Textatelier
BLOG vom: 14.05.2010

Möbelaufbau: Schraube ohne Gewinde und falsche Löcher

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Nachdem meine Tochter eine weisse Kommode namens „Junior 5“ von einem Versandhaus bestellt hatte und diese auch rechtzeitig angeliefert wurde, machten wir uns an die Einzelteile, um daraus ein ordentliches Möbelstück zu produzieren. Meine Tochter baute das Grundgerüst zusammen, dann gaben die Hobbyschreiner ihr Stelldichein. Diese waren zunächst ich und später mein Nachbar Ewald, der zum Glück das richtige Werkzeug zur Verfügung stellte. Er hat die besseren handwerklichen Fähigkeiten, aber auch er verzweifelte fast an der Montage.
 
Frohgemut machte ich mich an die Arbeit. Die Seitenklötze für die Schubladen wurden angebracht, das heisst, ich setzte die Schrauben in die vom Hersteller eingefügten kleinen Löcher. Dann konnte ich die unterste Schublade einsetzen. Hocherfreut war ich, als diese hervorragend passte. Dann kam die mittlere Schublade an die Reihe. Aber diese hing nach unten und konnte deshalb nicht hineingeschoben werden. Die vorgestanzten Löcher waren vom Hersteller falsch angebracht worden. Wahrscheinlich hatte der Monteur mit seinen Augen Probleme. Vielleicht war es auch ein Montagsmodell, und da war der Stanzer wohl noch in Gedenken im Wochenende.
 
Auch mein Nachbar, den ich zu Rate zog, schüttelte verwundert sein ergrautes Haupt. „So ein Schwachsinn“, meinte er. Nun mussten die Befestigungsklötze für die Führungsleisten wieder abgenommen und nach oben verschoben werden. Zum Glück leistete uns ein Akku-Schrauber wertvolle Dienste. Die unteren beiden breiteren Schubladen waren nun optimal montiert.
 
Wenn die Kügelchen herunterfallen
Dann kam der nächste Zwischenfall. Der vordere Teil der metallenen Führungsschiene für eine der obersten Schubladen sprang durch meine Unvorsichtigkeit heraus (mein Hinterteil kam daran als ich auf der anderen Seite herumwerkelte). Aber nicht nur das Schienenteil, sondern auch die 12 Gleitkugeln sprangen heraus und verteilten sich im Arbeitszimmer. Auf dem Boden kriechend, suchte ich die silbrig schimmernden Kügelchen verzweifelt. Mein Adlerblick konnte 11 wieder erspähen, aber das letzte war nicht mehr aufzufinden. Ewald war der Ansicht, 11 Kügelchen würden auch ausreichen, um die Funktion der Schiebeleiste wieder herzustellen. Aber wie bringt man solch lose sitzende Kügelchen in die Löcher der Metallleiste? Auch hier wusste sich Ewald zu helfen. Er versetzte die Löcher mit schwarzem Molybdänfett und setzte die Kügelchen dann ein. Damit die Kügelchen beim Einsetzen nicht unter den Tisch kullern, verwendete Ewald einen Magnetteller (so etwas habe ich noch nie gesehen). Sollte nämlich eine Kugel herausfallen, bleibt diese im Teller hängen.
 
Nach der mühevollen Arbeit tauchte mein Nachbar bei mir in der Wohnung mit kohlschwarzen Händen auf und deutete triumphierend auf die reparierte Metallschiene. Beim Anfassen der Metallschiene bekam auch ich mein Fett ab, das heisst, meine Hände wurden ebenfalls geschwärzt. Die Hände musste ich dann mit einer Spezialpaste reinigen.
 
Schraube ohne Gewinde
Als wir die Zwischenwand für die beiden obersten Schubladen installieren wollten, entdeckten wir eine Schraube (diese wird als „Seitensteher“ bezeichnet), an der das Gewinde fehlte. Wir konnten diese nicht in das vorgesehene Loch hineindrehen.
 
In der „Servicekarte“ las ich mit Freude, dass man sämtliche Teile nachbestellen kann. Hier der Text: „Lieber Kunde, obwohl wir unsere Möbel vor der Auslieferung einer strengen Endkontrolle unterziehen, kann es vorkommen, dass ein Teil fehlt oder dass ein Teil während des Transportes beschädigt wird. Senden Sie in einem solchen Fall den Artikel nicht zurück, sondern fordern Sie einfach Ersatz für das fehlende bzw. beschädigte Teil bei unserer Kunden-Hotline an (…).“
 
Da dachte ich mir, auf das Teil könne ich lange warten, bis es hier eintreffen würde. Deshalb machte ich mich mit einem Muster zum Baumarkt auf, aber die hatten das Teil nicht vorrätig. Auch bei einer Schreinerei und einem Küchenstudio war die Schraube nicht aufzutreiben. „Da werden Sie wohl nirgends Erfolg haben, jeder Hersteller hat seine eigenen Schrauben“, wurde mir gesagt. Was tun? Ewald hatte eine glänzende Idee. Er mischte einen 2-Komponenten-Kleber zusammen, fügte diesen in das Schraubenloch und setzte dann den Seitensteher ein. Danach wurde die Schraube mit einer Klemme fixiert und nach einiger Zeit war die Schraube fest im Holz verankert.
 
Mir ist unverständlich, warum die Schrauben genau abgezählt werden, und kein Ersatz vorhanden ist. Ich würde gerne etwas mehr bezahlen, um diesen Missstand zu beheben. Ein weiteres Manko sind die Montageanleitungen. Da müsste man eine Schreinerausbildung absolviert haben, um so manches Möbelstück richtig aufzubauen. Ich finde, bei solchen Anleitungen sollten die Verbraucher ein Wörtchen mitreden. Ich würde solche Beschreibungen Laien vorlegen und testen, ob sie damit umgehen können. Auch bemerkten wir übereinstimmend, dass man die Kommode ganz anders und einfacher konstruieren könnte.
 
Aufpassen beim Nageleinschlagen!
Nach dem vielen Bücken und auf dem Boden Herumkriechen kam Ewald auf die Idee, man müsste die aufzubauende Kommode aufbocken, um besser arbeiten zu können. Das wurde dann auch realisiert. Nun konnten wir bequemer arbeiten und die Kniegelenke schonen.
 
Aber es ging nicht schnell voran, da die obersten Schubladen nach der Montage nicht genau passten. Also wieder abschrauben, die Holzklötze mit den Führungsschienen der Schubladen versetzten, wieder alles anschrauben und die Schubladen einpassen. Aber immer war ein kleiner Zwischenraum im oberen Bereich der linken Schublade zu sehen. Also wieder alles aus- und einbauen.
 
Danach wurde die Rückwand montiert. Auch hier wurde mit Material gespart, so dass wir beim Nageleinschlagen aufpassen mussten, dass keine Nagelspitze an irgendeiner Stelle herauskam und nicht im Holz versenkt wurde.
 
Nun, nach 2 Tagen hatten wir die Kommode, die weitgehend aus naturbelassenem Holz besteht, soweit fertig. Nur die obere Schublade ist noch nicht ganz optimal eingepasst. 1 mm Zwischenraum ist auf der rechten Seite noch vorhanden. Aber das lassen wir jetzt. Die Schublade lässt sich nämlich gut hinein- und herausschieben.
 
Bei diesen aufwändigen Arbeiten erinnerte ich mich an Leute, die verzweifelt ihre Ikea-Regale aufbauten. Sogar im Fernsehen wurden Bastler gezeigt, die so manche Flüche von sich gaben, bis endlich das gewünschte Objekt nach mehrfachen Aufbauversuchen aufrecht stand. Nun, so manche lautstarke Äusserung war auch von mir zu hören. Ich schimpfte nicht auf meine Unfähigkeit (wer macht das schon gerne), sondern auf die Monteure, die falsche Vorarbeiten leisteten und an die Schreiber der Montageanleitung. Ewald sagte noch, dass viele Hobbybastler, die nicht zurecht kommen, auf das angeblich falsche Werkzeug schimpfen. Wir hatten jedoch gutes Werkzeug.
 
Nach dieser Aktion hatte ich sogar vom vielen Bücken einen Muskelkater. Es sind bei diesen Montagen ungewohnte Bewegungen, die dann in die morschen Knochen und Muskeln fahren.
 
Nun haben wir genügend Erfahrungen das nächste Objekt anzugehen, nämlich den Aufbau eines Regals.
 
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