Textatelier
BLOG vom: 10.01.2009

Auenschutzpark Rohr-Rupperswil: Dotierungsmassnahmen

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein CH (Textatelier.com)
 
Was hat sich die von Hunden und Hundekot belästigte Menschheit nicht schon alles einfallen lassen müssen, um sich zu verteidigen, sich davon zu befreien! Die Bauern versuchen es mit plakativen Dankesadressen an die Hundebesitzer, wenn immer diese dafür sorgen, dass das Gras, welches dem Rindvieh als Nahrung dient, nicht durch stinkende Abgänge verseucht wird. Zudem wird mit Robidog-Behältern, diesen besonderen Landschaftszierden, versucht, die Hundehalter zu bewegen, die Exkremente mit Plastiksäcklein aufzugreifen und geordnet zu versorgen. Und wer seinen Vierbeiner im Exkrementensektor an der Leine hat, dem wird von allen Kotbehältern BRAVO! zugerufen.
 
Hunde im Aarschächlisee
Eine besonders originelle und humorvolle Idee zu diesem Thema habe ich bei einer Wanderung an der Aare zwischen Rohr/Biberstein und Rupperswil AG angetroffen, deren Umfeld hier vorab beschrieben sei: Im Rohrer Schachen (358 m ü. M.) ist im Rahmen des Auenschutzparks Aargau ein neu angelegter See entstanden. Dort war ursprünglich eine vielfältige Flusslandschaft, die durch die mäandrierende Aare ständig neu gestaltet wurde, besonders bei Hochwasser. Dabei entstanden neue Seitengewässer, oder aber Flussarme wurden zu so genannten Altarmen abgetrennt. Zwischen 1870 und 1945 wurde hier die Aare gebändigt und mit dem Bau des Kraftwerks Rupperswil-Auenstein (1942 bis 1945) aufgestaut; der Stausee reicht praktisch bis zur Brücke Biberstein hinauf. Seither sind die Prozesse, wie sie zu einer Flussaue gehören, hier unterbunden. Das dem Fluss gestohlene Land hinter dem Damm wurde mit Wald bestückt – sogar mit schnellwüchsigen Fichten (Rottannen) nach Förster Art und Zuchtpappeln, die dort wirklich deplatziert sind – oder es wurde für Landwirtschaftskulturen wie Mais als Grundlage der Fleischproduktion missbraucht. Nachdem sich das ökologische Verständnis wieder etwas erholt hatte, wurden dort etwa 3 Hektaren Wald gerodet und 3 Kleingewässer ausgehoben, die sich seit dem Frühling 2004 wieder mit Pflanzen und Tieren besiedeln können, etwa mit Gelbbauchunken, Wasserfröschen, Erdkröten, Ringelnattern sowie Fischen, und für den Eisvogel wurden Sandburgen eingerichtet, in denen er seine Niströhre anlegen kann.
 
Der 340 m lange und 3 m tiefe Aarschächlisee als grösstes der neu angelegten Kleingewässer, für die der Kanton Aargau 1,4 Millionen Franken aufgewendet hat, wurde natürlich auch von Hunden als willkommene Badegelegenheit entdeckt. Womit wir wieder beim Thema sind. Der Vogel- und Naturschutzverein Rohr bemüht sich in verdienstvoller Weise, diese Unsitte abzustellen. Er stellte beim Weg zum Aussichtshügel beim See ein blaues Plakat auf, das 2 Schwertwale bei Luftsprüngen zeigt, und dazu liest man in grosser Schrift das Folgende:
 
„Angelockt durch das grosse Nahrungsangebot an freischwimmenden Hunden haben sich Schwertwale (Killerwale) im Aarschächli eingenistet. Nicht füttern. Gefahrloses Baden ist für Ihren Hund beim Dreibrückenplatz in den Giessen möglich.“
 
Das hat offenbar gewirkt. Bisher sollen dank dieses Hinweises noch keine Hunde gefressen worden sein … Auf diese Weise bemüht man sich, Hunde und auch Menschen in die richtigen Bahnen zu lenken – so sollte etwa der neue See nicht von Zwei- und domestizierten Vierbeinern umrundet werden, damit die Naturabläufe ungestört stattfinden können.
 
Das Dotierkraftwerk
Derartige Umlenkungs- und Dosierungsmassnahmen kennt auch das nahe Kraftwerk Rupperswil-Auenstein KRA (gehört zur Axpo-Gruppe), an dem die SBB mit 55 und die NOK mit 45 % beteiligt sind. Rechtsufrig, jenseits des bestehenden grossen Maschinenhauses bzw. am Südende des Wehrs, ist zur Zeit ein Dotierkraftwerk für die ökologische und erneuerbare Energieproduktion im Bau. Die Stahlwasserbauten, mit denen eine grosse Wanne erstellt wurde, erwecken den Eindruck, als ob hier eine neue Schleuse errichtet würde. Die Bauarbeiten werden bis zum September 2009 dauern. Die Nennwassermenge beträgt 15‒35 Kubikmeter pro Sekunde, das Nenngefälle 7,9 m, und der Durchmesser des noch einzubauenden Laufrads wird auf einer Orientierungstafel mit 195 cm angegeben. Die Leistung wird 1.75 MW betragen, so dass jährlich 10 Millionen kWh Elektrizität erzeugt werden (Projekt und Bauleitung: IM Ingenieurbüro Maggia AG, Locarno).
 
Mit diesem Werk sollen also ökologische und energiewirtschaftliche Ziele unter einen Hut gebracht werden, indem die vorgeschriebene Restwassermenge ebenfalls zur Elektrizitätsproduktion eingesetzt wird. Denn durch die Dotierkraftwerke fliesst unterhalb grosser Stauanlagen das Restwasser in den oder die Altarm(e), damit diese nicht austrocknen. „Dotieren“ heisst eigentlich ausstatten, im Wasserbau also einen Altlauf mit einer bestimmten Menge Wasser versehen; das Verb „dosieren“ (etwas in der erforderlichen Menge zuführen) wäre ebenfalls möglich.
 
Wenn man schon in die Gewässerhaushalte eingreift, liegt am richtigen Dosieren alles: Eine weitere, als Schieber ausgebildete Dotieranlage speist das Umgehungsgewässer auf der Höhe des Kraftwerks mit 2 bis 4 m3 Wasser pro Sekunde. Dieser neue Flusslauf bereichert die Landschaft und bietet den Fischen Zirkulationschancen, insbesondere Aufstiegsmöglichkeiten, wie wir Menschen sie ja ebenfalls zu schätzen wissen. Es sieht auch im Winter mit den verschneiten Kiesinselchen attraktiv aus – wie von Natur aus entstanden.
Das Bemühen um eine Verbindung von Natur mit der Technik, die unser Energie fressendes Leben unterstützen muss, macht ständig Fortschritte – auf dass wir nicht auf den Hund kommen. Womit nichts gegen die liebenswerten Hunde gesagt sein soll, die unter keinen Umständen eine Schuld trifft, was immer auch passiert.
 
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