BLOG vom: 19.11.2010
Spiegelmeisen im Anflug: Suche nach dem Winterquartier
Autorin: Rita Lorenzetti, Zürich-Altstetten
In der Wiese vor unserem Küchenfenster steht ein zierlicher Baum, eine Schönheit. Sein Name ist Cornus Kousa: Japanischer Blüten-Hartriegel.
Im Frühling bezaubert er uns mit seinen weissen Blüten, im Herbst mit den leuchtend roten Blättern. Jetzt ist er entlaubt und strahlt immer noch Schönheit aus. Er ist gesund, Stamm und Äste lassen an einen Tänzer denken.
Neuerdings tummelt eine Sippe Spiegelmeisen auf ihm herum. Die Vögel scheinen vergnügt zu sein. Als wir hier einzogen, waren die Rabenkrähen und Elstern die Platzhirsche. Die Amsel hörten wir singen. Andere Vögel nahmen wir nicht wahr.
Als ein Maschenzaun die Landbesitzverhältnisse zwischen den Wohnhäusern sichtbar machen musste, verschwanden die Vögel. Vordem stand ihnen ein weiter Landeplatz zur Verfügung. Vielleicht wurde es diesen grossen Vögeln hier dann zu eng. Nun sind also die kleinen da. Und sie suchen Nistplätze.
Seit 2 Wochen pocht der Anführer dieses Clans täglich an mein Küchenfenster. Er will den Zugang zum Rollladenkasten-Innenraum erobern. Und wir stellen uns quer. Hier hätten sie kein ruhiges Zuhause; denn die Fenster einer Küche werden immer wieder gekippt oder geöffnet und je nach Wetter die Rollladen heruntergelassen oder hochgezogen. Wir hatten diesen Vogel Tage vorher schon auf dem Balkon beobachtet. Hier forschte er nach einem Schlupfloch im Bereich des Sonnenstorens. Sofort erinnerte ich mich an den Blog vom 09.09.2010 „Von tachistisch veranlagten Spatzen und vom Bauschaum“ von Walter Hess, der diesbezügliche Folgen beschrieben hat.
Wir deckten dann alle für ihn möglichen Stolleneingänge mit Klebeband ab. Er aber blieb beharrlich, suchte einfach weiter. Wie ich jetzt gehört habe, werden alle Bewohner in unserem Haus von der Ostseite her attackiert. Überall hämmert dieser freche Wicht auf den Beton ein, und wenn sich nichts bewegt, klopft er an die Fensterscheiben. Obwohl ich ihm schon oft sagte, hier sei er am falschen Ort, die Bedingungen ungeeignet, kommt er doch täglich wieder. Es gibt Menschen, von denen gesagt wird, sie könnten mit den Vögeln sprechen. Ich gehöre definitiv nicht dazu, werde nicht verstanden.
Anfänglich hatte er bereits Federn für ein Nest mitgebracht und diese auf dem Fenstersims deponiert. Es beeindruckt mich, wie kämpferisch und mutig dieses Wesen ist.
Eine weitere Erfahrung: Vor ein paar Tagen machte ich nach dem Frühstück das Fenster erneut dicht. Den Sonnenaufgang zu beobachten, hatte ich mir noch gegönnt. Dann nahm ich die Düsternis in Kauf und zog den Rollladen herunter. Zwangsläufig brauchte ich dann elektrisches Licht. Als ich den Stecker kippte, leuchtete die Lampe kurz auf, und mit leisem Zischen gab sie sogleich den Geist auf. Die reinste Kabarett-Nummer!
Jetzt lasse ich einfach allem den Lauf, warte darauf, dass meine konsequente Haltung hier einen Nestbau verhindern kann. Die Rollladen-Einstiegstellen sind zugeklebt. Wer gewinnt? Bringt es der Vogel fertig, das klebrige Band wegzuzerren und sich dahinter einzurichten? Dann lasse ich ihn vielleicht gewähren. Oder bewirken unsere Barrieren, dass die Vögel merken, dass dieser Ort für sie ungünstig ist? Zu nahe bei den Menschen, die ihnen aber grundsätzlich gut gesinnt sind.
Im Augenblick ist noch nichts entschieden.
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