BLOG vom: 02.07.2010
Was heisst Zug? Uslegunge des namen kein zierliche find ich
Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein/AG CH (Textatelier.com)
Zug heisst die wohlhabende, steuergünstige Hauptstadt des seinerseits wohlhabenden Kantons Zug. 26 000 Einwohner nur hat die Stadt. Soweit ist alles klar. Doch was bedeutet dieser Name „Zug“? Hat er etwas mit Ziehen zu tun wie beim Eisenbahnzug, wo die Lokomotive die Wagen zieht? Wer das annimmt, sitzt im falschen Zug, wie vom Seminarlehrer, Orts- und Flurnamenforscher Dr. Beat Dittli zu erfahren war, der die fünfbändige Dokumentation „Zuger Ortsnamen. Lexikon der Siedlungs-, Flur und Gewässernamen im Kanton Zug“ geschaffen hat, ein zusammen mit dem Kartenband total 9,86 kg schweres Werk. Über 12 000 Namen sind darin erfasst und beschrieben, ein gründliches, wissenschaftlich untadeliges Lebenswerk. Darüber sprach Dittli an der Jahresversammlung des Schweizerischen Vereins für die deutsche Sprache (SVDS) vom 29.05.2010 im getäferten Gotischen Saal des Rathauses Zug, weil die Ortsnamenforschung ein Teil der Sprachwissenschaft ist.
Tatsächlich ist es ein schwieriges Unterfangen, die Bedeutung des Ortsnamens Zug herauszufinden, wie schon der Frühhumanist und Dekan des Klosters Einsiedeln, Albrecht von Bonstetten (1442/43‒1504), welcher dem Zürcher Adel entstammte, feststellen musste: „Uslegunge des namen kein zierliche find ich.“ Das heisst, er kam nicht draus, fand keine einleuchtende Erklärung für die 3 Buchstaben ZUG. Er verfasste 1479 eine zweisprachige Beschreibung (Deutsch und Latein) der Acht Alten Orte der Eidgenossenschaft, zu denen Zug gehörte (neben Uri, Schwyz, Unterwalden mit Ob- und Nidwalden, Luzern, Zürich, Bern und Glarus). Um 1500/04 war es ein Balcus, ein kaum bekannter Mailänder Abschriftsteller, der sich im Wesentlichen auf Albrecht von Bonstetten abstützte und in seiner „Descriptio Helvetiae“ („ Descriptio elegans agri et regionis Svitensium”) Zug als deutsches Wort für tractus erkannte, und dieses bedeutete eine an einem See liegende Stadt, wo die Fischer ihre Netze eingezogen haben – es war also sozusagen ein fischereigerechter Ort, gewissermassen eine Fischenz (Gewässerteil mit geregelter Nutzung); Zug war somit ein normales deutsches Wort. Lateinisch hiess Zug Glarianus.
Beat Dittli befasste sich auch mit dem Namen Ägeri (im Kanton Zug gibt es die Gemeinden Unterägeri und Oberägeri und den Ägerisee). Der Referent leitete ihn von Bergahorn nach dem romanischen Wort agru ab, woraus Ägeria und Aquaregia entstanden, was ein königliches, das heisst dem König gehörendes Gewässer bedeutet und natürlich vornehmer als der Bezug zu einem gewöhnlichen Bergahorn erschien.
Die Beschäftigung mit Namen sei ein altes Geschäft, sagte der in Göschenen UR geborene Namenforscher, dessen kompetente Art mich beeindruckt hat. Es beginne mit dem Sammeln von Namen bei Bauern, Förstern, Nameninteressierten aller Art, alten Leuten usf. und natürlich in Archiven. In Menzingen im nordöstlichen Teil des Kantons Zug zum Beispiel habe er im dicht besiedelten Gebiet im Durchschnitt alle 70 Meter einen anderen Flurnamen gefunden. „Namen von Siedlungen (Höfe, Weiler, Dörfer, Städte), Fluren (Landstücke), Wäldern, Strassen und Gewässern überziehen unsere Landschaft wie ein unsichtbares Netz. Sie dienen der Orientierung und geben einer Gegend im Gespräch unter Menschen ihr Gesicht. Sie können darüber hinaus zeigen, wie der Mensch heute und in der Vergangenheit seine Umgebung wahrnimmt, wie er sie gestaltet, verändert und nutzt. Namen sind, ähnlich wie historische Denkmäler oder archäologische Bodenfunde, Zeugen für die Auseinandersetzung des Menschen mit seiner Umwelt und ein Teil des kulturellen Erbes einer Region“, hielt der Autor Dittli fest. Und die Namenskunde sei dementsprechend zuerst einmal die Verwaltung von riesigen Dateien. Der Kanton Zug nimmt eine führende Stellung ein, im Gegensatz zum Kanton Aargau, wie mir Beat Dittli im persönlichen Gespräch bekannt gab. Dort ist man noch kaum über Beat Zehnders Buch „Die Gemeindenamen des Kantons Aargau“ (1991) hinaus gekommen. Der Aargau ist gleichwohl ein wunderschöner, wenn auch verkannter Kanton.
Im Kanton Zug gehen die ältesten Namen auf die keltische Zeit zurück. So bedeutet Cham = Dorf, Baar = Anhöhe oder Hügel, und die Lorze (Lorenze) ist beziehungsweise war ein Fluss, der viel Geschiebe mit sich trägt (trug). Dann gibt es solche romanischen Ursprungs wie eben das erwähnte Ägeri (diesen Namen trifft man auch im Haslital, in den Kantonen Obwalden, Schwyz und Tessin). Der Grossteil der Namen aber entsprang unserer deutschen Sprache: Steinhausen = Häuser aus Stein (meistens waren sie früher aus Holz), Rotkreuz (Ort bei einem roten Kreuz), Schindellegi (Ort, wo Holzschindeln gelagert wurden). Aa bedeutet Bach, Fluss und der Aabach ist somit eigentlich ein Bachbach.
Die Endsilbe ...ingen ihrerseits kommt aus dem Alemannischen und bezieht sich auf einen Familien- oder Sippennamen, eine Mode aus dem 10. bis 12. Jahrhundert.
Der erwähnte Balcus beurteilte auch die Leute von Zug: „Gens omnino fœde atque agrestis est ac duræ cerviuis monituque difficilis et pollicitiationibusancep verum opulenti omnes.“ Sie seien im Allgemeinen hässlich, bäuerisch, halsstarrig, schwer belehrbar, unzuverlässig bei Versprechungen, aber alle seien vermögend ...
Das war vor gut 500 Jahren und stimmt überhaupt nicht mehr ... mit Ausnahme des Hinweises auf den zugerischen Wohlstand, der seine Tradition erfreulicherweise über Jahre halten konnte. Und wer reich genug ist, kann sich auch eine gründliche Namensforschung leisten.
Bibliographischer Hinweis
Dittli, Beat: „Zuger Ortsnamen. Lexikon der Siedlungs-, Flur und Gewässernamen im Kanton Zug“, Balmer Verlag, Zug 2007. ISBN 978-3-85548-058-6.
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