BLOG vom: 02.12.2009
Obama-Stilbruch 25: Der intensivierte Krieg für den Frieden...
Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG (Textatelier.com)
Die Afghanistan-Strategie des US-amerikanischen Friedensbotschafters und -nobelpreisträgers Barack Obama ist gleichzeitig bezeichnend für die traditionelle US-Kriegspolitik und offizielle Verlogenheit: Einerseits wird Obama in den nächsten Monaten mehr als 30 000 zusätzliche männliche und weibliche in Turbokursen von sadistischen Ausbildnern schnell ausgebildete Kampfmaschinen nach Afghanistan entsenden – eine eindeutige massive Kriegsausweitung –, und gleichzeitig wird hemmungslos von Frieden und einer Exit-Strategie gesprochen.
Insgesamt werden in Afghanistan bald einmal etwa 100 000 GI’s im Einsatz sein. 3 Monate lang hatte Obama die Entscheidung über die voraussehbare Kriegsausweitung hinausgezögert und die Öffentlichkeit dann vor seiner Rede durch gezielte Indiskretionen an die eingebundenen Medien auf seinen unfassbaren Entscheid vorbereitet: eine Anlehnung an die George-W.-Bush-Strategie „Surge“ (Woge) im Irak und Vietnam II, nur von längerer Dauer.
Vietnam II
Den Vergleich mit Vietnam, wo die Amerikaner ein ganzes Land mit tödlichen Giften verseucht und damit auch Zivilpersonen inkl. Kinder mit schweren Krankheiten und Missbildungen bedacht haben (ohne sich je dafür auch nur zu entschuldigen), hört Obama gar nicht gern: „Im Unterschied zu Vietnam sind wir in Afghanistan nicht mit einer massiven Aufständischenbewegung konfrontiert. Was das Wichtigste ist: Im Unterschied zu Vietnam wurden vom Territorium Afghanistans Überfälle auf das amerikanische Volk begangen. Dieses Land ist immer noch ein beliebter Ort für Extremisten." Daran ist überhaupt alles falsch: Die Aufständischenbewegung (Vietcong) bildete und entfaltete sich erst wegen des US-Einmarschs, und auch die blühende Extremistenzucht am Hindukusch haben sich die USA und ihre Adlaten selber zuzuschreiben.
Der Truppenaufstocker
Auf der Bühne der Eisenhower-Halle der Militärakademie West Point formulierte der friedliche Kriegspräsident, der sein Land in eine noch tiefere Armut reiten will, in der Nacht zum Mittwoch, 02.12.2009, Amerikas „neue“ Strategie für noch mehr Krieg in Afghanistan. Bereits zu Beginn seiner Amtszeit (Anfang 2009) hatte Obama das Truppenkontingent um 21 000 Kämpfer aufgestockt, ohne dass die Taliban geschwächt wurden, im Gegenteil. Die Schlappe, welche die USA und ihre Vasallen am Hindukusch einfahren, ist offensichtlich und allgemein bekannt. Obama versuchte, sie kleinzureden: „Afghanistan ist nicht verloren, aber es hat sich seit einigen Jahren zurückbewegt." Die Alliierten haben gespürt, dass sie einem Zurückbewegten, einem Verlierer hinterherlaufen, würden sich am liebsten aus dem Staube machen, können das aber nicht tun, denn wer dem Leithammel nicht folgt, wird fürchterlich bestraft, vor allem auf wirtschaftlicher Ebene.
Der Verdrehungskünstler
Der Gipfel der Verdrehungskunst, in der es Obama zur wahren Meisterschaft gebracht hat, sind die damit verbundenen Friedensklänge. Die Sprachregelung lautet sinngemäss: Man weitet den Krieg in Afghanistan nur aus, damit er umso schneller beendet wird. So will der oberste Krieger im Juli 2011 die ersten GI’s aus Afghanistan zurückziehen, genau abgestimmt auf den amerikanischen Wahlkalender, wenn Obama seine 2. Amtszeit erkämpfen muss. Eine durchschaubare, billige Masche. Aber was heisst das Rückzugsgerede schon! Obama kann dann 20 Mann zurückholen, den Rest weiterkämpfen lassen und hat sein Versprechen erfüllt. Zudem hat er sich alle Hintertüren offengelassen – die Sache werde von der Lage am Hindukusch abhängig sein, fügte er bei.
Der Geldverschwender
Ein Teil der amerikanischen Bevölkerung hungert bereits; Städte wie Detroit und Las Vegas zerfallen. Der Staatsbankrott wird durch die Dollarpressen vertuscht (und vergrössert), aber Geld für Kriege steht den USA immer unbeschränkt zur Verfügung. Jährlich werden inskünftig etwa 75 000 000 000 (75 Milliarden) für die Zerstörung und Eroberung von Afghanistan herausgeworfen, weil es auch Erdöl-strategisch wichtig ist.
Obama verdrehte in seiner Rede an die Nation(en) das Finanzierungsthema in seiner hinlänglich bekannten Manier. „Die neue Afghanistan-Strategie wird uns nach einer groben Schätzung (wahrscheinlich zusätzlich) 30 Milliarden USD Militärausgaben in diesem Jahr kosten", führte er dazu aus. „Ich werde mit dem Kongress eng zusammenarbeiten, um diese Finanzierung zu bekommen, während wir an einer Reduzierung des Haushaltsdefizits arbeiten." So hat er wieder einmal das Kunststück geschafft, neue Ausgaben zu initiieren und damit das Defizit abzubauen ... Er vollbringt Wunder, nur nicht jene, die alle von ihm erwartet haben.
Der Bush-Gefolgsmann
Obama verdreht auch hier wieder: „Die Nation, um deren Aufbau ich mich am ehesten kümmern will, ist unsere eigene." Doch seine Taten weisen weit über die USA hinaus. Er schickt Zehntausende junge Menschen aus seiner Nation in den Krieg gegen die Taliban, die ihr Land weiterhin verteidigen werden, und er unterstützt ein korruptes Regime. Die Ausrede ist fauler als faul: Ohne den massiven US-Kriegseinsatz würde sich Afghanistan zu einer „Brutstätte von Al-Qaida“ entwickeln, lautet seine Botschaft, die in der Mottenkiste lag. Auch Obama zehrt also noch vom 9/11, mit dem man alles, auch die Menschheitsüberwachung, legitimieren kann.
Dabei weiss man ja, dass die USA seither mit ihrem Kriegsgetöse den Terrorismus gefördert haben. Obama bleibt linientreu, will ein Weiteres in dieser Richtung tun. Und die Mitläufer werden mit der gleichen Argumentationsmasche bei der Stange gehalten: „Dies ist nicht nur Amerikas Krieg. Seit den Anschlägen vom 11. September waren die Rückzugsgebiete von al-Qaida der Ausgangspunkt für Angriffe auf London, Amman und Bali." Er erwartet von seinen untergebenen Linientreuen 5000 bis 7000 zusätzliche Krieger. Gordon Brown in London bekundete sofort Nibelungentreue – bis zum blutigen Untergang nach dem Muster des mittelalterlichen Nibelungenlieds. Etwas zurückhaltender äusserte sich Nicolas Sarkozy in Paris, der Obamas Rede zwar als „mutig“ und „entschlossen“ feierte (was nichts kostet, auch keine Menschenleben), sich aber über zusätzliche Soldaten ausschwieg. Auch Deutschland will sich mit Bezug auf eine allfällige Truppenaufstockung Zeit lassen; man will nicht noch weitere Schuhe voll herausziehen; 4400 Deutsche retten Deutschland bereits am Hindukusch vor dem Untergang. Die weitere Zerstörung Afghanistans ist trotz alledem eine beschlossene Sache – und wer wird beim Wiederaufbau helfen? Die Leichenberge werden nicht wiederzubeleben sein.
Der Verspottete
Solch eine abgedroschene Rhetorik von einem Präsidenten, der alles neu machen wollte, ist das Musterbeispiel von Lächerlichkeit. Das spürte auch Obamas Mitbewerber um die Präsidentschaft, John McCain, der nach Obamas jämmerlichem Auftritt die Welt nicht mehr verstand und spottete: „Man gewinnt Kriege, indem man den Willen des Gegners bricht, und nicht, indem man ankündigt, wann man vor hat abzuziehen." Ob das kriegsmüde, ausgeblutete amerikanische Volk durchhalten wird, ist eine brennende Frage. Der kritische Filmemacher Michael Moore schrieb dem Kriegspräsidenten, er, Obama, zerstöre die Hoffnungen und Träume, die Millionen von US-Bürgern in ihn gesetzt hätten. Junge Wähler forme er in enttäuschte Zyniker um. Und das Einknicken vor den Generälen missfiel wohl nicht allein Moore, der für Viele sprach: „Es ist nicht Ihr Job zu tun, was die Generale Ihnen vorschreiben. Wir haben eine Zivilregierung, in der wir es sind, die den Generälen sagen, was sie zu tun haben." Und was Generäle sagen, ist manchmal haarsträubend, wie am Beispiel der britischen Spezialeinheiten (Special Forces), generalmajor Graeme Lamb, dargelegt werden kann. Der ehemalige SAS-Offizier liess sich zur Aussage hinreissen: „We'll hit the Taliban until their eyeballs bleed" (Wir schlagen die Taliban, bis ihre Augäpfel bluten). Das ist ein Faux-pas ohnegleichen, eine unverzeihliche Blödheit.
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Natürlich war es ein Fehler, Hoffnungen in Obama zu setzen; es war ja leicht vorauszusehen, dass er im Wahlkampf nur Schaumschlägereien geboten hat – meine Obama-kritische Serie setzte ganz am Anfang ein, wobei ich allerdings nur eine Auswahl von Stilbrüchen auflisten konnte, um die Blog-Leser nicht zu sehr zu ermüden. Was Obama bietet, ist ein Meisterwerk an politischen Verdrehungskünsten. Das Einzige, was nun interessiert, ist die Frage, wie viel es davon eigentlich braucht, bis der ganze Schwindel auffliegt.
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