabwehr hinaus.
 
Was alles Obama versprochen hat, können sich die verarmenden USA nicht leisten – aber darnach fragt niemand. Neue Blasen und Krisen sind im Aufbau. Und die Rolle eines Friedensstifters nimmt er offensichtlich nicht wahr.
 
Mich hat die Krisen-Chancen-Gleichung noch nie so richtig in ihren Bann gezogen, noch nie hundertprozentig überzeugt. Naturkatastrophen und Krisen, für die keine Schuldzuweisungen möglich sind, gibt es immer; sie sind unabwendbar. Zweifellos soll man sich niemals in die Knie zwingen lassen und aus jeder gegebenen Situation heraus das Beste zu machen versuchen. Doch gefährlich und einfältig wäre der Umkehrschluss: Es brauche Krisen, damit sich überhaupt etwas zum Guten entwickeln kann. Am Schluss würden ja die Gauner, Kriegstreiber und Anwender des Faustrechts, die Versager und all die Unfähigen, welche Unruhen und Zerstörungen heraufbeschwören und sich dafür gerade auch königlich bezahlen lassen, für ihr Tun noch zusätzlich geadelt. Solche Tendenzen sind auch im Kleinen unverkennbar. Fehler und Schlampereien, die Unternehmen einen unermesslichen Schaden zufügen, werden als Anlass für Lernstücke hochgejubelt. Am Schluss ist jener der Dumme, der sich um eine hohe Qualität aufgrund einer hingebungsvollen, exakten Arbeit bemüht. Die Vernunft scheint im Kopfstand herumzulaufen.
 
Wer durch falsche Einschätzungen der Lage und falsche Entscheide eine Krise herbeiführt, ist schwachsinnig, ein Versager – das gilt für jede Stufe. Denn es müsste doch auch möglich sein, aus eigenem Antrieb heraus ständig zu lernen, sich weiterzubilden, sich durch Gehirngymnastik in die Lage zu versetzen, neue Chancen zu erkennen, weiterzubauen und nicht der Ansicht zu erliegen, man könne Neubauten nur auf Trümmern errichten. Das meinen bloss die Hyperinnovativen, und die sind dann erstaunt, dass die Neubauten nur ein unbefriedigender Abklatsch des Zerschlagenen ist.
 
Die Geschichte bietet uns Lehrstücke in Massen an; jede Dummheit, die man sich ausdenken kann, ist bereits begangen. Genau daraus sollte man lernen und nicht aus selbst herbeigeführten Schäden, für die man selber aufkommen muss und deren Folgen bei der Krisenbewältigung belasten und hemmen.
 
Liederliche Arroganz belohnen?
Das ist auch bei der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise made in USA, die weit über normale Wirtschaftszyklen hinausgeht, der Fall. Viel Erspartes ist weg, damit das Lotterleben auf dem US-Way of life von Unbeteiligten finanziert werden kann. Die Kosten zahlen Menschen, die verantwortungsbewusst für die eigene Zukunft vorgesorgt und sich eingeschränkt haben. Dazu kommen für die Ängste um den Arbeitsplatz oder Arbeitsplatzverluste. Wer unter solchen Vorbedingungen aus der Krise persönlichen Nutzen ziehen will, braucht schon einigen Einfallsreichtum. Zuerst muss er sich einmal um Überlebensstrategien bemühen.
 
Mehr Ordnung in den Finanzen
Der deutsche Bundespräsident Horst Köhler, ein weiser Mann, machte seinem Volk in seiner Weihnachtsansprache 2008 Mut („Wir haben ein gutes Fundament“). Und er wertete pflichtgemäss die Krise auch als Chance für eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Völkern, für eine bessere Ordnung von Wirtschaft und Finanzen, „in der das Kapital allen zu Diensten ist und sich niemand davon beherrscht fühlen muss“. Wie hätte er denn anders sprechen können, auch wenn er sehr wohl weiss, dass die Systemkrise noch kaum erkannt ist und dementsprechend auch keine Ansätze auszumachen sind, dass sie behoben wird? Barack Obama will die hoch entwickelte US-Kunst des Lebens auf Pump und auf Kosten der übrigen Welt noch markant ausbauen, um dem Wirtschaftszerfall zu begegnen, ein grundfalsches Prinzip Hoffnung (hope).
 
Obama denkt und handelt wie seine Vorgänger ausschliesslich im Interesse der Amerikaner, spielt sich aber bereits als Herrscher über die Welt auf. Der Rest der Erde besteht auch aus seiner Sicht aus tributpflichtigen Vasallen, die laut Obama noch stärker in Pflicht genommen, das heisst ausgebeutet werden sollen. Als aussenpolitischer Berater hat er  sich den Autor des Buchs „Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft“ gesichert: Zbigniew Brzezinski. Im 1997 erschienenen Buch schrieb Brzezinski: „Tatsache ist schlicht und einfach, dass Westeuropa und zunehmend auch Mitteleuropa weitgehend ein amerikanisches Protektorat bleiben, dessen alliierte Staaten an Vasallen und Tributpflichtige von einst erinnern.“ Machtanspruch und Verachtung werden da wenigstens klar ausgesprochen.
 
Der habsburgische Landvogt Heinrich Gessler und seine beiden Waffenknechte, die auf dem Gebiet der heutigen Innerschweiz tätig gewesen sind, waren vergleichsweise rücksichtsvolle, lebenswürdige Herren. Und dennoch sah sich unser Nationalheld Wilhelm Tell aufgerufen, sich Gessler entgegenzustellen. Ob das historisch teilweise oder überhaupt nicht stimmt, spielt keine Rolle. Wichtig ist der Hinweis auf den Willen zur Befreiung, zur Freiheit, von dem die alten Eidgenossen beseelt waren.
 
Und dieser Freiheitsdrang müsste sich heute darin erweisen, dass wir alles tun müssen, um uns aus der ausbeuterischen Umklammerung durch Amerika zu lösen. Die Knechtschaft, die sich in einem ununterbrochenen Ausbau befindet, ist kein taugliches und schon gar kein wünschbares Zukunftsmodell.
 
Die Krise haben wir ja in ersten, bereits massiv spürbaren Ansätzen. Die Nasen sind blutig geschlagen. Die Chance, endlich das nötige Selbstvertrauen zu entwickeln und sich aus Abhängigkeiten zu lösen, ist ebenfalls da. Was nützt es, in eine Seilschaft eingebunden zu sein und zwingend mit abzustürzen, wenn der Vordermann in die Tiefe fällt? Da ist mir ein Alleingang, bei dem ich die ganze Verantwortung für mich übernehmen kann, schon lieber. Da sind meine Überlebenschancen grösser.
 
Die Voraussetzungen für ein Umdenken und Umhandeln sind gut. Die schönste Jahrhundertkrise wäre unnütz, würde man sie nicht dafür nutzen. Also doch eine Chance?
 
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