Textatelier
BLOG vom: 20.12.2009

Ich suchte die Weihnacht und fand sie nicht sogleich

Autorin: Rita Lorenzetti, Zürich-Altstetten
 
Am Freitag, 18.12.2009, habe ich mich spontan aufgemacht, die Weihnacht in der Vorweihnacht zu suchen. Wo ich sie finden könnte, war mir von Anfang an unklar. Meine Reiseroute: Mit dem Velo zum Bahnhof Altstetten, mit der S-Bahn nach Zürich-Hauptbahnhof, zu Fuss durch die Bahnhofstrasse, immer aufmerksam auf Ungewöhnliches oder Berührendes.
 
Nichts da. Alles wie gewohnt. Etwas hektischer vielleicht. Mehr Menschen unterwegs. Am meisten fielen mir die grossen Tragtaschen vom Spielwarengeschäft Franz Carl Weber auf, die von Müttern und Grossmüttern heimgetragen wurden.
 
Ich selbst schien nichts zu begehren. Nichts zog mich in einen Bann. Es fehlten mir in den Schaufenstern echte Bezüge zum Weihnachtsfest, nicht geschäftstüchtige. Wir seien eben abgeklärt, kommentierte Primo am Abend meine Erfahrung. Immerhin hatte mich in der Buchhandlung Orell Füssli Olga Kaminers Buch „Weihnachten auf Russisch“ angesprochen. Ein guter Fund, wie es sich später herausstellte. Schon allein das Vorwort, das Weihnachten auf Russisch seit dem 10. Jahrhundert beschreibt, begeistert mich. Eine Geschichte mit mannigfaltigen Einflüssen. Mit und ohne Religion. Spannend. Als ich auf meiner Stadtwanderung weiterging, hatte ich es aber noch nicht gelesen und hoffte nur, dass es mich weihnächtlich anrühren werde.
 
Als ich die Limmat überquerte, vermisste ich die Sicht auf die Alpen. Heute keine Vorstellung, schien der Himmel zu sagen. Ich tauchte in die rechtsufrige Altstadt ein. Im Umfeld des Neumarkts halte ich mich immer gerne auf. Und hier wird die Gasse in der Weihnachtszeit besonders schön und mild beleuchtet. Ich war aber zu früh. Ich ging durch die Froschaugasse, bog in die Spitalgasse ein. Einen Augenblick später nur, kam Lisbeth R., die liebenswürdige Altstadt-Ikone, daher. Fadengerade kamen wir aufeinander zu. Ich kenne sie von der Freiwilligenarbeit. Sie ist ein liebenswürdiges Original und trägt immer sehr farbige und unkonventionelle Hüte.
 
Als sie hörte, dass ich einen Hauch Weihnacht erhaschen möchte, wollte sie mich in die Predigerkirche schicken. Dort findet noch bis zum 10. Januar 2010 die Ausstellung „Weihnachtskrippen aus aller Welt“ statt. Dieser Besuch ist aber für einen der Weihnachtstage vorgesehen. Ich wollte unser privates Programm nicht unterlaufen. Also, dann solle ich mit ihr nach Hause kommen. Da werde ich die Weihnacht finden.
 
Lisbeth wohnt in einem geschichtsträchtigen Altstadthaus mit grossen Zimmern, wertvollen Parkettböden, massiven Nussbaumtüren und einem prächtigen Erker mit Blick auf die Froschaugasse hinaus. Ich durfte alle Räume sehen, ihre Einrichtung bewundern. Sie ist genau so originell, wie die Frau selbst. Jedes Möbel mit Geschichte, alle Bilder mit Bezügen zu Menschen. Und Fotos aus jener Zeit, als sie schauspielerte.
 
Wir tranken Tee. Lisbeth holte ein wächsernes Christkind in einem mehr als hundertjährigen Kripplein hervor. Das war die Weihnacht, die sie mir versprochen hatte. Aber auch der Blick in die inzwischen festlich beleuchtete Gasse hinaus gehörte dazu. Ich stand im Erker, schaute hinaus. Sie überreichte mir ein modernes Kaleidoskop, das mir den Blick hinunter vervielfachte, die Gasse zum weiten Platz werden liess. Dann wurde ich noch angewiesen, mit den Augen zu blinzeln und sofort bewegten sich die Lichter, wie wenn es Kerzen wären.
 
Jetzt bin ich richtig beschwingt, um in meinem Umfeld auch noch für weihnächtliche Stimmung zu sorgen.
 
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