Textatelier
BLOG vom: 23.08.2010

Wander-Überraschungen: Riesenpilz und Plumpsklo im Wald

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Am 19.08.2010 holten wir die ausgefallene Wanderung von Sulzburg-Bad zur Almwirtschaft Kälbelescheuer nach. Diesmal wurden wir vom Regen verschont. Der Wetterbericht versprach angenehme Temperaturen um die 20 °C, etwas Bewölkung und überwiegend Sonnenschein.
 
Wir – Ewald Greiner, Toni Fitting und Walter Schenk – fuhren von Lörrach über Müllheim (Markgräflerland) nach Sulzburg und von dort nach Sulzburg-Bad.
 
Sulzburg (www.sulzburg.de) gehört übrigens zu den ältesten und kleinsten Städten von Deutschland (2700 Einwohner). In meinem Blog vom 02.05.2009 „Schreckenstat auf Neuenfels: Rittergeschlecht ausgelöscht“ habe ich bereits die markantesten Sehenswürdigkeiten von Sulzburg beschrieben. Hervorzuheben sind die ottonische Kirche St. Cyriak, der jüdische Friedhof, das Landesbergbaumuseum Baden-Württemberg, die Gedenkstätte Ehemalige Synagoge Sulzburg (ist an jedem 1. und letzten Sonntag im Monat von 16.00 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet) und die im Kurpark befindliche Schlossturm-Ruine.
 
An diesem Tag hatten wir jedoch keinen Sinn für diese uns schon bekannten Sehenswürdigkeiten. Wir fuhren ins Sulzbachtal, am jüdischen Friedhof vorbei in Richtung Waldhotel, das sich am Ende der geteerten Strasse befindet. Dort parkierten wir. Früher herrschte hier ein reger Badebetrieb. Der Arzt und Schriftsteller Georg Piktorius erwähnte schon im 16. Jahrhundert in seinem Buch „Badenfahrten“ ein 19 Grad warmes Bauernbad. Das radonhaltige Wasser versprach bei verschiedenen Gebrechen Heilung oder Linderung. In der erwähnten Schrift konnte man lesen, dass die Stadt „einen Badbrunnen in einen heiteren Wald“ hat.
 
Dr. H. Oeffinger lobte 1898 in seinem Werk „Die Kurorte und Heilquellen des Grossherzogtums Baden“ die Sulzbach-Therme, das Waldkurhaus und seine Umgebung in den höchsten Tönen. Später übernahm eine Freiburger Handwerker-Innung das Kurhaus. Es folgten mehrere Umbauten, und daraus hat sich das jetzige Waldhotel entwickelt. Das Hotel bietet heute den Gästen, die Ruhe und Erholung suchen, ein modernes Wellness-Angebot (www.waldhotel4you.de).
 
Mächtige Douglasie
Dann wanderten wir frohen Mutes um 10:20 Uhr vom Waldhotel in Sulzbach-Bad (460 m ü. M.) dem Sulzbach entlang bis zur 1.Wegkreuzung. 3,5 km waren es bis zur Almwirtschaft Kälbelescheuer (976 m). Dann ging es auf gut begehbaren Wanderwegen durch Kiefer- und Mischwälder bergauf. Kurz nach der erwähnten Wegkreuzung kamen wir an einer 50 m hohen und zirka 90 Jahre alten Douglasie (Pseudotsuga menziesi) vorbei. Solche mächtigen Douglasien sehe ich immer wieder bei den Wanderungen im südlichen Schwarzwald.
 
Der immergrüne Baum wurde nach David Douglas benannt. Er brachte im 19. Jahrhundert den Neophyt von einer nordamerikanischen Expedition mit und veranlasste eine Anpflanzung im Kew Garden bei London. Danach wurde der Baum in Mitteleuropa in Wäldern und Parks gepflanzt und gedieh prächtig.
 
Nach knapp einer Stunde erreichten wir den Behaghelfels, einen schönen Aussichtspunkt. Auf einer Info-Tafel konnten wir uns bezüglich dem Namen schlau machen. Der Fels wurde nach Wilhelm Jakob Behaghel (1824‒1896) benannt. Er war Professor der Rechte an der Universität Freiburg, badischer Geheimer Hofrat und von 1881 an Präsident des badischen Schwarzwaldvereins. Zitiert wird auch das Schreiben des Vorstandes der Sektion Sulzburg des Schwarzwaldvereins, das am 20.07.1889 an den Professor gerichtet wurde. Ganz amüsant fand ich die damalige höfliche Anrede und die folgende Wortwahl:
 
„Sr. Hochwohlgeborenen Herrn Hofrat Behaghel, Freiburg i. Br.,
Eur Hochwohlgeborenen beehren uns ergebenst mitzuteilen, dass wir beabsichtigen, einen zu prächtigsten Aussicht auf das Rheintal freigelegten und mit bequemen Aufstieg versehenen, an dem schönen und neu hergestellten Pfade vom Sulzburger Bad auf den Belchen befindlichen Felsen zur Erinnerung an das 25-jährige Jubiläum des Schwarzwaldvereins und zum dankbaren Andenken an seinen unermüdlichen Präsidenten Behaghelfelsen zu benennen. Eur Hochwohlgeborenen ersuchen wir zu dieser Benennung gütigst Erlaubnis erteilen zu wollen.“
 
Auf der Tafel und in dem zitierten Text ist der Name Behaghel falsch geschrieben, nämlich ohne „h“ hinter dem „g“. Wohl ein Versehen der Stadt Sulzburg und des Staatlichen Forstamts Müllheim. Meine aufmerksamen Begleiter und der Blogger dieses Berichts haben das gleich bemerkt.
 
Der Riesenpilz
Nach einer kurzen Pause ging es um den Kaibenkopf (940 m) herum weiter durch einen Fichtenwald. Auch hier waren die Wege schmal, so dass wir nur hintereinander laufen konnten. Toni, ein exzellenter Pilzkenner, bemerkte plötzlich einen riesigen Steinpilz, der etwa 5 m rechts vom Weg herangewachsen war. Ich kletterte den Abhang hinunter, fotografierte das Prachtexemplar und schnitt ihn kurz oberhalb des Waldbodens am Stiel ab. Diesen Pilz nahm dann Ewald in Empfang.
 
Einen solchen riesigen Fichtensteinpilz (Boletus edulis L.) hatte ich bisher noch nie gesehen. Ewald wog den Pilz zu Hause und ermittelte die Masse. Der 18 cm hohe Pilz hatte das stolze Gewicht von 600 g. Der Schirmdurchmesser betrug 21 cm, der untere Stielumfang 28 cm und der obere Stielumfang 19 cm.
 
Nach der Messerattacke auf den Pilz sinnierte ich darüber nach, warum der Pilz Steinpilz heisst. Ich machte mich erst zu Hause im Internet (http://de.wikipedia.org/wiki/Fichtensteinpilz) schlau und erfuhr diese Fakten: Der Steinpilz ist einer der besten Speisepilze. Die deutsche Bezeichnung Steinpilz entstand wegen des festen Fleisches. Das Fleisch ist eines der härtesten unter den Pilzen. Ganz lustig fand ich die italienische Bezeichnung porcino („Schweinchen“). Die Römer nannten ihn suillus („Schwein“). Warum er so genannt wurde, ist unbekannt.
 
Auf dem weiteren Weg zur Kälbelescheuer und später auch beim Abstieg lugten wir immer wieder in den Wald rechts und links neben den Wegen, um weitere Pilze zu entdecken. Wir fanden jedoch nur noch einige Pfifferlinge und Maronenröhrlinge.
 
Herrliche Sicht und ein „Abendgebet“
Das letzten 400 m zur Kälbelescheuer mussten wir über eine geteerte Strasse gehen. Da kamen wir bei herrlichem Sonnenschein etwas ins Schwitzen. Vor der Wirtschaft sahen wir schon eine Menge Autos stehen (die Almgaststätte ist nämlich mit dem Auto von Badenweiler über den Haldenhof gut zu erreichen). Wir erwarteten schon einen Massenbetrieb. Aber wir hatten noch Glück. Es gab kurz vor 12 Uhr auf einer Terrasse und in der Wirtschaft genügend Platz. Von hier oben hatten wir eine phänomenale Sicht auf den Belchen und in das Rheintal bis zu den Vogesen. Die Kälbelescheuer ist ein idealer Ausgangspunkt für Wanderungen und Mountainbiketouren.
 
Die Kälbelescheuer ist ein altes Holzhaus, das mit grauen Schieferplatten gedeckt und mit Sprossenfenstern versehen ist. Auf einem Dachvorsprung prangt ein rosarot eingefärbtes grosses Herz mit der Inschrift: „Herzlich willkommen in der Kälbelescheuer.“ Vor dem Haus befanden sich einige Büsche, ein alter Brunnen mit einem ausgehöhlten Holzstamm, dann etliche aufrecht stehende Holzstammteile, auf denen Blumentöpfe mit Geranien platziert waren. Rechts am Eingang entdeckte ich das Schild „Des Säufers Abendgebet“ mit dieser Inschrift: „Müde bin ich, geh´ zur Ruh´, decke meinen Bierbauch zu; Herrgott, lass den Kater mein, morgen nicht so schrecklich sein. Bitte gib mir wieder Durst, alles andere ist mir wurst.“
 
Nun, auch wir hatten Durst, aber auch Hunger. In der Gaststube tranken und speisten wir ausgiebig. Spezialitäten des Hauses sind selbstgebackene Kuchen und zünftige Vesper. Ich verspeiste ein Käseomelett für 6,20 Euro, während meine Begleiter Wurstsalat, Steak mit Bratkartoffeln und Zieger mit Pellkartoffeln wählten. Ganz amüsant fand ich die doppelten Bezeichnungen für Bratkartoffeln (Prägel und Bratkartoffeln) und für Kräuterquark (Zieger, Bibbeliskäs bzw. Bibilischäs). Die Bezeichnungen waren wohl für die Touristen gedacht, die hier zahlreich aus ihren Urlaubsorten heraufkommen.
 
Wie ich vom jetzigen Betreiber der Almgaststätte Heribert Wiesler erfuhr, wurde die Almhütte 1756 erstmals erwähnt. Sie diente bis 1882 als Viehhütte. Ab 1933 wurde dann eine Almwirtschaft betrieben. Infos gibt es ab Ende August 2010 unter www.kaelbelescheuer.de.
 
Nach etwa 1,5 Stunden Aufenthalt in der urigen Almwirtschaft machten wir uns auf den Rückweg. Bis zum Behaghelfelsen ging es auf dem gleichen Weg zurück; dann wählten wir einen bequemeren Abstieg. Wir kamen an einer Hütte namens „Jägersruh“ vorbei. Schon von weitem fiel mir eine kleine Holzhütte vor der Hütte für Jäger auf. „Das ist bestimmt ein Plumpsklo“ rief ich den anderen zu. Die glaubten es zuerst nicht. Es war tatsächlich ein solches Klo. Die lose vor der Hütte befindliche Tür hängte Toni wieder ein. Er machte dann auch ein Probesitzen und blickte bei geöffneter Tür ins Freie. Diese lustige Szene hielt ich per Foto fest. Ähnliche Klos sah ich übrigens auf einer Almhütte im Tessin und auf einer Almwirtschaft in der Nähe von Brixen in Südtirol. Dort waren jedoch im unteren Bereich Halbtüren angebracht, so dass man bei seinem Geschäft die schöne Landschaft betrachten konnte. Vielleicht hatten die Türaushänger Ähnliches im Sinn.
 
Nach einer kurzen Ruhepause auf 2 Bänken vor der Hütte ging es weiter. Auf dem Weg zum Waldhotel sahen wir immer wieder entlang des Sulzbachs Pflanzen des Indischen Springkrauts. Ich war von den Blüten so fasziniert, dass ich einige schöne Bilder machte. Toni und Ewald waren wohl keine Freunde des Springkrauts, sie rissen demonstrativ einige Pflanzen aus. Wohl deshalb, weil sich das Springkraut (Neophyt) überall ausbreitet und die heimische Flora verdrängt.
 
Bald darauf erreichten wir wieder unseren Ausgangspunkt am Parkplatz des Waldhotels. Dann ging es flugs nach Hause.
 
Ewalds Frau Karin freute sich, als sie die Pilze sah. Sie fabrizierte dann ein Pilzragout mit Sahne, dazu wurden Pellkartoffeln serviert. Ein köstliches Mahl für Pilzfreunde. Am nächsten Tag erkundigte ich mich nach dem Wohlergehen der Pilzesser. Die Beiden waren ganz gut auf dem Damm, wie man so sagt. Sie hatten die Pilzmahlzeit sehr gut vertragen. Im Stillen tat mir der schöne Pilz weh, der imposant alleine im Wald stand und ein herrliches Bild abgab, und dann gnadenlos abgeschnitten wurde. Aber ich tröstete mich. Ich hatte den Pilz wenigstens für die Nachwelt auf einem Foto abgelichtet.
 
  
Literatur
Heimann-Schwarzweber, Annemarie; Geiges Leif: „Kunstführer Markgräflerland“, Mannheim 1986.
Philipp, Dorothee, u. a.: „Kunst, Thermen, Wein“ ( Entdeckungsreisen durch das Markgräflerland), Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg 2009.
 
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