Textatelier
BLOG vom: 13.04.2010

Polnische Tragödien: Was kann und darf man noch glauben?

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein/AG CH (Textatelier.com)
 
Ausgesprochen verantwortungsbewusste Elternpaare steigen aus Gründen der Risikominimierung nicht ins gleiche Flugzeug. Die meisten Firmen achten darauf, dass nicht ihr gesamtes Kader im gleichen Verkehrsmittel sitzt – und mag das Flugzeug als noch so sicheres Verkehrsmittel gelten. Wie konnte es angesichts solcher altbekannter Vorsichtsmassnahmen nur dazu kommen, dass sich die Spitzenvertreter des polnischen politischen und gesellschaftlichen Lebens bis zum Präsidenten des Nationalen Olympischen Komitees, Janusz Kochanowski, in ein und dasselbe Flugzeug setzten?
 
Während des 2. Weltkriegs hatte der damalige Oberbefehlshaber der Schweizer Armee, General Henri Guisan, alle Offiziere ab der Stufe Major auf den 25.06.1940 zum Rapport auf die Rütliwiese über dem Urner Teil des Vierwaldstättersees aufgeboten, ein gefährliches Unterfangen, alle am gleichen Ort zu versammeln. Damals ging alles gut; der Schweizer Unabhängigkeitswillen wurde gestärkt, eine Kollaboration mit ausländischen Mächten wurde abgelehnt. Der jetzige Militärminister der Schweiz, Bundesrat Ueli Maurer, wirkt in diesem Sinne weiter.
 
Man darf annehmen, dass General Guisan die Gefahrenlage und damit das Risiko einer Grossveranstaltung abgeschätzt hatte. Zweifellos waren damals terroristische Aktivitäten noch nicht derart fein verästelt und weltumspannend wie heute, obschon es den Terrorismus schon immer gab, allerdings unter anderen Bezeichnungen („destruktiver Krieg“ der Römer). Damit möchte ich nicht durchblicken lassen, der Absturz der Tupolew Tu-154 bei der westrussischen Stadt Smolensk vom 10.04.2010 sei auf einen terroristischen Akt zurückzuführen. Die bisher genannten Absturzgründe wie „dichter Nebel mit einer Sichtweite von 150 Metern“ sind auf den ersten Blick einleuchtend. Allerdings bleiben schon wichtige Fragen unbeantwortet, etwa diese: Wer hat die gemeinsame Gedenkreise des EU-kritischen polnischen Präsidenten Lech Kaczynski, seiner Frau, der Militärs, Geheimdienst-Beamten usw. in den Wald bei Katyn vorbereitet? Die verhängnisvolle Reise sollte dorthin führen, wo vor 70 Jahren das stalinistische Massaker an 20 000 Menschen stattfand. Dort wurde die polnische Elite ermordet. Gerade weil dieses Katyn-Gedenken der Grund der Reise war, traf der Absturz die polnische Bevölkerung so schmerzlich, so tief. Sie verlor neben dem Staatspräsidenten unter anderen Notenbankchef Slawomir Skrzypek, Generalstabschef Franciszek Gagor, Vize-Aussenminister Andrzej Kremer und den stellvertretende Parlamentspräsidenten Jerzy Szmajdzinski.
 
Katyn im 2. Weltkrieg
Die Geschichte von Katyn ist grauenvoller als sie in den Medienberichten zum Ausdruck gebracht werden kann. Ich habe im 1981 erschienenen Buch „Deutsche und Polen. Die schwierige Nachbarschaft“ von Bernd Rill (verlegt bei Idea, Puchheim D) wieder einmal darüber gelesen. Darin ist nicht allein „das gewaltsame deutsche Vorgehen gegen die polnische Bevölkerung“ beschrieben, sondern auch die Rolle der Sowjetunion. Das Buch nimmt Bezug auf den deutschen Politiker und Hitler-Gefolgsmann Hans Frank (1900‒1946, durch den Strang hingerichtet) und lässt auch durchblicken, wie Polen zwischen 2 Übermächten förmlich zermalmt wurde.
 
Frank schlug vor, den Kurs der deutschen Besatzungspolitik zu modifizieren. Rill schreibt (Seite 183) dazu: „Als Vehikel dafür empfahl er, das Massaker von Katyn bei Smolensk auszunützen, das im April 1943 aufgedeckt worden war. Auch die Sowjetunion hatte in den von ihr besetzten ostpolnischen Gebieten Deportationen grössten Ausmasses durchgeführt (1,5 Millionen Polen wurden von dort nach Sibirien abtransportiert) und ebenfalls an der Ausrottung der polnischen Intelligenz mitgewirkt. 4000 polnische Offiziere waren im Frühjahr 1940 vom NKWD (Narodnyj komissariat wnutrennych del = Volkskommissariat für Inneres) liquidiert und bei Katyn im Wald in Massengräbern verscharrt worden, wie eine neutrale Ärztekommission des Internationalen Roten Kreuzes bestätigt hatte.“
 
Das strategische Polen
Polen liegt, vereinfacht gesagt, zwischen Deutschland im Westen und Russland, Litauen, Weissrussland und der Ukraine im Osten. Im Norden ist die Ostsee, im Süden befinden sich die Slowakei und Tschechien. Wer also zwischen Deutschland und Russland zirkulieren will, muss Polen durchqueren, was dem Land eine verkehrsmässige und gleichermassen strategische Bedeutung gab und gibt, die für das Land nicht immer nur zum Segen wurde, wie bekannt ist.
 
Daraus resultierten bis zum heutigen Tage Spannungen. So haben die USA und Polen durch den polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk, der nicht am Todesflug teilnahm, am 14.08.2008 ein Abkommen unterzeichnet, das den Amerikanern erlaubt, bis 2012 (z. B. bei Slupsk in Nordpolen) auf polnischem Boden US-„Abfangraketen“ vom Typ „Patriot“ zu stationieren – ein Teil des globalen US-Raketenabwehrsystems. Diese Raketen bedrohen zweifellos die Sicherheit Russlands. Gleichzeitig wurde die militärische Zusammenarbeit vor allem auch in der Luftverteidigung zwischen Polen und Amerikanern ausgebaut (Quelle: „NZZ“ vom 14.08.2008: „USA und Polen einig über Raketenschild“). Die haarsträubende Begründung für diese Provokation von Russland verweist nicht etwa auf Russland, sondern auf „Schurkenstaaten“ wie den Iran, ein etwas billiger verdrehungskünstlerischer Trick.
 
Das erhöhte die Spannungen zwischen Russland auf der einen und Polen und der Nato auf der anderen Seite und dürfe die Rüstungsbemühungen gerade in Russland verstärken – bis hin zu im Weltraum stationierten Interkontinentalraketen. Andrej Klimow, der stellvertretenden Vorsitzende des aussenpolitischen Ausschusses des russischen Parlaments, nannte das Abkommen „einen Schritt zurück zum Kalten Krieg“. Barack Obama und sein aussenpolitischer Berater Zbigniew Brzezinski unterstützen den Raketenschild selbstverständlich, währenddem der US-Präsident zur Ablenkung vor den Augen der Welt lieber von atomarer Abrüstung spricht, als Friedensnobelpreisträger aber atomare Erstschläge gegen den Iran und Nordkorea nicht ausschliesst.
 
Ein Pilotenversagen?
Diese für den momentanen globalen Zustand bedeutende Episode mag immerhin aufzeigen, dass es mit der viel beschworenen Entspannung zwischen Russland und Polen im Prinzip nicht weit her sein mag, auch wenn man sich vielleicht durch den Anlass der Gedenkfeier wieder etwas näher kommen und zumindest das Katyn-Trauma aufarbeiten wollte.
 
Ich möchte mich hüten, daraus die Vermutung abzuleiten, die angespannten Beziehungen könnten etwas mit der Flugzeugkatastrophe zu tun haben, zumal die Indizien, wie sie bisher oberflächlich bekannt sind, eher auf Fehlleistungen auf polnischer Seite hinweisen. So hat der Pilot des zur polnischen Flugwaffe gehörenden Flugzeugs (Name: „Rzeczpospolita Polska“ = „Republik Polen“, 1990 erbaut und 2009 renoviert – es soll aber immer störungsanfällig gewesen sein) merkwürdigerweise die Warnungen des russischen Fluglotsen vor einer Landung und die Empfehlung, ein Ausweichmanöver nach Minsk in Weissrussland einzuleiten, in den Wind geschlagen. Er versuchte das Landemanöver 4 Mal, obschon er bereits beim 1. Mal erkennen musste, ob die Sicht genügte oder nicht. Waren es verzweifelte Notlandeversuche? Wurde Treibstoff abgelassen? Ob dieser Flugplatz mit einem Instrumentenlandesystem (ILS), das Blindlandungen ermöglicht, ausgerüstet ist, ging aus den bisherigen Meldungen nicht eindeutig hervor – es gibt beide Versionen. Laut einem fachkundigen Bericht von „Focus online" fehlt ein solches in Smolensk. Hin und wieder wird darüber spekuliert, ob der Pilot wohl von den ranghohen polnischen Passagieren zu einer Landung auf eben diesem Militärflugplatz gezwungen worden sein könnte, eventuell durch den polnischen Präsidenten Lech Kaczynski persönlich, der das schon bei einem früheren Flug getan haben soll. Doch im Flugzeug hätte der Pilot das Sagen und sonst niemand.
 
Trümmerbilder
Was mich beim Betrachten der Trümmerbilder merkwürdig berührt hat, ist der Umstand, dass die polnische Maschine so stark zerstückelt war. Sie soll sich nach links geneigt und Baumwipfel gestreift haben, was zum Absturz führte. Die Geschwindigkeit kann nicht mehr so gross gewesen sein, dass die Maschine dermassen zerfetzt werden konnte. Ist das ein Indiz für eine andere Absturzursache?
 
In meiner publizistischen Laufbahn habe ich aus eigener Anschauung über 3 Flugzeugkatastrophen berichtet. Zuerst über den Swissair-Caravelle-Absturz vom 04.09.1963 bei Dürrenäsch; ich war damals noch Redaktor am „Wynentaler-Blatt“, und Dürrenäsch gehörte zu unserem Einzugsgebiet. Wegen eines Brands im Fahrwerkschacht raste das Flugzeug im Sturzflug zu Boden und zerschellte; alle 80 Personen, wovon 43 aus dem Dorf Humlikon ZH, kamen ums Leben. Die Trümmer waren weit verstreut.
 
Am 21.02.1970 war ich als einer der ersten Journalisten auf der Swissair-Absturzstelle im aargauischen Würenlingen (47 Opfer); ich lieferte der Schweizerischen Depeschenagentur/Reuters einen Augenzeugenbericht, hatte neben den grösseren und meist kleinen Flugzeugtrümmern menschliche Körperteile, Stofffetzen an den Bäumen, einen Revolver usf. herumliegen sehen. Im Flugzeug war ein von einer palästinensischen Terrororganisation eingeschmuggelt Sprengkörper explodiert. Die Maschine war mit grosser Geschwindigkeit (angeblich 770 km/h) in den Unterwald von Würenlingen gerast und in kleine Stücke zerfetzt worden, dem Resultat eines Fahrzeug-Shredders ähnlich.
 
Am 10.04.1973 kam es zum Flugzeugabsturz in der Herrenmatt in Hochwald SO. Die viermotorige Turboprop „Vickers Vanguard“ der Chartergesellschaft „Invicta International Airways“ streifte bei Nebel und Schneefall in relativ geringer Geschwindigkeit in dem stark bewaldeten Gebiet einige Baumkronen und stürzte ab. Es war für die Retter und uns Journalisten (ich berichtete fürs „Aargauer Tagblatt“) eine harte Arbeit, an die Absturzstelle zu gelangen. Ich legte um die Mittagszeit die Strecke vom Dorf Hochwald zur Absturzstelle über den verschneiten Herrenmattweg zu Fuss zurück; in der Eile hatte ich mich nicht sorgfältig ausrüsten können. 108 Menschen waren gestorben, und 37 Passagiere überlebten, wurden unterkühlt geborgen und in Spitäler transportiert.
 
Diese Hochwald-Katastrophe dürfte unter den 3 mir bekannten jene sein, die am meisten Ähnlichkeit mit dem Absturz bei Smolensk, 300 m von der Landebahn entfernt, hat, was den Ablauf und die Geschwindigkeit betrifft. In Hochwald war insbesondere das Heck zwar abgerissen, aber doch in seiner Form noch einigermassen erhalten. Im Moment habe ich deshalb noch keine Erklärung dafür, warum die polnische Maschine so stark zerstückelt worden ist, so dass kaum noch die 96 Leichen identifiziert werden konnten. Eine Attentatsvermutung dürfte zumindest aus diesem Grund nicht aus den Augen verloren werden. Ein Reporter des polnischen Staatsfernsehens TVP will zum Zeitpunkt der Katastrophe 2 Explosionen gehört haben. Um jedem Verdacht aus dem Wege zu gehen, müsste der russische Ministerpräsident Wladimir Putin die Leitung der Untersuchung in neutrale Hände geben.
 
Der Reim fehlt
Denkt man über die Katastrophe von Smolensk nach, geht im Moment noch rein gar nichts auf; man kann sich keinen Reim machen. Die vorliegenden Fakten in ihrer Widersprüchlichkeit – sogar in Bezug auf die Wetterlage driften die Angaben auseinander – lassen nicht einmal eine Verschwörungstheorie zu ... selbst wenn diese Theorien oft näher bei der Wahrheit als die Berichte des Medienmainstreams sind.
 
Beim Studium dieser Katastrophe aus allen möglichen Quellen ist mir bewusst geworden, wie nach all den Lügen rund um Ereignisse, welche die Welt erschüttert haben, das Publikum (ich auch) kritisch geworden ist. Weil nicht nur einmal gelogen worden ist, glaubt man überhaupt nichts mehr, nicht einmal die Wahrheit, falls es diesen raren Artikel noch geben sollte; man kann selbst den Bildern nicht mehr trauen.
 
Aus meiner eigenen Medienarbeit weiss ich, dass man nicht alles überprüfen kann. Man braucht eine bekannte, vertrauenswürdige Quelle und muss sich im Übrigen mit weitgehend mit Plausibilitätskontrollen begnügen: Kann das stimmen? Stimmen von einander unabhängige Quellen überein?
 
Gerade im Internet-Journalismus spiegelt sich der Unglaube, die Skepsis den offiziellen Informationen gegenüber. Public Relations, Spin doctors, Kommunikationsberater, Marketingfachleute, Werbespezialisten beherrschen das Feld. Eine freie Presse gibt es kaum noch; die Redaktionen sind Rumpfgebilde, die vor allem mit Verwaltungs- und Organisationsfragen betreut sind, und wenn sie sich nicht einbinden lassen, verlieren sie ihren Job. Sie haben mein tief empfundenes Beileid.
 
Auf den publizistischen Wüsten spriessen wuchernde Wildpflanzen ins Kraut, verständlicherweise. „Seitdem ich selber lüge, glaube ich nichts mehr“, heisst eine berühmte Redensart. Weil ich mich bemühe, nicht zu lügen, muss ich mich umso mehr bemühen, nicht zu viel zu glauben.
 
Zu derartigen Theorien passt ein polnisches Beispiel: Polen war meines Wissens das einzige westliche Land, dessen Staatsleitung nicht auf den gigantischen Schweinegrippe-Schwindel der Weltgesundheitsorganisation WHO hereinfiel, dank der Gesundheitsministerin Ewa Kopacz. Sie und polnische Abgeordnete erkannten den „riesigen Betrug“ und die „möglicherweise tödlichen Nebenwirkungen“. Die entsprechenden „Verschwörungstheorien“, wonach das Schweinegrippetheater eine Geschäftemacherei sei, die man in einem gewissen Sinne in die Nähe des Bioterrorismus bringen könnte, sind inzwischen zu Tatsachen geworden. Und im Moment sind die Impfmanager damit beschäftigt, die Impfopfer und die vielen Totgeburten vernebelnd totzuschweigen.
 
Es gäbe viele Gründe für Gedenktage – und zum Läuten mit allen Glocken, damit die Menschen hellhörig würden.
 
 
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