Textatelier
BLOG vom: 31.12.2009

Tick-Tack: Wem die Stunden gleich mehrfach schlagen

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Wie das Vogelgezwitscher finde ich auch das Tick-Tack alter Uhren ungemein wohltuend. Alle in unserem Haus schlagen die Halb- oder Vollstunden mit zeitlich unterschiedlichen Abständen. Ich konnte sie bis heute nicht aufeinander abstimmen. Das stört mich nicht.
 
Beim Hauseingang auf einem Möbel tickt eine alte Berliner Biedermeier-Uhr. Wenn ich heimkomme, werfe ich einen bewundernden Blick auf sie. Manchmal klingelt sie mir zum Empfang.
 
Eine andere, diesmal eine Pariser Pendule, üppig im Neo-Rokoko-Stil in Nussbaum geschnitzt, erinnert mich an ihren Kauf, den ich als Jüngling auf dem Pariser Flohmarkt tätigte, verbunden mit guten Erinnerungen an meinen 1. Aufenthalt in Paris. Sie ist auf dem Kaminsims im Salon und klingelt silberhell: „Erinnerst du dich?“ scheint sie mich zu fragen.
 
Die 3. Uhr ist eine kleinere Bauernwanduhr mit 2 an lange Ketten angehängte Tannenzapfengewichte, die ich täglich hochziehe. Meine Eltern hatten sie aus Luxemburg heimgebracht. Sie muss nahe bei einem Herdfeuer gehangen haben, denn Russ hat sich da und dort abgelagert, fast wie eingebrannt. Sie ist wohl die älteste Uhr, die mein Vater, ein passionierter Sammler alter Uhren, aufgestöbert hatte, mitsamt der kleinen Neuenburger Pendüle, die ich vor einigen Wochen wieder in Gang gebracht hatte, mit Rosengirlanden bemalt.
 
Die letzte Uhr hatte ich meinem Vater zu seiner Pensionierung geschenkt. Sie ist in einem viereckigen Gehäuse untergebracht. Bis vor einer Woche war sie stillgelegt. Jetzt habe ich sie wieder belebt und ihr einen Platz in meiner Studierstube eingeräumt. Sie geht von allen am schnellsten. In einer ruhigen Stunde werde ich ihr Pendel tiefer schrauben. Auf meinem PC sind Tag und Stunden und Minuten genau angegeben. Vielleicht lasse ich sie so schnell hin und her pendeln, wie sie will. In dieser Klause verrinnt mir die Zeit immer schneller als anderswo.
 
*
Sie werden alle – jede zu ihrer Zeit – bei uns das Neujahr einläuten, weitaus angenehmer und weniger lärmig als dies Böllerschüsse vermögen. Bis alle Uhren ihre eigene Meinung zur Mitternachtsstunde abgegeben haben, fülle ich die Weingläser, und wir stossen miteinander an, froh und dankbar, dass die ganze Familie gesund und heil beisammen ist.
 
Was uns das neue Jahr bringt, das weiss niemand. Es wird sich weisen.
 
An dieser Stelle wünsche ich Ihnen, lieber Leser, liebe Leserin, von ganzem Herzen ein gesegnetes 2010, verbunden mit meinem persönlichen Prosit auch zum 5-jährigen Bestehen des Blogateliers. Tick-Tack!
 
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