Textatelier
BLOG vom: 03.02.2010

Toyota-Rückrufaktion: Klemmende Gaspedale, made in USA

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein/AG CH (Textatelier.com)
 
Wenn das Auto Vollgas gibt, ohne dass der Lenker aufs Gaspedal drückt, und wenn sich der Motor keines Besseren belehren lässt, ergreift einen sicher ein unheimliches Gefühl. Doch kann man in Autos, die mit einem Schlüssel gestartet und abgeschaltet werden, jederzeit den Schlüssel nach links drehen und den Spuk beenden. Doch dann ist die Lenkung erschwert, und man darf den Schlüssel keinesfalls aus dem Zündschloss ziehen, ansonsten die Lenkung blockiert wäre. Anders ist dies bei Fahrzeugen wie meinem Toyota Prius II (und auch wahlweise bei den Modellen Auris, Yaris, Corolla, Verso,  RAV4, IQ, Urban Cruiser und Avensis). Wenn immer das Auto in Bewegung ist, und sei es auch nur ganz langsam, kann man auf dem Start- bzw. Abstellknopf herumdrücken, so lange man will – es passiert nichts, wie mir auch der Autofachmann Beat Stalder von der Auto Schmid AG, Aarau-Rohr, bestätigt hat. Der Stromkreislauf dürfe während des Fahrens schon wegen des Bremssystems und der Servolenkung nicht unterbrochen werden, fügte er bei.
 
Solche Fragen sind wegen des Rückrufs verschiedener Toyota-Modelle aufs Tapet gekommen. Vereinzelte klemmende Gaspedale sind die Ursache, und nun müssen allein in Europa etwa 1,8 Millionen Toyota-Wagen unterschiedlicher Baujahre (2005‒2010) der Modelle AYGO, iQ, Yaris, Auris, Corolla, Verso, Avensis und RAV4 (Geländewagen) überprüft werden. Auch die baugleichen Modelle von Peugeot und Citroën sind betroffen: In Kolin in Tschechien bauen Toyota und TPCA (Toyota, Peugeot, Citroën Automobile) seit 2005 gemeinsam Kleinwagen. Das Werk wird von Toyota geführt, und die Technik ist japanisch. Toyota lässt dort den Aygo vom Band rollen, PSA (Peugeot Société Anonyme) den Peugeot 107 und den Citroën C1.
 
Die offenbar verklemmten Gaspedale wurden vom US-amerikanischen Autozulieferer CTS (Car Top Systems) produziert. Er hat seinen Sitz in Elkhart im US-Bundesstaat Indiana und weist jede Schuld weit von sich – alle Produkte seien nach den Vorgaben von Toyota gefertigt worden, teilte das Unternehmen mit. Zwischenzeitlich hat dieses Top-Unternehmen das Gaspedal neu gestaltet, getestet und will mit der Auslieferung an Toyota beginnen. Ich kann nicht beurteilen, ob die Toyota die Fehlkonstruktion zu verantworten hat oder ob sie unter den üblichen US-Schlampereien mit vorzeitigen Verschleisserscheinungen abzubuchen ist. Nur eines weiss ich: Wer immer sich in geschäftlichen Belangen mit den Amerikanern einlässt, zieht einen Schuh voll heraus. Siehe Banken. Siehe Dollarzerfall. Siehe Aktienschrottpapiere. Siehe Sammelklagen.
 
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich viele angeblich schwere Gaspedal-Unfälle mit Todesopfern ausgerechnet und ausschliesslich in den USA ereignet haben sollen; in Europa gab es deswegen bisher keine Unfälle, und in der Schweiz wurde kein einziges klemmendes Gaspedal bekannt. Nach Angaben der US-Verkehrssicherheitsbehörde starben aber in den vergangenen 10 Jahren 19 Toyota-Fahrer bei Unfällen aufgrund eines klemmenden Gaspedals. Oder aber die Unfälle wurden, wie dem wohl beizufügen wäre, darauf zurückgeführt.
 
Toyota ist ein riesiger Konkurrent für die marode, darniederliegende amerikanische Autoindustrie, die nach Jahren einer unfassbaren Desorientierung bis vor Kurzem auf schwere Benzinfresser gesetzt hat, und jetzt kommen dieser die klemmenden Pedale bei den Konkurrenzfahrzeugen höchst willkommen. Sie werden entsprechend ausgeschlachtet. Das Geschäft ist gnadenlos.
 
Wie Toyota Schweiz am 29.01.2010 mitteilte, geht es in den USA um 2 unabhängige Rückrufaktionen. Der 1. Rückruf betrifft den nicht fixierten Bodenteppich, welcher das Gaspedal blockieren kann. In den USA würden deshalb die Bodenteppiche überprüft. Von diesem Rückruf seien in Europa keine Fahrzeuge betroffen, hiess es.
 
Wie ich aus eigener Erfahrung weiss, sind die Bodenteppiche allerdings ein effektiver Toyota-Schwachpunkt. Wenige Tage nach dem Kauf meines Prius (Mitte 2006) war die Bodenmatte unter dem Beifahrersitz auf der linken Seite aus unerklärlichen Gründen eingerissen und trotz der im Übrigen ausgedehnten Garantieleistungen wurde sie nicht ersetzt. Ich insistierte nicht weiter. Die eingerissene Matte, die dort nicht befestigt ist, befindet sich noch immer am gleichen Ort, ist aber kein Risiko. Doch weist dieser Fall daraufhin, dass im Fussmatten-Pedal-Bereich tatsächlich Schwachpunkte sind. Die Matte unter dem Führersitz ihrerseits aber ist mit 2 Haken aus Hartkunststoff, die durch Ösen eingefädelt werden müssen, stabilisiert.
 
Der Bagatellschaden an der Matte ist die Ausnahme. Allgemein hatte ich noch nie ein derartig perfekt gearbeitetes, in allen Fahrlagen einwandfrei funktionierendes und auch ökologisch wegweisendes Auto. Es hat mich derart überzeugt, dass ich Mitte November 2009 den neuen Prius III bestellt habe, der mit noch weniger Benzin auskommen wird, wobei die Fahrtechnik selbstredend eine entscheidende Rolle spielt. Ich bin zuversichtlich und hoffe, dass keine amerikanischen Bauteile drinnen sind. In die Präzision der Japaner-Autos habe ich Vertrauen gefasst. Der momentane Imageschaden trifft die Falschen, besonders auch aus Sicht eines wohlverstandenen Umweltschutzes.
 
Hinweis auf weitere Blogs zum Thema Automobilismus
Hinweis auf weitere Blogs von Scholz Heinz
Auf Pilzpirsch: Essbare von giftigen Pilzen erkennen
Ein bärenstarkes Museum in Gersbach
Barfuss über die Alpen
Foto-Blog: Auf geht`s zur Hohen Möhr
Foto-Blog: Vom Kleinen Rhein zum Altrhein
Fotoblog über den Schönauer Philosophenweg
Rote Bete (Rande), eines der gesündesten Gemüse
Hermann-Löns-Grab im Wacholderhain
Lüneburger Heide: Salzsau und Heidschnucken
Kutschenmuseum in Wiechs ist ein Schmuckstück
Canna verleihen einen Hauch karibisches Flair
Artenreiche Streuobstwiesen stark gefährdet
Liebe zu den Kräutern in die Wiege gelegt
Eine Hütte mit Fleischsuppe im Namen
Rätsel um die Russenbänke in Präg gelöst