Textatelier
BLOG vom: 02.04.2010

Wie mich die Frühlingsenergie reizt und wie ich sie zähme

Autorin: Rita Lorenzetti, Zürich-Altstetten
 
Die Karwoche ist etwas Besonderes. Es sind die Tage vor dem Osterfest. Die Arbeitswoche ist kurz. Die Ansprüche an diese Zeit sind gross. Das Haus soll aufgeräumt und sauber werden, damit wir es in der Osternacht wieder feierlich ausräuchern können.
 
Das Frühlingslicht macht mich quirlig. Vermutlich ist es nicht das Licht allein, das in alle Winkel zündet und mir den Staub und Schmutz präsentiert. Ich spüre auch die Energie aus der wieder erwachten Natur. Im Erdreich muss sich ein Gerangel abspielen. Gras und Blumen befinden sich ziemlich sicher in einem gigantischen Wettstreit, wer zuerst den Durchbruch schafft.
 
An solchen Tagen fallen mir viele Ideen zu, ohne dass ich sie auf ihre Tauglichkeit prüfen kann. Es ist Aufbruchstimmung. Die Gedanken sind noch unvergoren „en Chrüsimüsi“, eine Art Mischmasch. Auch sie sind im Wettstreit nach aussen und mit dem Wunsch verbunden, verwirklicht zu werden. Es ist eine Art Energietanz in mir und ein Drang, dies und das gleichzeitig anzupacken und zu realisieren. Die Gefahr, nervös zu werden, gehört dazu. Mein Vater nannte meine Natur manchmal „Schutzgatter“. Die Einzelteile eines Fallgatters baumeln solange unruhig hin und her, bis sie im Stadttor fixiert sind. So bildreich war die Sprache noch vor 50 oder 100 Jahren.
 
Ich habe auch schon davon geträumt, die Karwoche in einem Kloster zu verbringen, um mich nicht mit Alltäglichem befassen zu müssen. Der Übergang von der schlafenden zur erwachten Natur, vom Sterben und Auferstehen in kontemplativer Art zu erleben.
 
Und dann stellte ich fest, dass gerade die Hausfrauenarbeit zur Beschaulichkeit führen kann. Kontemplation (Versunkenheit ohne allen Wollens) stellt sich doch auch ein, wenn ich Wäsche bügle. Diese Arbeit geht mir leicht von der Hand, verlangt nur Konzentration. Das, was nachher auch noch getan werden muss, ist noch nicht angesprochen. Ich bin nur da, wo ich jetzt gerade bin. Arbeitend und doch auch ruhend. Und dann steigen manchmal ganz schöne Einsichten auf.
 
Ähnlich beruhigend wirkt das warme Wasser aus dem Schüttsteinbecken, wenn ich unser Geschirr spüle. Dann reguliert mir die Wärme den Kreislauf, beruhigt das Nervensystem und bindet die schusselige Natur zurück.
 
Als unsere Töchter noch kleine Kinder waren, konnte ich auch an ihnen beobachten, wie sich der Frühling gebärdet. Sie stürmten hinaus, tummelten sich stundenlang im Freien, redeten laut oder schrien. Sie wurden frech und setzten sich durch. Ich erinnere mich jeden Frühling an diese Erfahrung. Eindrücklich ist auch der Vergleich mit dem astrologischen Widder, dem ersten Zeichen im Tierkreis. Das Temperament jener Menschen, die zwischen dem 21. März und dem 20. April geboren sind, tragen unübersehbar vergleichbare Zeichen in sich. Sie stürmen gerne auf Ziele los, sind Tatmenschen, jungendlich unbekümmert, ungeduldig und wollen oft mit dem Kopf durch die Wand.
 
Der französische Astrologe André Barbault schrieb dazu: „Wenn man bedenkt, was sich in der Natur abspielt, während die Sonne das erste Zeichen durchläuft, versteht man auch, dass dieses Zeichen von einem Widder versinnbildlicht wird. Dieses Tier steht in der Herde stets zuvorderst, seine Stosskraft ballt sich im massigen Schädel zusammen und ist immer bereit, sich mit den Hörnern voran auf ein Hindernis zu stürzen.“
 
Vielleicht mehr noch ist mir das Leise am Frühling lieb. Wie lautlos und geheimnisvoll sich das Wachstum vollzieht. Wie sich die Knospen entfalten, wie Blumen erblühen. Wie sich Wiesen und Felder über Nacht verändern. Wir hören sie nicht, und doch bin ich überzeugt, dass auch sie miteinander im Gespräch sind und den Frühling feiern.
 
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