BLOG vom: 26.02.2010
Linth 2000: Der Escherkanal hat Bewegungsfreiheit erhalten
Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein/AG CH (Textatelier.com)
Der Unterlauf des 200 Jahre alten Escherkanals ist im östlichen Teil der Linthebene, im Chli Gäsitschachen, in dessen Nähe die Autobahn 3 (A3) in den Kerenzerberg-Fuss (A3) einsticht, aus dem Damm-Korsett befreit worden. Die in den Walensee umgeleitete Linth darf nun rechtsufrig einen Naturraum gestalten und walten, ganz nach Lust und Laune. Das ist eine pionierhafte Aufweitung im Rahmen des Projekts „Hochwasserschutz Linth 2000“.
4 langarmige Bagger bauten um die Mittagszeit des 24.02.2010 Steine in den Kanal ein und entfernten eine Dammwand. Pro Sekunde bahnten sich allmählich 30 Kubikmeter Wasser aus dem Glarnerland den Weg ins vorbereitete, vereiste und etwa 1 km lange Tschachen-Gelände unterhalb des Schiessplatzes Walenberg vor den grossen Felsen mit dem Bärentrittwald, an denen Wasseraustritte zu Eisplastiken wurden. Hier sind 2008 etwa 6 Hektaren Wald gerodet worden, wie der Linthingenieur, Markus Jud, in seinen Begrüssungsworten bekannt gab; er leitet das Grossprojekt mit psychologischem und technischem Einfühlungsvermögen. Seine Freude darüber, dass der Natur ein Raum zurückgegeben wurde, war unverhohlen.
Der Mann auf der Vrenelisbrücke
Wo die Aufweitung beendet ist und der Kanal wieder Kanal bleiben darf, verbindet die Vrenelibrücke die beiden Ufer, 1,5 km vor der Einmündung in den Walensee im Gäsidelta. Auf dieser Brücke stand der 79-jährige Hans Lütschg, der im Riet in CH-8872 Weesen, also ganz in der Nähe, wohnt. Ich war gerade vom Ort der Einweihungsfeier, dem Wasser folgend, hierhin zurückgewandert, hatte zugeschaut, wie das Wasser im neuen Bett dünne Eis-Platten übereinander schob, eine Verkleinerung des Schauspiels, das im Frühjahr jeweils in Sibirien, so etwa am Jenissej, zu beobachten ist. Auf der linken Uferseite wurden die Dämme seit 2008 erneuert und unterhalb der Vrenelisbrücke ergänzt.
Was mochte in dem Mann vorgehen, der in Gedanken versunken auf der Brücke stand? Ich verwickelte ihn behutsam in ein Gespräch, und er taute sofort auf. Er war Bauer und hat zwischen etwa 1952 und 1963 hier jeweils in den Wintermonaten bei der Damm-Reparatur mitgeholfen, was damals noch vor allem Handarbeit war. Man sprengte Steine von den nahen Felsen, lud die tonnenschweren Brocken auf Wagen, die auf Schienen mit Manneskraft an den Ort des Einbaus gestossen wurden. Schon beim Verladen der Steine aus dem kompakten Alpenkalk achtete man darauf, dass die glatte Oberseite unten war, denn beim Abladen wurden die Brocken gedreht. Die Steine vom alten Damm waren kaum mehr zu gebrauchen; man schaffte sie auf den Damm und führte sie dorthin, wo es etwas zum Auffüllen gab.
Herr Lütschg hatte einen Klappmeter bei sich und zeigte mir anschaulich, wie man die Form der Lücke im Damm, die mit dem Stein ausgefüllt werden musste, festhielt und den Stein dann bearbeitete, bis seine Form passte. Er bog die Glieder seines Messgeräts zu verschiedenen Formen, bis der Meter in einem Gelenk auseinander fiel. Beim Behauen der Steine musste man den Verlauf der Gesteinsschichten beachten, damit der Block bei der Bearbeitung nicht zersprang. Über kräftige Rundhölzer aus Esche liess man dann den schweren, in die Passform gebrachten Stein an seinen Bestimmungsort gleiten. Dann mussten die Hölzer wieder herausgezogen und der Stein zentimetergenau positioniert werden. Diese Dammbauten waren eine Präzisionsarbeit, so dass eine Arbeitsequipe nur etwa 3 Steine pro Tag schaffte. Pro 11-Stunden-Arbeitstag betrug der Lohn 16,5 CHF.
Die Arbeit war hart. In dem schattigen Gebiet mussten die Dammbauer oft im eiskalten Wasser stehen, und nicht selten schwammen tote Schweine, Geflügel und alles mögliche Andere, das die Leute fortschaffen wollten, vorbei.
Und jetzt war der Präzisionsdamm teilweise zerstört. „Was denken Sie darüber?“, fragte ich meinen wetterfesten Gesprächspartner, der seine Filzjacke offen trug und seine blaue Zipfelmütze etwas zurückschob, ein kräftiger Mann mit grauem Schnurrbart und gepflegt rasiert. Einige minime rote Äderchen auf der Wange bezeugten seinen Allwettereinsatz im Freien; sie betonten sein gesundes Aussehen. Nachdenklich sagte er mit Blick auf die Ausweitung und nach langem Überlegen: „Das gefällt mir nicht.“ Nachdem ich wusste, dass er so viel Kraft und Handwerksgeschick in diese Dämme investiert hatte, verstand ich ihn.
Wenig später sprach ich mit der Frau eines Baggerführers, die beklagte, ihr Mann habe vieles zerstören müssen, doch habe er es voller Ehrfurcht für die Leistungen der früheren Kanalerbauer getan.
Die Feier am Kanal
Diese Wertschätzung für ein gewaltiges Werk, das vor rund 200 Jahren mit einfachsten Mitteln – Schaufeln, Brecheisen und Karetten – errichtet wurde, teilte in der Eröffnungsansprache auch Willi Haag, St. Galler Regierungsrat und Präsident der Linthkommission. Er würdigte das Werk von Hans Conrad Escher von der Linth (1767‒1823); seit 1811 ist die Linth von Näfels GL her in den Walensee umgeleitet. Früher sei die Bauzeit lange gewesen – heute erfordern Planung, politische Prozesse und die Erledigung der Einsprachen die längste Zeit, stellte Haag fest. Im vorliegenden Fall mussten 137 Einsprachen erledigt werden: Einzelne Einsprecher forderten mehr, andere weniger Natur, und wieder andere erachteten alles als Quatsch.
Zweifellos ist keine Torheit herausgekommen; allein für ökologische Aufwertungen werden im Linthprojekt 10 der rund 100 Mio. CHF aufgewendet. Für diesen verbesserten Naturbezug ist der Aargauer Biologe Heiner Keller zuständig. Sein Referat, wie es an die Medien abgegeben wurde, ist im Anhang wörtlich wiedergegeben; bei der Feier kürzte er der fortgeschrittenen Zeit wegen seine freie Rede etwas ab. Die Aufweitung im Chli Gäsitschachen sei kein Abschluss, sondern der Beginn für einen Prozess, der von der Natur geleitet wird. Neue Lebensräume wie Laichplätze für Bach- und Seeforellen stehen bereit
Dann traten die Bagger in Aktion, zwangen das Linthwasser, in dem noch keine grossen Schmelzwassermengen enthalten waren, ins neue, breite Bett. Markus Jud stand bei einer improvisierten Bühne, und ein Knabe fragte ihn: „Papa, bisch zfride“ (bist Du zufrieden). Ein überzeugtes „Ja“ war die Reaktion.
Ich wurde unverhofft Zeuge dieses interfamiliären Gedankenaustauschs und fühlte mich dabei etwas an die Schöpfungsgeschichte erinnert – denn auch hier erfolgte ja eine Art Schöpfungsakt. „Und Gott sah, dass es gut war“, heisst es in der Bibel, wenn jeweils wieder ein Schöpfungstag bilanziert wurde. Auf dieser überirdischen Stufe war natürlich keiner der weit über 100 Teilnehmer an der Feier zur Befreiung des Flusses aus dem steinernen Korsett – selbst der Projektleiter nicht. Doch irgendwo hatte man das Gefühl, dass auch Menschenhände manchmal etwas gut machen können.
Die Versammelten stärkten sich finanzschonend mit einem Paar Wienerli, einem Bürli und einem kleinen, süssen Glarnerpastetli mit Zwetschgen- oder Mandelfüllung aus der Konditorei Müller in Oberurnen.
Ich fuhr noch die 9 km nach Amden SG hinauf. Am abfallenden Hang oberhalb der steilen Strasse wurden die Verbauungen repariert; auch ein Schweisser war an einer Eisenabschrankung am Werk. Von der Sonnenterrasse unter den Gipfeln wie Gulmen, Mattstock, Speer und Leistkamm aus blickte ich zur Linthebene mit dem Escher-Kanalband, das noch weitgehend unversehrt zu sein schien. Die ausfransende Stelle befand sich bereits etwas im Schatten.
Man verstehe das Folgende bitte rein profan, ohne jeden Religionsbezug: Das Licht der Aufweitung leuchtet wegweisend weiter.
*
Anhang
Mehr Raum für die Linth
Ausführungen von Heiner Keller, Baubegleiter „Umwelt“ des Linth-Projekts
Vorwort: Bewegungsfreiheit. Wir brauchen sie, um uns entfalten zu können. Wenn wir eingeengt sind und uns nicht die geringste Kapriole leisten dürfen, können wir nicht über uns hinauswachsen. Das ist eine Art Naturgesetz. Ein Fliessgewässer hat nämlich die gleichen Bedürfnisse. Sie werden der Glarner Linth erfüllt: Hier, im Chli Gäsitschachen, erhält sie wieder eine Breite, die dem ursprünglichen Flussbett entspricht. Ein stolzes Ereignis: Linthkommission, Planer und Bauleute des Projektes Linth 2000 nehmen an der Umleitung der Linth in ihr neues Bett gemeinsam teil. Wie schon zu Eschers Zeiten ...
Herr Präsident
Herren Mitglieder der Linthkommission
Geschätzte Planer, Bauleute und Gäste
Seit Tausenden von Jahren fliesst die Linth vom Tödi durch das Glarnerland Richtung Zürichsee. Das Wasser bewegt sich im ewigen Kreislauf vom Meer über die Kontinente und wieder zurück zum Meer. Bergstürze erweitern Täler und tragen Berge ab. Die Linth hat mit dem Material aus den Alpen den Walensee vom Zürichsee getrennt und die Linthebene aufgeschüttet.
In den letzten tausend Jahren konnte die Linth nicht mehr anstellen, was sie wollte. Sie war nicht mehr allein. Menschen kamen über die Berge und über die Ebene aus der weiten Welt ausserhalb der Region und siedelten in den Glarner Tälern. Es waren Bauern, Händler, Geistliche und weltliche Herren. Der heilige Fridolin aus dem habsburgischen Kloster von Säckingen ziert heute noch das Wappen des Kantons, auf dessen Boden wir uns befinden. Mit der Schlacht von Näfels, die 1388 nicht weit von hier ausgetragen wurde, lösten sich die Glarner aus dem wachsenden Weltreich der Habsburger. Im Verbund mit den alten Orten der Eidgenossenschaft wurden sie zu Herren über eigene Untertanen. Glarus war früh industrialisiert, trieb Handel, Reisläuferei und war von guten Weg- und Schiffsverbindungen abhängig. Die Glarner wehrten den Hochwassern und nutzten die Wasserkräfte. Sie verbauten die Linth, wie es die damaligen Möglichkeiten zuliessen. Hölzer, die bei Sanierungsarbeiten an der Linth in Näfels zum Vorschein kamen, wurden lange vor Escher in die Wuhre der Ufer eingebaut.
Trotz der Verbauungen an der ursprünglichen Linth verschlechterte sich die Situation für die Schifffahrt Richtung Süden und Norden immer mehr. Das Geschiebe der Linth verstopfte den Abfluss des Walensees, die Maag, und liess den Wasserstand des Sees stetig steigen. Weesen und Walenstadt, die Umlade- und Zollstationen, versanken immer tiefer im Wasser.
Es war der Berner Landvogt Samuel Wagner auf Schloss Sargans, der 1773 der Tagsatzung den Anstoss für Untersuchungen zur Lösung des Problems gab. Der Berner Ingenieur Andreas Lanz schlug 1784 der zuständigen Kommission in richtiger Interpretation der Fakten vor, die Linth in einem Kanal in den Walensee zu leiten, diesen mit einem weiteren Kanal abzusenken und in dem Zürichsee zuzuführen. Glarner, Schwyzer und Zürcher lehnten das Projekt Lanz 1784 rundweg als nicht machbar und nicht finanzierbar ab. Man konnte sich die Idee von der Absenkung des Walensees und der Bändigung der frei fliessenden Linth nicht vorstellen. Hochwasser boten den Menschen übermächtige Probleme. Man fühlte sich ausserstande, sie lösen zu können. Man mied bei Gefahr die Ebene und liess, der Not gehorchend, die Natur gewähren.
1798 und 1799 wurde die Region in einen Krieg hineingezogen. Die Eidgenossen, die sich selber in ganz Europa in Kriegsdiensten verdingten, erlebten den Krieg unerwartet und unvorbereitet wieder im eigenen Land. Die Bevölkerung im Gebiet litt unter den Kämpfen zwischen Franzosen, Österreichern und Russen. Napoleon und seine Generäle unterdrückten die alten eidgenössischen Stände und ihre feudalen Ordnungen. Sie setzten neue Grenzen – und boten neue Chancen. 1803 wurde unter anderem der Kanton St. Gallen gegründet.
In dieser Zeit der Kriege und der Neuorganisation beschloss die ferne Tagsatzung den Bau des Linthwerks. Sie beauftragte 1804 eine Kommission unter der Leitung Hans Konrad Escher aus Zürich mit der Realisierung des Projekts von Andreas Lanz. Das Linthwerk war von Anfang an ein technisches und ein politisches Werk, das in seiner Dimension für die damalige Schweiz in jeder Beziehung Neuland war.
Die Linth musste ab jetzt dem Willen der Menschen gehorchen. Der badische Ingenieur Johann Gottfried Tulla wurde 1807 als Experte beigezogen. Ab 1807 wurde der Escherkanal von der Linthbrücke in Mollis bis in den Chli Gäsitschachen gebaut. Gleichzeitig wurde der Linthkanal vom Walensee nach Ziegelbrücke gegraben und weiter Richtung Zürichsee geführt. Der eindrückliche Einschnitt des Linthkanals unter das normale Terrain von Weesen bis zur Roten Brücke (Bilten-Schänis) ist nicht zu übersehen. Wo sich früher mehrere Flussläufe mit Inseln über die Ebene bewegten und diese bei Hochwasser überschwemmte, wurden mit Berechnung und Manneskraft eine Niederwasserrinne mit einem Vorland und Dämmen gegen Hochwasser geschaffen. Die Idee „ein Fluss – ein Gerinne“ setzte man konsequent um.
Nach vierjähriger Bauzeit erfolgte 1811 der Durchstich am Linthdamm beim Linthbrüggli in Mollis. Im Escherkanal floss erstmals Wasser. Die Eröffnung der Kanäle war für Escher nie entscheidendes Ereignis, denn mit der Umleitung waren die Arbeiten nicht fertig. Es gab keinen Startschuss für die Linthkorrektion – und es gab kein Ende. Escher arbeitete bis zu seinem Tod 1823 am Linthwerk. Die nachfolgenden Linth-Ingenieure verbauten in den folgenden 70 Jahren nochmals eine mehrfache Summe und stellten das Linthwerk in seiner heutigen Form fertig. Aus der wilden Linth und den ausgedehnten Riedflächen am Walen- und Zürichsee wurde ein hydraulisches System, eine starre Wasserverbindung zwischen zwei Seen. Der Linth wurde gerade so viel Kraft belassen, dass sie das Geschiebe in den Walensee zu schwemmen vermag und das Walensee-Wasser ruhig in den Zürichsee läuft. Im Zürichsee verliert die Linth zuletzt sogar noch ihren Namen. Von der ursprünglichen Linth ist in der Linthebene kein einziges natürliches Stück Fluss übrig geblieben.
200 Jahre Fortschritt und Wohlstand haben der Region ein funktionierendes Linthwerk und eine ausgeklügelte Linthebene-Melioration beschert. Die Folgen sind unübersehbar: Ausdehnung der Nutzungen, Forstwirtschaft, Landwirtschaft, Siedlungen, Industriezonen, Einkaufszentren, Eisenbahnen, Strassen, Kreisel, Leitungen, Kläranlagen. Sie alle brauchen mehr Sicherheit vor Hochwasser.
Die Planung des Projekts «Linth 2000», die Sanierung des Linthwerks, begann vor 12 Jahren. Wiederum vereinte die Linth Vertreter der Kantone Glarus, St. Gallen, Schwyz und Zürich, Politiker, Planer und Bauleute aus verschiedenen Gegenden zu einem gemeinsamen Werk. Dank der viel grösseren Mobilität – Escher war immer zu Fuss unterwegs – tut sie es heute sogar mehr als damals. Sie hören am Dialekt oder erkennen an den Autokennzeichen, dass nicht alle Anwesenden aus der Gegend stammen.
So ist es sicher nützlich, kurz zu schildern, wo wir uns eigentlich befinden: Wir befinden uns im Chli Gäsitschachen in der künftigen Gemeinde Glarus Nord. Bisher gehörte das Gebiet zur Gemeinde Mollis. Auf dem Felsen verläuft die Strasse über den Kerenzerberg mit der Gemeinde Filzbach. Vor uns fliesst der Escherkanal geradeaus in den verdeckten Walensee. Im Hintergrund ist der markante Leistkamm am Beginn der Churfirsten. Über die Felsen fällt der gefrorene Wasserfall von Bethlis. Oben breitet sich das Dorf Amden SG in einer sonnigen Mulde aus. Links davon thront der Mattstock. Den Abschluss zum Horizont bilden der Speer und der Federispitz. Im Vordergrund, am Fuss der bewaldeten Flanke, befindet sich der Biberlikopf. Wo der Sendemast steht, hatten schon die Römer einen Turm. Sie bewachten die Route talwärts Richtung Zürichsee. Links folgen die Spitze des Hirzli, das Niederurner Täli und der Beginn des Rautispitzes. Vor uns sind die Kirche von Oberurnen GL, der Rütelibach und der Schiessplatz Walenberg.
Planung und Ausführung des Projekts «Linth 2000» basieren auf der aktuellen Gesetzgebung. Natur, Umwelt, Fischerei, Wald, Archäologie, Freizeit und andere Fachbereiche mehr haben heute eine Gesetzgebung und einen gesellschaftlichen Stellenwert, wie er vor 200 Jahren weder denkbar noch vorhanden gewesen ist. Es genügt rechtlich nicht mehr, nur Hochwasserschutz zu betreiben. Gleichzeitig mit einem besseren Hochwasserschutz müssen auch ökologische Verbesserungen, mehr Natur, erreicht werden. In einem engen Korsett von unüberwindbaren Rahmenbedingungen bekommt die Linth mit «Linth 2000» wieder etwas mehr Raum, mehr Bewegungs- und Gestaltungsfreiheit.
Wenn ich schaue, wie viele Leute zu Eschers Zeiten oder heute mit der Linth beschäftigt sind, ist der Unterschied in der Anzahl vielleicht gar nicht so gross. Heute aber sind die Planungen, die Bewilligungen und die Bauaufsichten viel komplexer und die Leistungen der Bauarbeiter dank des Einsatzes von Maschinen viel grösser. Während Escher die Arbeiter praktisch alleine führte, kommen heute pro Arbeiter etwa 5 Planer ...
Die Forderung „Gebt den Flüssen Raum“ scheint uns ganz einfach und logisch zu sein. Die Erwartungen messen sich an Landschaften, die wir in den Ferien am Tagliamento, an der Isar, in Alaska, in Norwegen oder anderswo als Natur geniessen und befischen. Aber: Wo man dem Fluss Raum gibt, beginnt er wieder zu arbeiten, seine Freiheiten zu nutzen und Landschaften zu formen. Und damit kommen die Schwierigkeiten: Wie viel Freiheit können wir ihm geben? Was müssen wir vorkehren, damit der Fluss mit seinem Treiben aufhört, bevor er etwas macht, was der Mensch nicht will? Restlos alles wollen wir ihm schliesslich nicht geben! Wie verhalten wir uns, wenn die Natur etwas tut, das unser Empfinden stört? Oder wenn etwas nicht so verläuft, wie wir es geplant haben?
Im Chli Gäsitschachen haben wir die Möglichkeit, dem Linthbett wieder die Breite zu geben, die es früher hatte; dabei sprechen wir nur vom Flussbett mit den Kiesflächen und den Inseln und nicht von den Überschwemmungsflächen. Wie Sie sehen, ist der Abschnitt beidseits von Dämmen gesäumt. Wir wissen, dass der linke Damm gegen aussen hält. Wir wissen, dass die Linth im Chli Gäsitschachen spätestens mit dem nächsten Hochwasser das Flussbett nach ihrem Willen umgestalten wird. Wir freuen uns, dass die Linth im Naturraum Gäsi nie mehr ein normaler Kanalabschnitt des hydraulischen Systems Linthwerk sein wird und einen Gestaltungsfreiraum erhält.
Jetzt nehmen wir teil an jenem Moment, wo der Spinnereikanal in den Rütelibach und den Brugraben umgeleitet wird. Und am Moment, wo die Linth nach fast 200 Jahren erstmals auf einem Teilstück die Fliessbreite zurückgewinnt, die sie vorher auf ihrer ganzen Länge hatte.
Die Umleitung ist nicht das Ende, sondern der Beginn einer Entwicklung. Auf der Einladungskarte finden Sie ein Bild vom erwarteten Resultat. Heute sehen Sie, wie sich eine braune Welle Linthwasser ein neues Bett sucht.
Wir sind gespannt,
... wie der erste Schritt der Umleitung gelingt,
... wie der Bau Ende Jahr fertig aussehen wird,
... was die Linth, die Natur und die Menschen mit der Aufweitung Chli Gäsitschachen und dem Gäsi machen werden.
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