Textatelier
BLOG vom: 21.04.2009

Genmais-Anbauverbot in D: „System Monsanto“ in Gefahr?

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
„Schlimmer als die juristische Niederlage und die daraus resultierenden Verluste ist jedoch ein wichtiger Punkt: Monsanto hat den Meinungskrieg in Europa verloren.“
(Marie-Monique Robin, Journalistin und Dokumentarfilmerin)
*
„Wir dürfen Ängste nicht ignorieren, aber Deutschland braucht eine Debatte über Chancen für die Zukunft.“
(Anette Schavan, deutsche Forschungsministerin)
*
„Was vor allem im Internet über uns verbreitet wird, steht dem gegenüber, was die vielen zufriedenen Farmer berichten, die von unserer Arbeit profitieren.“
( Hugh Grant, Konzernchef von Monsanto gegenüber „Spiegel TV“)
*
Manche Politiker behaupten, sie hätten nichts gegen die grüne Gentechnik, während andere diese ablehnen. Vielleicht wurden die Befürworter von Lobbyisten der Agrarkonzerne massiver bearbeitet und negieren die bisher gemeldeten Schäden durch gentechnisch veränderte Organismen (GVOs). Und was ebenfalls bedenklich ist: Sie setzen sich über die Ängste und Meinungen der Bevölkerung hinweg.
 
Laut einer Umfrage des Emnid-Instituts befürworten 78 % der deutschen Bevölkerung das von Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) verkündete Anbauverbot von Genmais MON 810. Die Ministerin betonte, dass es inzwischen neue Erkenntnisse gebe, wonach Genmais der Umwelt schaden könne. Sie ist jedoch nicht für ein Verbot der gentechnischen Forschung. Auch werde sie nicht gegen die grüne Gentechnik zu Felde ziehen, es „kann immer nur Einzelfallentscheidungen geben“.
 
Die Gentechnik-Gegner frohlockten. Wilhelm Rinklin, Gentechnik-Gegner und Geschäftsführer eines Unternehmens aus Eichstetten, das seine Kunden mit Naturkost beliefert, betonte gegenüber der Zeitung „Der Sonntag“ vom 15.04.2009, dass das Anbau-Verbot ein breites Publikum sensibilisieren werde. Ihn hat die Ministerin Aigner angenehm überrascht.
 
Die Forschungsministerin Anette Schavan (CDU) sieht die Zukunft anders. Sie warnte vor einer Verteufelung der Gentechnik-Forschung und wird die Entscheidung von Aigner nicht so einfach hinnehmen. Auch andere Politiker nörgeln herum und hoffen auf eine Befürwortung der Gentechnik in Deutschland durch die Bundesregierung.
 
Hannes Koch von der „Badischen Zeitung“ (15.04.2009) findet es richtig, dass das Anbauverbot ausgesprochen wurde, zumal man nicht weiss, welche Gefahren der Anbau gentechnisch veränderter Nahrungsmittel mit sich bringt. Er bezeichnete die grüne Gentechnik als Risikotechnologie und forderte, man solle Gefahrenforschung betreiben.
 
Monsanto kritisierte natürlich das Verbot scharf, sieht der Agrarkonzern doch seine Felle davonschwimmen. Der Konzern, der in der Vergangenheit exzellente Lobbyarbeit leistete, zeigt sich überzeugt, dass MON 810 für die menschliche Gesundheit sicher sei. Auch Tiere und die Umwelt würden nicht zu Schaden kommen. Diese Ansichten wurden inzwischen widerlegt.
 
Keine Vorteile bei Genmais-Sorten
Der Sprecher des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV), Richard Bruskowski, sagte, dass der Anbau von Genmais-Sorten keine Vorteile bringe. Auch könne es vorkommen, dass sich Genmais mit herkömmlichen Sorten vermischen.
 
Die Gentechnik macht die Landwirtschaft kaum ertragreicher. Dies ist das Ergebnis einer US-Studie der Union of Concerned Scientists. Nur der Bt-Mais, wozu auch die Sorte MON 810 gehört, hatte nur einen leicht höheren Ertrag als konventioneller Mais. Der Ertrag lag nur um 0,2 bis 0,3 % höher. Dieses Ergebnis wird Monsanto nicht passen.
 
System Monsanto in Gefahr?
Die französische Journalistin und Dokumentarfilmerin Marie-Monique Robin, die 3 Jahre lang über Monsanto recherchiert hatte, betonte in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ (www.sueddeutsche.de), dass das „System Monsanto“ in Gefahr sei. Wieso dies?
 
In ihrem Dokumentarfilm „Mit Gift und Genen“ kommt der mächtigste Agrarkonzern der Welt schlecht weg. Robin wirft dem Unternehmen vor, die Gefahren der grünen Gentechnik zu vertuschen. Auch nehme der Konzern über seine Lobbyisten Einfluss auf politische Entscheidungen in den USA und Europa. Die Standhaftigkeit der Deutschen habe sie erstaunt.
 
Da die meisten Europäer gentechnisch veränderte Produkte ablehnen und jetzt auch das Anbauverbot für Genmais kam, ist das für „Monsanto eine Katastrophe und bedeutet möglicherweise das Ende der Aktivitäten in Deutschland“.
 
Aber warten wir einmal ab. Ich bin überzeugt, die Lobbyisten werden neue Wege finden, um doch noch erfolgreich zu sein. In vielen Ländern der Erde werden ihre Pflanzenkreationen ja schon längere Zeit angebaut. Vorreiter waren die USA. Dort sind schon mehr als 90 % der angebauten Sojapflanzen und 70 % der Maispflanzen genetisch verändert.
 
Monsanto hat noch ganz andere Dinge in der Pipeline. So bekommen zurzeit Sojapflanzen ein Gen verabreicht, das die herzfreundlichen Omega-3-Fettsäuren produziert. Da braucht man dann keinen Fisch mehr zu essen ... Die Vegetarier werden jubeln (aber nicht wegen der Gentechnik!).
 
Robb Fraley, „Chief Technology Officer“ von Monsanto, betonte kürzlich gegenüber „Spiegel TV“, er werde mit seinen Mitarbeitern eine Maispflanze züchten, die 8 verschiedene Gene eingesetzt bekommen. 3 kontrollieren oberirdische Insekten, 3 Wurzelwürmer, und die restlichen sind für die Herbizide „Round up“ und „Liberty Link“. Aber es kommt noch dicker: Monsanto möchte den Pflanzen auch Gene verpassen, um den Ertrag zu steigern und diese gegen Dürre resistent zu machen. Im Hinterkopf des Forschers Fraley sind bereits Pläne präsent für Maispflanzen, die 15 oder 20 zusätzliche Gene enthalten.
 
Als er dies den Machern von „Spiegel TV“ erzählte, bekam er vor lauter Freude feuchte Augen. Wenn nur nicht die Deutschen oder andere EU-Länder wären, die ihm Knüppel zwischen die Beine werfen! Aber es gibt ja genügend willfährige und bestechliche Politiker in anderen Ländern, die ihm das Leben nicht versauern werden. Er wird die Gehirne bestimmter Leute weiterhin zu vernebeln wissen.
 
Zurück zum Genmais-Anbauverbot: Monsanto kann jetzt vor dem Verwaltungsgericht gegen die Entscheidung klagen. In Frankreich ist dies derzeit der Fall. In Deutschland dürfte Monsanto keinen Erfolg haben, da in den Verträgen eine Schutzklausel enthalten ist. Und die greift bei Sicherheitsbedenken.
 
Zum Glück haben andere Länder ein Verbot ausgesprochen. Zu den Ländern gehören neben Deutschland auch Frankreich, Polen, Ungarn, Österreich, Griechenland und Luxemburg. „Idiotischerweise hat die Schweiz den Genmais Mitte Oktober 1998 zugelassen“, so Walter Hess in einer E-Mail. Die Zulassung war mit einer Kennzeichnungspflicht und der Auflage verbunden, dass der neue Mais nicht ausgesät werden darf.
 
In Spanien darf der Genmais auf die Felder gebracht werden. Dort gibt es bereits eine Anbaufläche von 80 000 Hektar. Aber viele Spanier lassen sich das nicht gefallen. In Saragossa demonstrierten vor einigen Tagen 5000 Menschen und forderten die Regierung auf, dem Beispiel Deutschlands zu folgen. Verantwortlich für die Demonstration waren 20 Organisationen. Ob eines Tages auch die Schweizer eine Demonstration oder Erleuchtung bekommen? Das wäre sehr zu begrüssen.
 
Ich bin überzeugt, dass auf deutschen Feldern der Anbau von Gentechnik-Pflanzen für längere Zeit keine Chance haben wird. Ich hoffe nur, dass endlich die Gefahren, die von diesen Pflanzen ausgehen, auch jedem Politiker bewusst werden. In meinem Blog vom 11.03.2009 „Gentechnik-Pflanzen: Risikostudien, die ein Verbot erfordern“ habe ich auf die Gefahren und auch auf die Machenschaften von Monsanto hingewiesen.
 
Internet
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,619780,00.html (Bericht „Im Reich des Gen-Giganten“, Spiegel TV bei Monsanto, von Dirk Schulze)
 
Hinweis auf weitere Blogs zur Gentechnik
Hinweis auf weitere Blogs von Scholz Heinz
Auf Pilzpirsch: Essbare von giftigen Pilzen erkennen
Ein bärenstarkes Museum in Gersbach
Barfuss über die Alpen
Foto-Blog: Auf geht`s zur Hohen Möhr
Foto-Blog: Vom Kleinen Rhein zum Altrhein
Fotoblog über den Schönauer Philosophenweg
Rote Bete (Rande), eines der gesündesten Gemüse
Hermann-Löns-Grab im Wacholderhain
Lüneburger Heide: Salzsau und Heidschnucken
Kutschenmuseum in Wiechs ist ein Schmuckstück
Canna verleihen einen Hauch karibisches Flair
Artenreiche Streuobstwiesen stark gefährdet
Liebe zu den Kräutern in die Wiege gelegt
Eine Hütte mit Fleischsuppe im Namen
Rätsel um die Russenbänke in Präg gelöst