BLOG vom: 02.12.2010
Basler Zeitung: Der Knochenschwund am engen Rheinknie
Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
„Freie Getränke, freie Sandwiches, freie Presse."
Molley Luther im Hollywood-Film „Grosse Lüge Lylah Clare"
von Robert Aldrich
Während der Zeit des Absolutismus im 16. Jahrhundert wurde die Aufgabe der Zeitungen darin gesehen, der Regierung zu dienen und die Herrschaft zu stabilisieren. Innerhalb dieses Autoritarismus-Modells bedurfte die Herausgabe eines Druckorgans einer staatlichen Lizenz (eines Patentes), und was publiziert wurde, unterlag der staatlichen Zensur. Kritik war nicht vorgesehen, wurde nicht geduldet. Die Presse diente also vorrangig den Herrschenden und erst in 2. Linie der Bevölkerung, heute den Inserenten. Leser sind eher lästig, aber Inserenten wollen Auflage.
In der Alten Eidgenossenschaft (Schweiz) galt dieses Modell bis 1798; es bestand auch im zaristischen Russland und unter den faschistischen Regierungen in Spanien und Portugal. Die Liste könnte endlos verlängert werden bis zum US-Hofberichterstattungssender CNN.
Der englische Dichter und Staatsmann John Milton (1608–1674) hat geschrieben, man könne die Geister nicht einsperren. Ja, wer eingesperrt ist, versucht zumindest den Ausbruch, möchte man bestätigend beifügen. Es sei an der Zeit, über alle öffentlichen Dinge frei zu sprechen und zu schreiben, sagte Milton ebenfalls. Am Ende werde die Wahrheit siegen. WikiLeaks bestätigt das gerade in diesen Tagen mit der Publikation der in schnoddrigem Ton abgefassten, überheblichen Geheimdokumente aus den US-Botschaften in aller Welt, die eine an sich bekannte Haltung untermauern. Es darf fröhlich spekuliert werden: Gibt es Mächte, die dem Westen schaden wollen und das Material beschafft und an WikiLeaks weitergereicht haben? Steckt vielleicht gar China dahinter? Kommen auch Russland und China unter die Wikileakt-Räder? Ist die Jagd auf den WikiLeaks-Gründer Julian Assange mit Vorwänden, die an Fadenscheinigkeit kaum zu übertreffen sind, ein Teil des Spiels? Man hat inzwischen einsehen müssen, dass die Weltpolitik oft verschlungene, dubiose Pfade einschlägt, Lug und Trug inbegriffen. Doch dies nur nebenbei.
Milton schuf das Liberalismus-Modell. Das war die Geburt der Pressefreiheit, die lange Zeit ein Privileg des Westens war: Die Medien waren im Idealfall Diskussionspartner der Regierenden und nicht Propagandainstrumente. Das war einmal. Denn solche Freiheiten werden durch Einschüchterungen oder ein anpasserisches Verhalten der Medienschaffenden tangiert, beziehungsweise illusorisch. Daraus entwickelte sich das Sozialverantwortungs-Modell, das Robert Lembke schon früh exakt erkannt und definiert hat: „Pressefreiheit ist das Recht, Lügen zu drucken, ohne dazu gezwungen zu werden.“ Den Begriff Public Relations konnte er noch nicht kennen.
Aargauer Zeitungsgeschichte
Die Turbulenzen rund um die „Basler Zeitung“ waren für mich ein Anlass, über moderne Verirrungen innerhalb des publizistischen Tummelfelds generell nachzudenken, über Vorgänge, die ich während meiner über 40 Jahre dauernden redaktionellen Tätigkeit hautnah oder als kritischer Beobachter miterlebte. Am Beispiel der Vorgänge im sympathischen Retortenkanton Aargau, der einen weitgehend repräsentablen Charakter für die Schweiz hat, möchte ich dies aufgrund der Ereignisse in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts kurz tun.
Noch in den 1950er-Jahren hatte sozusagen jede Partei und jede Region ihre eigene Zeitung; ich redigierte im oberen Wynentaler das „Wynentaler-Blatt“, das erfreulicherweise noch heute existiert. Auf kantonaler Ebene herrschten das „Aargauer Tagblatt“ (AT), an dem ich anschliessend rund 25 Jahre mitwirkte, und das „Badener Tagblatt“ (BT) vor, welche den westlichen bzw. östlichen Kantonsteil abdeckten. Sie betrieben eine liberale (freisinnige) Politik und waren für anderes Gedankengut offen; Kommentare und Gastbeiträge mit erfrischenden Gedanken wurden gern gesehen. Die beiden Blätter fusionierten 1996 zur „Aargauer Zeitung“, wobei das, was seinerzeit als „Fusion“ bezeichnet wurde, eine Übernahme durch das BT war, wie bald einmal offensichtlich wurde.
In der Kantonsmitte sammelte das „Brugger Tagblatt“ Abonnenten, bis es 1969 zum AT-Kopfblatt wurde. Den Westen des Kantons beackerte das robuste „Zofinger Tagblatt“. Doch der Konzentrationsprozess dauerte an: Seit 2001 kooperieren die „Aargauer Zeitung“ und das „Zofinger Tagblatt“ mit der „Solothurner Zeitung“ und dem „Oltner Tagblatt“ unter dem Namen „Mittelland Zeitung“. Als Zeitungsnutzer verliert man allmählich den Überblick über den einebnenden Fusionsmischmasch, und hat einfach das Gefühl, abgesehen vom Lokalteil stehe überall dasselbe drin.
Die Sozialdemokraten hatten ihren „Freien Aargauer“, die Katholiken ihr „Aargauer Volksblatt“ (AV). Die Bauern- und Bürgerpartei erwarb 1924 die „Schweizer Freie Presse“ in Baden und führte sie von 1938 bis 1972 als „Aargauische Bauern- und Bürgerzeitung" weiter; aus der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB) ging 1971 die Schweizerische Volkspartei hervor. Sie brachte ihre Anliegen bei den bürgerlichen Blättern unter. Auf nationaler Ebene geniesst sie heute vor allem von der „Weltwoche“ Unterstützung, die betont neben dem medialen Hauptstrom operiert.
Der Blätterwald war ehemals sehr dicht, ein Zustand, der beim Aufkommen des Fernsehens und allgemeiner Rationalisierungsbestrebungen nicht mehr aufrecht zu erhalten war. Am meisten Probleme hatte vorerst die sozialdemokratische Presse, die ihr Profil nach dem Parteibuch ausrichtete und sich für die berechtigten Interessen der Arbeitnehmerschaft einsetzte. Verirrungen in Richtung Globalisierung waren noch nicht möglich. Das Problem der SP-Zeitungen war der akute Inseratemangel, weil Werbeagenturen die kaufkräftigen Leute nicht in diesem Bereich orteten. Autoverkäufer, um ein prägnantes Beispiel zu nennen, priesen ihre Vehikel lieber in den wohlhabenderen bürgerlich orientierten Zeitungen an.
So musste der am 01.05.1906 gegründete „Freie Aargauer“ am 30.04.1987 nach einem jahrelangen Überlebenskampf nach 81 Jahren seinen Geist aufgeben. Er war als ein ausgesprochenes Kampfblatt gegen den allmächtigen Freisinn angetreten, verkündete selbstbewusst den Untergang des politischen Gegners: „Der einstige stolze Freisinn der aargauischen Radikalen treibt dem moralischen Bankrott entgegen, er ist faul bis ins Mark und unfähig, an der Lösung der grossen brennenden Tagesfragen mitzuarbeiten. Unser einst vorbildlicher Kanton ist zu einer Hochburg der Reaktion geworden“. Die Genossen sahen einen Sieg des Sozialismus voraus, mässigten ihre Ausdrucksweise allmählich, als er sich nicht so recht einstellen wollte, und ihr Blatt ging unter. Der Sozialismus wird im neuen schweizerischen SP-Parteiprogramm gerade wieder heraufbeschworen,eine letzte Zuckung.
Auch die katholische Tagespresse geriet zunehmend in ein schwarzes Loch; das AV gab 1992 auf, was selbstverständlich auch mit der sich ausbreitenden Säkularisierung zu tun hatte, worunter auch die die Christlich-demokratische Volkspartei (CVP) zu leiden hat, heutzutage besonders. Das himmelhohe C, das einst ein Ehrfurcht gebietendes Symbol war, wurde allmählich zur Hypothek (siehe priesterliche Pädophilenskandale, weltfremde, frauenverachtende Vatikan-Politik usw.).
Beispiel „Basler Zeitung“
Summa summarum: Im Markt der Tageszeitungen blieben am Ende nur noch einige Fusionsprodukte übrig – das trifft auch auf die Stadt Basel zu, wo die „Basler Zeitung“ aus der Ehe zwischen den „Basler Nachrichten“ und der „National-Zeitung“ hervorging. Die ineinander verschmolzenen Schweizer Zeitungen richten sich, um die Sache auf diesen Aspekt zu reduzieren, an Menschen aus dem ganzen politischen Spektrum, um alle als Abonnenten zu gewinnen. Je mehr Abonnenten, desto mehr Inserate. Das heisst, sie wollten sich in der unmöglichen Kunst üben, es aus Auflagegründen allen recht zu machen. Aus diesem Bemühen heraus kam es zu einem unbeholfenen Umherschwirren in der politischen Mitte, wobei dieses Zentrum allerdings nicht genau lokalisierbar ist. Die Marketingabteilungen, die in den Medienhäusern allmählich Oberhand erhielten und bewährte Erfolgsrezepte zu Makulatur werden liessen, betätigten sich als aktive Zerstörer. Die Verleger ihrerseits ersetzten erfahrene Redaktoren durch junge Allrounder, die eher dem linken Gedankengut zuneigen, reduzierten den redaktionellen Bestand, machten aus den Redaktoren Textverwalter, deren Talente eher im Zeilenzählen und Bildbeschneiden als im Schreiben und kritischen Nachdenken liegen mussten. Die Branche ging von der Einzelhaltung in Käfigen, worin man noch seinen Gedanken ungestört nachgehen konnte, zur Bodenhaltung in Grossraumbüros über. Natürlich kam dabei ausser einem akzentuierteren Linkskurs nicht mehr viel Schlaues, im Zusammenhang Erläuterndes heraus. Sondern Kurzfutter. Vorgekaut und ohne Nährwert.
An diesem Punkt der Überlegungen kommt man nicht umhin, auch im Lichte der Basler Ereignisse auf die Erfahrungen mit dem traurigen Schicksal der sozialdemokratischen Presse hinzuweisen. Andersdenkende werden vertrieben, die Werbung wird umplatziert, und wahrscheinlich wirkt sich dies auch auf den Auftragsbestand in den Druckhäusern aus, wenn die unter dem gleichen Dach erscheinenden Zeitungen als Aushängeschilder täglich ihren Linksdrall bekunden und sich als Bollwerk gegen alles Rechtslastige aufspielen.
Damit wären wir bei der „Basler Zeitung“ im Speziellen angelangt, die das, was in der heutigen Presselandschaft an der Tagesordnung ist, einfach besonders prägnant zur Schau gestellt hat. Der Halbkanton Basel-Stadt war, abgesehen von der Zeit des Kalten Kriegs, im Prinzip ein sozialdemokratisch beherrschtes Gebiet. Heute hat die SP die Absolute Mehrheit im Grossen Rat, was es sonst in keinem der Schweizer Kantone gibt. Die Liberaldemokratische Partei des „Daigs“, der wohltätigen Basler Reichen namens Oeri, Sarasin oder Merian, kann da zahlenmässig nicht mithalten – höchstens beim Bezahlen und mit dem Mäzenatentum, das ihre wohlhabenden Mitglieder betreiben.
Obschon die Bevölkerungsmehrheit und der politische Linksdrall des halbkantonalen Monopolmediums übereinstimmten, stellte sich das Debakel ein. Verleger Martin Wagner musste für die Zeitung und die gesamte dahinserbelnde Basler Zeitung Medien-Gruppe (BZM) eine Lösung finden, zumal auch Druckaufträge auf sich warten liessen. Der Tessiner Financier Tito Tettamanti übernahm im Februar 2010 nicht weniger als 3 Viertel der BZM, 1 Viertel blieb bei Wagner.
Da die Redaktion erwiesenermassen keine erfolgreiche Zeitung zu machen verstanden hatte und stattdessen eine Medienmumie schuf, wurde Markus Somm, vorher Vize-Chefredaktor der rechtsbürgerlichen und erfolgreichen „Weltwoche“, an die Zeitungsspitze berufen. Protestgeheul. Die Basler lasen erstmals auch pointierte bürgerliche Kommentare, was sie zutiefst erschütterte. Sie waren an ihren Meinungseintopf gewöhnt, aber nicht an so etwas.
Somm ist ein ausgezeichneter Rechercheur und hervorragender, profilierter Schreiber, hatte allerdings das „Verbrechen“ begangen, eine Biografie über den SVP-Politiker und abgewählten Bundesrat Christoph Blocher zu schreiben, was doch nicht ungestraft bleiben kann ... Für das Linksspektrum (und über dieses hinaus) ist Blocher ein Buhmann, obschon er massgebend daran beteiligt war, die Schweiz vor dem Einzug in die Europäische Gemeinschaft (EU) mit all den verheerenden Folgen zu verschonen, obschon er eine staatserhaltende Partei, die zur Unabhängigkeit der Schweiz steht, zur stärksten politischen Kraft im Lande machte und als Bundesrat eine kompetente Arbeit leistete. Bei der medial zur Linksorientierung umerzogenen Gesellschaft wurde er zur Persona non grata.
Man darf zwar SVP wählen und ihre Ideen unterstützen, wie dies ein wachsender Teil des Schweizervolks tut, aber man darf nicht öffentlich sagen, dass man die SVP als ebenso dringend nötige politische Kraft (wie auf der anderen Seite die SP) empfindet und es weitgehend der SVP zu danken ist, dass die Schweiz mit ihrer Unabhängigkeit und Unangepasstheit heute als Erfolgsmodell in der globalisierten Landschaft steht. Es genügt schon, Blocher nicht herunterzumachen, um bei dem linkslastigen Klima, zu dem während Jahrzehnten auch die Literaten und die Alt-68er, die sich nicht mehr weiterentwickelt haben, beitrugen; diese hätten die Schweiz am liebsten abgeschafft. Wer Blocher nicht verteufelt und ausgrenzt, hat in der öffentlichen Diskussion heute einen schweren Stand – das ist nicht die Denk-und Meinungsfreiheit, die ich meine.
Das Engagement Somms warf, abgesehen vom Basler Daig, höhere Wellen als sie das Rheinknie je hervorzubringen vermöchte. Daraus wurde offensichtlich, dass der neue Mehrheitsbesitzer Tettamanti eine gewisse Verschiebung des Redaktionskurses nach rechts anstrebte, was der festgefahrenen, am linken Abgrund operierenden BaZ nur hätte gut tun können. Aber Basel ist bei aller vorgeschützten Weltoffenheit halt schon eng, provinziell im negativen Sinne, wie ich während meiner Jahre in der dortigen chemischen Forschung selber festgestellt habe. Wer nicht spurt, wird ausgegrenzt. Tettamanti, der in Basel faktisch mit einem Redeverbot belegt wurde, sprach in einem Interview von einem Klima der Intoleranz, des Hasses und der Borniertheit. Er sagte noch: „Hierzulande stelle ich fest, dass viele Journalisten aus Bequemlichkeit dazu neigen, mit dem Strom zu schwimmen. Es überwiegt die Furcht, eine andere Meinung zu vertreten als die Masse. Ich bin ein bekennender Gegner der Political Correctness.“
Das von einer ausgesprochenen Schlagseite nach links in der Landschaft stehende Basler Fass überlief, als Tettamanti und Wagner den Christoph Blocher über dessen Firma Robinvest als Berater beriefen, um die Firma aus den roten Zahlen herauszuführen. Die Redaktion der „Basler Zeitung“ (BaZ) wollte sich bei ihrem Untergangskurs nicht stören lassen und schrieb einen Offenen Brief. Darin steht, die „politische Einflussnahme“ auf die BaZ gefährde die Glaubwürdigkeit und die journalistische Unabhängigkeit und damit das höchste Gut einer Zeitung. Die „Instrumentalisierung“ der BaZ schade dem Image der Zeitung. Dabei ging es laut Tettamanti/Wagner ausschliesslich um die organisatorische und strategische Ausrichtung des Unternehmens, um es vor weiteren Verlusten zu verschonen. Von einer Involvierung Blochers in die BaZ könne keine Rede sein.
Doch in diesem rudeljournalistisch vergifteten Klima mochten Tettamanti und Wagner nicht mehr weitermachen. Der ganze Laden wurde an den Basler Unternehmer und Crossair-Gründer Moritz Suter verscherbelt. Suter wurde alleiniger Besitzer des Medienunternehmens und Verleger der BaZ. Er übernahm zudem das Präsidium des Verwaltungsrates und begann sogleich, für das Gremium weitere Leute zu suchen. Das Robinvest-Mandat wurde aufgekündigt.
In ihrem Offenen Brief hatte die BaZ-Redaktion geschrieben, mit einem möglichen Stellenabbau, wie dieser zu erwarten war, wäre der Fortbestand der BaZ nicht mehr gewährleistet. Und nun schliesst auch der neue BaZ-Verleger Moritz Suter einen Stellenabbau in nächster Zeit nicht aus. Wie er in einem Exklusiv-Interview gegenüber Radio Basel sagte, müsse er alle Optionen prüfen. Auch ein Umzug der Redaktion sei nicht tabu – aber schwierig. Die Basler Zeitung habe an ihrem Sitz am Aeschenplatz in Basel einen festen Mietvertrag bis ins Jahr 2016, so Suter. Eine grosse Belastung seien auch die Schulden des Konzerns und die Zinskosten.
Wenn ein Basler wie Suter von Stellenabbau redet, wird das geschluckt; schon 2009 hatte die BaZ rund 30 Redaktionsstellen gestrichen. Und Markus Somm hat eine weitere Stellenreduktion auf Redaktionsebene angekündigt. Das Resultat ist dasselbe. Moritz Suters Beliebtheit – er macht einen aufrichtigen, väterlichen und kompetenten Eindruck – nahm den Wind aus den Basler Segeln. Ob die „Baslair Zeitung“, wie sie der Karikaturist „Swen“ in der „Aargauer Zeitung“ bezeichnete, ohne Wind besser fliegt? Es gibt neben dem Gegen- ja auch den Rückenwind. Inzwischen kann sich der Stadt-Halbkanton langsam an ein breiteres Meinungsspektrum gewöhnen und so vielleicht das standardisierte Schicksal der SP-Presse noch im letzten Moment abwenden.
Das Aufblühen der Intoleranz
Bemerkenswert scheint mir das Klima der Intoleranz, das sich selbst in der Schweiz zunehmend ausbreitet. Das Polarisieren, das heisst die Herausbildung von Gegensätzlichkeiten, das die Grundlage für weiterführende Diskussionen sein darf, wird zunehmend als feindlicher Angriff empfunden, der zu unterbinden ist. Sogar demokratisch rechtmässig zustande gekommene Volksentscheide wie jener zur Ausschaffungsinitiative wurden in den Städten Zürich und Bern mit Randalen und Sachbeschädigungen quittiert – als ob die einfältigen Chaoten hätten beweisen wollen, dass es eines härteren Vorgehens gegen kriminelles Verhalten bedarf.
Die Demokratie ist ebenso wie die Mediokratie ein ständiger Lern- und Anpassungsprozess. Dabei geht es nicht mehr um eine Stabilisierung der Herrschaftsverhältnisse wie einst, sondern vielmehr um die Erhaltung einer funktionierenden Demokratie, die auf dem Erdenrund zur Rarität geworden ist. Nach der Einebnung der Medienlandschaft darf es nicht auch zu einem Kampf gegen die Meinungsvielfalt kommen. Auseinandersetzungen sind nötig, sicher aber nicht in Form von Sachbeschädigungen durch vermummte Personen im Tränengasnebel und Gummischrothagel.
Eine Demokratie nach Schweizer Muster braucht diese primitive Art der Meinungsbildung nicht, mögen Krawalle noch so telegen sein. Wir dürfen uns nicht zur Inszenierungsgesellschaft entwerten, die auf der Verblödung gedeiht. Dazu gehört, dem Andersdenkenden Respekt entgegen zu bringen, auch wenn man seine Gedankengänge nicht nachvollziehen kann. Wer Querflöte spielen möchte, darf und soll das tun.
Die Kommentare vieler ausländischer Medien auf die CH-Abstimmungsresultate vom 28.11.2010 lassen erkennen, dass die demokratische Formen in der Schweiz auch von aussen bedroht sind, besonders aus jenen bedauernswerten Ländern, die aus dem amerikanisierten Brüssel ferngesteuert sind. Solch bedenklichen Zeitzeichen sollte man in der Schweiz nicht durch ein selbstzerstörerisches Verhalten noch Vorschub leisten.
Retter vom Format eines Moritz Suter sind Raritäten – was nichts über den Rettungserfolg aussagt.
Hinweis auf weitere Blogs zum Thema Zeitungssterben von Walter Hess
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