BLOG vom: 17.04.2010
Reaktionen auf Blogs (92): Von wankenden Gutgläubigkeiten
Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein/AG CH (Textatelier.com)
„Gut, dass (noch) jemand Zweifel anmeldet an den Ursachen des Absturzes in Katyn, wie sie von den Medien verbreitet wurden. Es sind der ,Zufälle’ wirklich zu viele, um den Medien vorbehaltlos zu glauben. Der Absturz des polnischen Flugzeugs in Russland ist den Menschen schon ,zugefallen’, aber ob das wirklich nur ,Zufall’ und Schicksal war? Es kann auch einen ,organisierten Zufall’ geben und der sollte (noch) nicht ausgeschlossen werden.“
Dies schrieb Ursula Rausser (E-Mail: wegwarte@solnet.ch) zum Blog „Polnische Tragödien: Was kann und darf man noch glauben? vom 14.04.2010. Gutgläubige Menschen sind allmählich ein rarer Artikel – und dies ist auch gut so. Wer sich heute nicht im kritischen Denken übt, wird nach Strich und Faden verschaukelt, versohlt, abgezockt; eine skeptische, hinterfragende Haltung ist eine wichtige Überlebensstrategie.
Religionszauber
Mit PR-Fachmann Ernst Bohren in Teufenthal AG (E-Mail: ernst.bohren@bluewin.ch) hatte ich kürzlich ein aufschlussreiches Gespräch zu derartigen Themen. Dieses strotzte vor werbestrategischer Ungläubigkeit (siehe Blog vom „Von Werbung und Werbern: Hart an der Wahrheit vorbei“ vom 09.04.2010). Zu meiner Arbeit über die frommen Zügellosigkeiten (Pädophilie in der katholischen Kirche), von denen einige nicht länger unter dem Deckel gehalten werden konnten, vor allem über die missbrauchten Kinder („Das ewige Religionstheater: Ideologien in Schranken weisen“ vom 05.04.2010), schrieb mir Bohren wenige Tage später unverblümt:
Wir haben ja beim Sforzato (italienischer Rotwein) ansatzweise über die gesellschaftsschädigende Wirkung aller monotheistischen Religionen gesprochen ‒ für mich gibt es nur eine Antwort: Alles fauler Zauber. Wenn scheint's der „liebe“ Gott, wie das Alte Testament berichtet, die Städte Sodom und Gomorrha mit Pech und Schwefel übergossen hatte, weil deren Bewohner heftig übers Kreuz vögelten, übermässig gesoffen und gefressen und es auch mit den Tieren getrieben haben, dann frage ich mich schon, wo der gute alte Mann in all den Jahrhunderten gewesen ist, als es auf dieser Erde zu ging (und immer noch zugeht), wie es dem Teufel am besten gefällt.
Du hast schon Recht, die einzige Antwort heisst: Austritt aus den Vereinen der Heuchler und Parasiten, die ja nur noch immer am Leben sind, weil sie für die Mächtigen dieser Welt die verlässlichsten Einrichtungen sind zur Machterhaltung und Unterdrückung der Völker. Es gibt da einen Spruch aus dem Wallis (ausgerechnet aus dem Wallis): „D’s Fidle und s' Gält regierid d’Wält".
*
Auf weniger Zustimmung stiess ich mit meinem religionskritischen Blog bei Klaus Fischer (E-Mail: klausfischer@tic.ch). Sein Urteil über meine Lagebeurteilung ist geradezu vernichtend:
Ihre Aussagen zu religiösen Themen – wie immer – ungeniessbar, irgendwie pubertär und entsprechend überheblich vorgetragen. Für Sie wäre diesbezüglich die Beschäftigung mit Simone Weil (1909‒1943) hilfreich. Nur, wer glaubt, am Ende des Erkenntnisprozesses angekommen zu sein, dem wird wohl solcher Rat vergeblich anempfohlen sein.
Ansonsten schätze ich eigentlich Ihre Beiträge.
Mit freundlichen Grüssen
Klaus Fischer
So weit die bemerkenswerte Zuschrift. Ich stecke diese Kritik unwidersprochen ein. Eine gewisse Härte im Nehmen darf man ja wohl von allen Schreibern, die mit ihrer persönlichen Meinung nicht zurückhalten, erwarten. Aber irgendwie hat mich Herrn Fischers Zuschrift dennoch gefreut: weil er uns beachtet und „eigentlich schätzt“, also auch abweichende Ansichten toleriert. Denn nur das Spannungsfeld, das aus Widerstrebendem resultiert, bringt uns weiter. Das ist für mich wichtig, zumal ich doch genau weiss, dass ich das selige Ende meines Erkenntnisprozesses erst erlangt haben werde, wenn mein Gehirn nicht mehr mitmacht, aus welchen Gründen auch immer. Und wenn schon unfehlbare Päpste fehlbar sind, wieso sollten wir sündigen, fehlbaren Menschen denn die Unfehlbarkeit in unseren Urteilen erlangen können?
Wir müssen immer bestrebt sein, zusätzliche Erkenntnisse zu erlangen. Und genau dieser Beziehung hat mir Herr Fischer Trost, ja Zuversicht gespendet – und zwar mit dem Adjektiv „pubertär“, das ich für meinen Fall (73 Jahre) nur präzisierend auf postpubertär leicht abändern möchte. Der Begriff „Pubertät“ bezeichnet ja den Prozess der Reife. Und ich bin stolz darauf, dass dieser Vorgang bei mir noch nicht abgeschlossen zu sein scheint. Das gibt mir jene Zuversicht, derer man in meinem Alter bedarf.
Das Werk der französischen Sozialphilosophin Simone Weil kenne ich zugegebenermassen nur flüchtig. Sie kämpfte im Spanischen Bürgerkrieg (1936/39) auf der Seite der Republikaner, war eine radikale Denkerin, die sich für eine Humanisierung der Arbeitswelt einsetzte und für Ordnungen eintrat, die auch den Bedürfnissen der Seele gerecht werden. Ob das Letztere die katholische Kirche, der sich die als Jüdin geborene Simone Weil im Verlaufe ihres Lebens annäherte, schafft, bezweifle ich nicht allein aufgrund der gerade ans Licht gekommenen Schandtaten.
Meine 73 Jahre, eine lange Zeit kritischen Beobachtens, haben meine Distanz zu allen Religionen kontinuierlich vergrössert, wofür ich als Dauerpubertierer dankbar bin.
Ernährungshysterien
Auch der blinde Glaube an ernährungswissenschaftliche Errungenschaften und Ansichten wäre verheerend. Heinz Scholz hat in seinem Blog vom 28.03.2010 darüber berichtet: Ernährungskuriositäten: Fett erlaubt. Tränen von Jamie Oliver. Ernst Bohren aus Teufenthal AG fühlte sich in seiner Haltung bestätigt:
Heute habe ich den Blog von Heinz Scholz „Ernährungskuriositäten“ gelesen und wieder einmal festgestellt: Ich bin halt doch kein Tschumpel. Schon immer war mir klar, dass die intensiv betriebene Cholesterin-Hysterie nur einem Zweck dient: der Umsatzsteigerung der Margarineproduzenten. Dabei mag ich mich noch dunkel an Lektionen im Fach organische Chemie erinnern, wonach sich die Konfiguration der Wasser-Fettmoleküle in der natürlichen Emulsion Butter wesentlich von der technisch hergestellten Margarine unterscheidet. Zwischenbemerkung: im Vergleich mit dem Können unserer körpereigenen Einrichtungen erweisen sich die hochtechnisierten Forschungs- und Fertigungsbetriebe der Pharma- und Lebensmittelindustrie eben doch nur als das, was sie sind: erbärmliche Pfuscherbuden.
In der Mitte der 1990er-Jahre habe ich einmal als vorübergehender Redaktor der PR-Postille „Bliib gsund“ den glücklichen und umtriebigen Gesundheitspräventator Felix Gutzwiller (FDP) an einer Pressepräsentation des Margarineherstellers Becel live erlebt. Dort wetterte der Professor ganz gewaltig gegen das Naturprodukt Butter, für das der Staat auch noch Werbegelder locker mache. (Heute müssen die Milchverarbeiter diese Ausgabe aus der eigenen Kasse berappen oder befranken. Aber das vermögen sie locker; sie holen das Geld problemlos wieder mit ihrem überrissen teuren und so gesunden und vitalen Joghurtsortiment herein.
Ich habe damals in der Fragestunde dem Gesundheitsprofessor entgegengehalten, dass es wohl, wie bei den meisten Dingen des Lebens, auf die Dosis ankäme. Und da wäre mir ein Butterbrot noch immer lieber als eine schmierige Margarine. Er war nicht amused.
Heute setzt sich der Gesundheitsfachmann und Ständerat vor allem für die Interessen der Krankenkassen und der sonstigen Profiteure an der allgemeinen Volksgesundheit ein. Es geht ihm sicher gut dabei und – sofern er nicht allzu viel Becel und ähnliche Vitalpräparate zu sich nimmt – ist zu befürchten, dass wir ihn dereinst auch noch als Bundesrat erleben werden.
Mit einem ganz dicken Kompliment für den ausgezeichneten Beitrag von Heinz Scholz!
Ernst Bohren
Tierversuche stoppen
In einer differenzierten Stellungnahme ist Ursula Rausser auf das Blog vom 26.03.2010 „Galaabend der Basler Krebsliga ohne Labormaus-Beteiligung“ eingegangen:
Wer kann angesichts leidender, krebskranker Menschen (und noch stärker bei Kindern) gegen die Forschung sein? ‒ Und wer kann angesichts unzähliger leidender Labormäuse (und anderer Tiere) für die Forschung sein? Am Schlimmsten ist diese Entscheidung für direkt Betroffene und deren Angehörige. Wie lange noch und wie weit soll die Forschung vorangetrieben und unterstützt werden? Wer entscheidet das, und wer bezahlt das? Eine der schwierigen Fragen nicht nur in unserer Zeit, sondern wohl schon immer.
Ob des vielen Tierleids möchte ich manchmal gegen alle Forschung sein, vor allem aber gegen Forschung mit Tieren. Wenn wir weiterdenken an die immensen und immer steigenden Gesundheitskosten, an die Spitzenmedizin, dann wäre eine Möglichkeit zur Eindämmung dieser Kosten, die Forschung ganz zu unterlassen. Oder nicht mehr alles, was möglich ist, bei allen anzuwenden. Anderseits bin ich überaus glücklich mit einem vor 12 Jahren herztransplantierten Mann verheiratet. Ich bin jeden Tag glücklich und dem Spender und allen Beteiligten dankbar, dass das möglich ist. Wie kann ich da gegen den Fortschritt sein? Die Menschheit ist zu neugierig, um nicht mehr zu forschen, aber sie sollte langsam gescheit genug sein, um wenigsten die Tierversuche endlich zu stoppen.
Ursula Rausser
Die Blogautorin, die Schriftstellerin Lislott Pfaff, Liestal BL, verdankte diesen Kommentar und fügte zustimmend bei:
Sehr geehrte Frau Rausser,
Sie fragen, wer angesichts an Krebs leidender Menschen, besonders von Kindern, gegen die Forschung sein könne. Niemand, liebe Frau Rausser, braucht gegen die medizinische Forschung zu sein. Kritik ist lediglich bei der Tierforschung angebracht; denn sie ist nicht nur unethisch, sondern auch unwissenschaftlich. In der Ärztezeitschrift „Schweizerisches Medizinisches Forum“ 2007 war folgendes Fazit über Studien betr. Nutzen von Tierversuchen für den menschlichen Patienten zu lesen:
„Der ahnungslose Bürger nimmt an, dass die Resultate aus Tierversuchen mit jenen aus klinischen Studien am Menschen mehr oder weniger übereinstimmen“ (…) „Die Diskrepanzen zeigen, dass der Tierversuch nichts oder nur wenig mit der menschlichen Krankheit zu tun hat.“ ‒ Der Tierversuch sei „eine rein akademische Beschäftigung“, sagte Bernhard Hirt, Leiter des Schweiz. Krebsforschungsinstituts ISREC, in einem Interview der Zeitschrift „Thema“ der Uni Lausanne (Nr. 11/12 1980).
Sie sehen: Gewissensbisse sind nicht angebracht, wenn wir von der medizinischen Forschung profitieren. Medikamente, Operationsmethoden usw. werden ohnehin nach (und sogar neben) dem Tier am Menschen geprüft und ausprobiert. Überdies stehen anstelle des Tierversuchs alternative Methoden wie Zellkulturen, Computertechnologien usw. zur Verfügung, die dem Forscher zuverlässigere Resultate liefern als jene aus dem Tierversuch. Sie dürfen also weiterhin ohne Bedenken mit ihrem herz-transplantierten Mann glücklich zusammenleben. Ich wünsche Ihnen alles Gute.
Mit freundlichen Grüssen:
Lislott Pfaff
Hilfe aus dem Bienenstock
Über „Heilmittel aus dem Bienenstock: Honig, Pollen, Propolis usw.“ berichtete Heinz Scholz am 26.11.2009. Eine Antwort zu diesem Aufruf zur Rückkehr zum Natürlichen traf von Sabine Rottler aus der Schwarzwald Apotheke Bad Krozingen (E-Mail: krozingen@schwarzwaldapotheke.de) ein:
Lieber Herr Scholz,
Sie erwähnten in Ihrem Blog darin mein Info-Blatt über Propolis, das Sie im Bienenkunde-Museum in Münstertal D gefunden haben. Nach wie vor ist die Propolis-Tinktur eines meiner Lieblingsprodukte in der Apotheke. Erst vergangene Woche konnte ich mich über ihre Wirksamkeit bei Aphten im eigen Mund überzeugen. Da gibt es meiner Meinung nach nichts Besseres.
Viele Grüsse
Sabine Rottler
Steigungen
Das Leben ist ein ständiges Auf und Ab und Auf und Ab. Man erlebt dasselbe auch bei Exkursionen auf dem Schweizer Gelände. Claudio Bitto (E-Mail: claudio.bitto@intergga.ch) steuerte zu meiner Beschreibung „Der Balmbergpass über den Jura: An Steilheit unübertroffen“ interessante Fakten bei:
Der Balmberg gehört zu den brutalsten Anstiegen im gesamten Alpenraum. Der Wurzenpass (1073 m ü. M.) über die Karawanken zwischen Kärnten in Österreich und Slowenien auf der Strecke Ljubliana‒Jesenice‒Kranjska‒Gora‒Villach ist der steilste Pass, den ich je gefahren bin! Bergab erreicht man Geschwindigkeiten von 120 Stundenkilometer ohne Problem!
In Belprahon in der Nähe von Moutier (Berner Jura) gibt es eine Strasse an einer senkrechten Wand mit 23 Prozent Steigung hinauf auf zur Auberge de Remeux, auf der nur für 4×4-Fahrzeuge zugelassen sind, etwa 1,5 km lang, ohne Kehren, etwas für Hartgesottene.
*
Die Auffahrt steht bevor. Auf geht’s!
Hinweis auf die bisher erschienenen „Reaktionen auf Blogs“
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