BLOG vom: 17.03.2009
Schwarze Listen: Dubioses Spiel von Bundesrätin Leuthard
Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein CH (Textatelier.com)
Tatsächlich ist es schwer, über die nebulöse OECD-Liste der Steueroasen keine Satire zu schreiben, um es mit Juvenal zu sagen („Difficile est, satiram non scribere“). Damit hätte ich einen Hauch von angelesener klassischer Bildung unter Beweis gestellt, und nun bleibt mir nur noch, auch noch etwas von politischer Geisteskultur durchblicken zu lassen, zumal diese im Schwinden begriffen ist.
Ich versuche das, diesmal satirefrei, noch einmal am Beispiel der erwähnten Schwarzen OECD-Liste der Steueroasen auf dem gegenwärtigen Stand dessen zu tun, was die Politiker und ihre Sprachrohre von sich gegeben haben. Nach diesem Wissensstand gibt es mindestens 5 Möglichkeiten:
• Es gibt eine Schwarze Liste.
• Eine solche Liste existiert nicht (so Peer Steinbrück, deutscher Finanzminister).
• Eine solche Liste basiert bloss auf einem Gerücht, um die Schweiz und andere Oasen hereinzulegen und gefügig zu machen. Wenn wir „Indianer“ (so schon wieder Peer Steinbrück) darauf hereinfallen, kommt „Zug in den Kamin“.
• Eine solche Liste ist nun im Nachhinein noch schnell ausgearbeitet und auf den 05.03.2009 zurückdatiert worden, weil der Reinfall der Schweiz auf eine virtuelle Liste, der zu einem neuerlichen Kniefall wurde, allzu peinlich war.
• Oder dann wurde einfach eine bestehende Steueroasen-Tabelle als Schwarze Liste bezeichnet.
Was mich in diesem Zusammenhang interessiert, ist die Rolle unserer CVP-Bundesrätin Doris Leuthard, welche klar zu den Befürworterinnen der Bankgeheimnislockerung gehört und den Reinfall der Schweiz vor den illegal aktiven internationalen Erpressern als „Befreiungsschlag“ feierte. Die Wirtschaftsministerin, die sich selten klar äussert und ihre Worte dreht und windet, sagte, sie sei nicht über die OECD-Pläne informiert gewesen. In der Samstagsrundschau von Radio DRS sagte sie, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung habe Transparenz vermissen lassen und „hinter dem Rücken“ agiert. Dabei ist Frau Leuthard Vizepräsidentin des OECD-Ministerrats. Die Schweiz ist OECD-Gründungsmitglied und wirft jährlich etwa 8 Mio. CHF an diese durch nichts legitimierte Organisation, einem der Globalisierungsinstrumente, hinaus.
Falls Frau Leuthard die Wahrheit sagte, dann braucht man mir in Zukunft nicht mehr zu erzählen, die Schweiz müsse bei internationalen Organisationen mitmachen, um ihr Wissen einzubringen und mitreden zu können. Offenbar wird die Schweiz zwar als Geldspenderin gern gesehen, aber zu sagen hat sie nichts. Das Wesentliche passiert ohne sie, also hintenherum.
Doris Leuthard kannte die Diskussionen um die ominösen Listen, wusste um das Beben des Bundespräsidenten Hans-Rudolf Merz – und trug nichts zur Klärung bei. Nach letzten Informationen laborierte OECD-Generalsekretär Angel Gurría an solch einer Liste herum, und es wäre doch von Bundesrätin Leuthard zu erwarten gewesen, dass sie sich als Vizepräsidentin wenigsten telefonisch bei Herrn Gurría in Paris erkundigt hätte, was denn da eigentlich gespielt werde. Zudem unterhält die Schweiz bei der OECD eine permanente Delegation mit Botschafter Eric Martin an der Spitze. Er müsste ebenfalls die Schweizer Interessen in der OECD vertreten. Aber unsere Indianer-Vorhut scheint sich in den Wigwam zurückgezogen zu haben, um dort den Winterschlaf auszuschlafen.
Dass sie sich nicht erkundigte, die Schweiz hereinfallen liess, dass sie tatenlos zusah, wie sich ihr Land, für dessen Interessen sie sich doch wohl einsetzen müsste, der Lächerlichkeit preisgab und sich internationalem Gespött auslieferte, ist ein weiterer Skandal im Rahmen der Bankkundengeheimnis-Diskussionen. Offensichtlich passte der Tiefschlag gegen das Schweizer Selbst- und Unabhängigkeitsbewusstsein genau ins Leuthard’sche Konzept der Einbindung der Schweiz in eine von Cowboys zentral gesteuerte Welt, für die sie auch die Landwirtschaft und die damit verbundene bäuerliche Kultur zu opfern bereit ist.
Nach dem Genuss des „Befreiungsschlags“ gegen die Schweiz versucht die Wirtschaftsministerin nun durch ein paar Worte der Kritik von ihrem untätigen Zuschauen abzulenken, nicht ohne dabei Verständnis für die miesen OECD-Machenschaften zu bekunden: „Druck ausüben gehört zur Politik.“
Hoffentlich gerät Doris Leuthard ebenfalls endlich unter den nötigen massiven Druck. Mit diesem sollte ihr zu verstehen gegeben werden, wem sie zu dienen hat – und das sind nicht Raubritter und Kavalleristen in aller Welt. Die politische Geisteskultur ist tief gesunken, wenn solches einer gewählten Volksvertreterin überhaupt noch nahegelegt werden muss.
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