Textatelier
BLOG vom: 15.04.2009

Weshalb mein Schweizer Herz für Peer Steinbrück schlägt

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein CH (Textatelier.com)
 
Er ist einfach grossartig, unbezahlbar, der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück, „Angela Merkels bester Mann in der Krise“, wie der „Stern“ schrieb und ein Gespräch mit diesem Geldeintreiber der Superlative anfügte. Steinbrück ist profiliert, spricht Klartext. Bei ihm weiss man, woran man ist. Er will Geld sehen. Geld. Da macht er keinen Hehl daraus.
 
Er fühlt sich als Kavallerist und hat uns Schweizer mit dem Begriff „Indianer“ geadelt. Wir fühlen uns geschmeichelt. Denn die Indianer waren ja das Opfer des Völkermords dort, wo heute die USA sind. Und so lange er uns in seinen Metaphern, die er geschickt einsetzt, nicht mit den Amerikanern vergleicht, ist dem nichts entgegenzusetzen. Gemeint sind mit „den Amerikanern“ die Nachfahren jener Abschlachter der Urbevölkerung, mit deren er und Frau Merkel so intensiv und allen Merkmalen der Unterwerfung zusammenarbeiten und sich instrumentalisieren lassen. Die unangepasste Schweizer Wochenzeitung „Zeit-Fragen“ (www.zeit-fragen.ch) schrieb in ihrer Ausgabe vom 06.04.2009 in Titelschrift: „Deutschland – Speerspitze der US-UK-Allianz gegen die Schweiz.“
 
In seinem Husarenritt gegen die Schweiz liegt ein weiteres Verdienst Steinbrücks, das nicht genug gewürdigt werden kann: Er zwingt uns in unübertrefflicher Deutlichkeit und anhand eines geschickt ausgewählten Beispiels aus der biblischen Paradiesvertreibung die Erkenntnis auf, wohin für uns Schweizer die Einbindung in die Europäische Union (EU) führen würde: in die Hölle. Wir würden von oben herab regiert, total ausgeplündert, erniedrigt und zum Schweigen verurteilt. Dass uns dies der liebenswürdige Herr Steinbrück, den ich ins Herz geschlossen habe, noch rechtzeitig aufzeigt, ist eine Geste rechtzeitiger Warnung, die nicht genügend gewürdigt werden kann. Selbst dem dümmsten, verblendetsten, globalisierungsunkritischsten Schweizer öffnet Herr Steinbrück auf seine prägnante Weise die Augen – präventive Heilkunst auf hoher politischer Ebene zelebrierend. Das mache ihm einer nach!
 
Im Rahmen seines brillanten „Stern“-Interviews zeigte er im teilweise versüssten Schweiz-Teil indirekt die Zustände in Deutschland auf. Die entsprechenden Passagen seien hier zitiert:
 
„Essen Sie noch Schweizer Schokolade?
Ich glaube, ich habe sogar welche hier in der Schublade. Und mein Schweizer Taschenmesser habe ich auch noch nicht weggeschmissen!
Seit Ihrer Attacke auf das Steuerflüchtlingsheim Schweiz gelten Sie bei den Eidgenossen als Staatsfeind Nummer eins. Sie werden als hässlicher Deutscher beschimpft und als ,Nazi-Scherge’.
Ich bekomme schlimme Briefe. Ich muss da eine Hauptschlagader getroffen haben. Jahrzehntelang ist tabuisiert worden, was in der Schweiz läuft. Nach plausiblen Schätzungen haben deutsche Bürger etwa 200 Milliarden Euro in die Schweiz geschafft. Ich lasse mal ausser Acht, wie viel davon am Fiskus vorbeigeschafft wurde. Selbst wenn ich sehr bescheiden rechne, müsste ich mindestens 2 Milliarden Euro Quellensteuer pro Jahr aus der Schweiz kriegen. Wissen Sie, wie viel ich kriege? Rund 80 Millionen. Und da wollen mir Leute weismachen, dass sei kein Problem! Gelegentlich muss man den Finger aufs Schlimme legen. Oder glauben Sie, die ganzen anderen Steueroasen Liechtenstein, Guernsey, die Cayman Islands hätten sich in den letzten Monaten ohne Druck bewegt?“
 
Ende Interview-Zitat. Hier meine Exegese dazu: Dass die Deutschen sozusagen gezwungen sind, ihr Geld im Ausland in Sicherheit zu bringen und vor dem Zugriff des Staats zu schützen, spricht Bände. Müsste nicht die deutsche Politik für erträgliche Verhältnisse im eigenen Land sorgen, statt die Ersparnisse der eigenen Bürger im Ausland zu verfolgen und Nachbarstaaten mit anständigeren Verhältnissen zu kriminalisieren? Ich würde es nie wagen, in die deutsche Politik hineinzureden, doch weil uns deren Auswirkungen treffen, überwinde ich für einmal meine Scheu. Diese Frage darf durchaus als Anregung verstanden werden: Warum denn um Gottes Willen gibt Deutschland dem ständigen US-Druck zur Vergrösserung der EU bis in die Türkei nach, um das Debakel dann solidarisch mitfinanzieren zu müssen? Warum macht Deutschland mitfinanzierend jeden Nato-Krieg mit, und sei er noch so völkerrechtswidrig? Warum benimmt sich Deutschland noch immer wie ein US-Vasall – etwa als Dank für die Zertrümmerung der schönsten Städte und die Plünderungen durch die Amerikaner, als der 2. Weltkrieg ohnehin verloren war? Warum wagt Deutschland nicht, seine Geschichte und die verdrehten Geschichtsbücher einmal selbstbewusst (statt anpasserisch an die Alliierten) aufzuarbeiten – oder sich doch wenigstens aus allen modernen Kriegen herauszuhalten, wie es das Mitte des 20. Jahrhunderts im Sinne hatte? Dann hätte man Geld für Abwrackprämien, von denen auch das marode Steuersystem nicht verschont bleiben dürfte.
 
Deutschland muss seit Jahrzehnten alles bezahlen, endlose Wiedergutmachungen, weit über seine Verhältnisse hinaus. Das deutsche Volk – es muss einem Leid tun – wird ausgeplündert und muss zum Mittel der Steuerflucht greifen, wenn es nicht vollkommen ausgenommen werden will. Die Staaten stehen nun einmal auf vielfältige Weise in einem Steuerwettbewerb; ein solcher spielt sogar innerhalb der Schweiz. Jedes Land müsste versuchen, erträgliche Verhältnisse zu schaffen und das Steuersystem zu vereinfachen statt die Steuerfahndung international auszubauen und die Bürger zu verärgern. Selbst Horst Köhler, der deutsche Bundespräsident, sagte einmal: „Dass Löhne kaum stiegen und dass vom Brutto netto wenig übrig bleibt, führt zu Unzufriedenheit.“ Bei der Einkommensbesteuerung gibt es kaum ein Entrinnen. Dennoch seien Steuervermeidung und -hinterziehung in Deutschland normal geworden, schreibt der Deutsche Hans-Lothar Merten in seinem Buch „Steueroasen. Ausgabe 2009“ (Walhalla). Was passiert mit dem Ersparten? Und ein Kapitel im erwähnten Buch heisst bezeichnenderweise „Deutsche packen die Koffer.“
 
Herr Steinbrück führt uns friedfertigen und allzu nachgiebigen Rothäuten durch die Auswüchse in seinem Land vor Augen, was es heissen würde, Mitglied einer globalisierten Organisation zu sein, in der ausgehungerte Länder wie Deutschland den Ton angeben. Auch das Verhalten der selbsternannten und durch gar nichts legitimierten G-20, die sich neben den USA als Weltregierung aufführt, dürfte für uns Schweizer ein nachhaltiger Warnschuss sein. So läuft die Globalisierung: Anmassung, Arroganz und Machtstreben der Mächtigen sind die Triebfedern unter dem Dach undemokratisch bestimmter Beamter. Und dann haben wir als dubiose Überbehörde zu all dem grenzenlosen Elend auch noch die nicht nur überflüssige, sondern auch Schaden stiftende OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), die laut CH-Bundesrat Pascal Couchepin wie eine Rating-Agentur funktioniert und ihre Bonuspunkte verteilt oder abstraft. Unsere Schweizer Bundesrätin Doris Leuthard ist Vizepräsidentin dieses dubiosen Klubs, in dieser Funktion aber wohlweislich abgetaucht, wohl weil sie keine Chance sieht, sich herauszureden und ihr die Globalisierung ohnehin näher liegt als die auf Rückständigkeit fussenden Schweizer Interessen.
 
An Herrn Steinbrück könnten unsere Schweizer Politiker ein Vorbild nehmen, ebenso, auf der anderen Seite, am luxemburgischen Premierminister Jean-Claude Juncker, der die Euroländer aufrief, die Staatsverschuldung in den Griff zu bekommen und die OECD als „wahre Maschinerie engstirnigen Denkens“ und einer schamlosen, ungebremsten Deregulierung bezeichnete. Wunderbar gesagt!
 
Das wären die Töne, die ich gern auch aus der eingeschüchterten Schweiz hören würde. Selbst die markante Sprache des Kavalleriegenerals Steinbrück wäre nicht ohne. Als Schweizer, geführt von einem Bundespräsidenten Hans-Rudolf Merz, der die personifizierte Liebenswürdigkeit und kraftlose Nachgiebigkeit ist, kann man nur froh sein, dass das Volk wenigstens durch fremde, unter die Haut gehende Schalmeienklänge aufgerüttelt wird.
 
Peer Steinbrück hat sein Mögliches getan. Ihm gilt mein herzlicher Dank für seinen selbstlosen Ritt hoch zu Ross. Möge er bitte so weitermachen. Das könnte nicht schaden, ist es doch schwierig und ein langwieriges Unterfangen, in der Schweiz aus Verblendungen Einsichten zu machen.
 
Er isst noch immer Schweizer Schokolade. Wir sollten ihm ein paar Kilo solche bester Qualität und Hafer für seine Gäule schenken. Auf dass Pferde und Reiter nicht erlahmen mögen. Wir brauchen diesen Anschauungsunterricht dringend.
 
Literatur zum Thema
Hess, Walter: „Kontrapunkte zur Einheitswelt. Wie man sich vor der Globalisierung retten kann“ (ISBN 3-9523015-0-7), Verlag Textatelier.com, CH-5023 Biberstein 2005.
 
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