Textatelier
BLOG vom: 27.12.2010

UBS-Dressguide: Gegen rote Unterwäsche, Haarwildwuchs

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Die Schweizer Grossbank UBS hatte kürzlich für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein aussergewöhnliches Geschenk parat: Es war kein Geschenk der üblichen Art, sondern eine 50-seitige Dienstanweisung mit dem Titel „UBS Corporate Wear Dressguide für Damen und Herren“. Damit wird den Angestellten eingebläut, dass die korrekte Kleidung eine „wichtige Komponente der nonverbalen Kommunikation“ ist, was zweifellos zutrifft.
 
Den Damen und Herren der Bank wird eine professionelle und klassische Bekleidung in dunklem Anthrazit (Corporate Wear) verpasst, eine Art von Uniformierung. Diese Kleider müssen Mitarbeiter der Rezeption, Mitarbeiter am Beratungsdesk/Tresor, Mitarbeiter der Sicherheit/Bewachung, Mitarbeiter des Limousinenservices und Event Attendants tragen. Eine persönliche Freiheit der Kleiderwahl ist diesen nicht erlaubt. Auch die Pflegehinweise müssen penibel eingehalten werden. Was nützt eine schöne Bekleidung, wenn diese nicht gehegt und gepflegt wird? Die meisten Tipps und Tricks lesen sich so, als hätten die Mitarbeiter noch nie etwas von Pflege, einem ästhetischen Make-Up und vom richtigen Anziehen von Kleidungsstücken gehört.
 
Bei einem Ausscheiden aus der Bank muss die Kleidung zurückgegeben werden. Mancher wird vielleicht mit dem Gedanken spielen, die Kleidung auch privat zu tragen. Aber da ist er auf dem Irrweg: Das private Tragen ist nicht erlaubt.
 
Die Bank will mit der Verordnung und der angemessenen Kleidung erreichen, dass ihre Mitarbeiter Kompetenz und Seriosität ausstrahlen. „Ein perfektes Äusseres kann innere Ruhe und Sicherheit schaffen“, liessen die Verantwortlichen der Bank verlautbaren.
 
Betrachten wir einmal genauer, was Frauen und Männer tragen dürfen und was nicht:
 
UBS Corporate Wear für Frauen
Die Kleidung besteht aus 5 Uniformteilen, Blusen und Accessoires. Es ist genau vorgeschrieben, wie man diese anzuziehen hat. Blusen dürfen nur in der Hose oder im Jupe getragen werden. Die Blusen sollen nicht über der Brust spannen oder gar aufklaffen, „das sieht billig aus“. Der reizende Blick aufs Dekollete bleibt dem Kunden verborgen. Der Kunde soll ja nicht abgelenkt werden, sondern sich um seine Geldanlagen kümmern.
 
Unter der Bluse darf nur hautfarbene Leibwäsche getragen werden. Also nichts in Rot oder einer anderen aufreizenden Farbe. Die Damen sollten auch nicht den Hals schminken, da ein Make-up in diesem Bereich zur Streifenbildung neigt. Das sieht unappetitlich aus, wie die Bank zutreffend betont – und nicht nur in den Bankhallen, wie dem beizufügen ist.
 
„Zeig mir deine Schuhe, und ich sage Dir, wer Du bist“, ist eine bekannte Redensart und gilt im Besonderen bei der UBS. Gefragt sind passende, hochwertige, geschlossene Pumps in Schwarz. Auch die Absatzhöhe ist vorgeschrieben, sie soll höchstens 7 cm betragen. Tabu sind offene Schuhe in Kombination mit der Corporate Wear. Die Schuhe werden übrigens nicht durch die UBS finanziert.
 
Tipps und Tricks zur Schuhpflege werden ebenfalls geliefert. So sollten die Schuhe regelmässig geputzt, poliert und die Absätze müssen erneuert werden („abgelaufene Absätze können das Erscheinungsbild ramponieren“). Nach dem Tragen sollten die Schuhe mit einem Schuhspanner gespannt oder mit Papier ausgestopft werden. „Gönnen Sie dem Schuh doppelt so lange Pause, wie Sie ihn getragen haben, damit das Leder trocken und sich erholen kann.“ Es wird in durchaus sinnvoller Weise geraten, nicht zu kleine Schuhe zu tragen, da diese Schmerzen bereiten und „ein gequältes Lächeln“ erzeugen. Sonst würde so mancher Kunde aus lauter Mitleid die Bank wohl verlassen ...
 
Auffälliger Schmuck wie Pearcings, sichtbare Tattoos oder Kettchen am Fussgelenk sind verpönt. Erlaubt sind ein schlichter Ehering, falls vorhanden, eine dezente Uhr (die Rolex-Uhr darf zu Hause bleiben), eine unauffällige Brille, Ohrringe, ein weiterer Ring, eine Kette oder ein Armreif als Blickfänger.
 
Ich sehe immer wieder in Geschäften Leute, die eine Halskette mit einem Kreuz oder einem anderen religiösen Motiv tragen. Auch das ist aufgrund der internationalen Kundschaft in der Bank selbstverständlich nicht gestattet.
 
Tipps gibt es auch zur Pflege von Haut und Haar. Gern gesehen wird ein leichtes Tages-Make-up. Wer in der Bank Kunden empfängt, muss natürlich auch gepflegte Hände und Fingernägel vorweisen. Die Fingernägel sollten jedoch nicht zu lang sein. Das Haar darf nicht zu auffällig gefärbt sein. Jede Trägerin muss darauf achten, dass bei gefärbten Haaren der Ansatz frühzeitig nachgefärbt wird.
 
Bei Damen und Herren ist natürlich auch ein frischer Atem gefragt. Knoblauch- und Zwiebelfans haben schlechte Karten; hier scheint das Gesundheitsbewusstsein an seine Grenze zu stossen. Das UBS-Personal muss seinen Genuss der würzig duftenden Knollen auf das Wochenende vertagen.
 
Auch dies hatten die Macher des Guides nicht vergessen: Die Strümpfe sollten keinesfalls blickdicht sein, kein Netz- oder Fantasiemuster haben und auch keinen extremen Glanz aufweisen. Auch hier dachte wohl die Bank an ihre lieben Kunden: Sie könnten durch diese Strümpfe abgelenkt werden und auf falsche Gedanken kommen.
 
Den Damen wurde geraten, Parfüms und Deos nur dezent anzuwenden. „Der Parfümduft sollte erst bei einem Abstand von einer Armlänge und weniger wahrnehmbar sein“, so die Empfehlung. Auch hier folgen Tipps und Tricks über das richtige Parfümieren, aber auch solche über die Kleiderpflege. Die Uniformteile sollen nach dem Tragen nach Möglichkeit im Freien aufgehängt und möglichst 2 Tage ruhen. Bei Hosen und Jupes ist eine regelmässige Aufdämpfung notwendig.
 
UBS Corporate Wear für Herren
Der UBS-Banker trägt einen klassischen 2- bis 3-teiligen Anzug, kombiniert mit 3 verschiedenfarbigen Hemden. 2 UBS-Krawatten komplettieren die Garderobe.
 
Auch beim Mann folgen exakte Anweisungen zur Kleiderordnung: Die Hosen sollten immer eine frische Bügelfalte haben. Vollgestopfte Jackentaschen und ein dicker Geldbeutel in der rückwärtigen Hosentasche „zerstören das Profil“. Hier werden die Boni zur Belastung.
 
Auf eine korrekt gebundene Krawatte wird grosser Wert gelegt. Wer seine Krawatte noch nicht richtig binden kann, findet in der Kleiderordnung eine bildliche Darstellung zur Bindetechnik (Four-in-Hand, Windsor einfach und Windsor doppelt). Eine korrekt gebundene Krawatte berührt mit ihrer Spitze exakt die Gürtelschnalle.
 
Nun, eine Krawatte trage ich selber höchst ungern. Nur zu besonderen Anlässen. Nach Abnahme dieses Schmuckstücks hänge ich sie in den Schrank auf einen Bügel. Das wird nach der Entknotung auch den UBS-Bankern erlaubt. Die Krawatte kann jedoch auch zusammengerollt werden. Danach sollte man der Krawatte einen Tag Ruhe gönnen, eine Art Auszeit ... Das war mir neu.
 
Es dürfen nur geschnürte Schuhe ohne Schnallen und grobe Verzierungen getragen werden. Die Schuhe müssen, wie bei den Bestimmungen für Damen schon erwähnt, entsprechend gepflegt werden. Achtung: Die Schuhe soll man unbedingt mit einem Schuhlöffel anziehen. Grund: Das schont die Fersenkappen, die Socken verrutschen nicht und schlagen keine Falten.
 
Natürlich darf der Banker nicht unrasiert oder mit einem 3-Tage-Bart erscheinen. Der Vorgesetzte würde bei einem Haarwildwuchs ungehalten. Der Banker soll auch öfters zum Frisör gehen, um das Haupthaar schneiden zu lassen (zirka alle 4 Wochen).
 
Selbst die richtige Körperhaltung wird den Angestellten ans Herz gelegt. „Die Wirkung, welche wir auf andere ausstrahlen, macht lediglich 7 % des Gesagten aus. Der Rest entfällt auf Erscheinungsbild (55 %) und Körperhaltung sowie Mimik/Gestik (38 %).“
 
Dann kommt auf Seite 47 noch eine Empfehlung: Man sollte auf keinen Fall bei Gesprächen die Hände in den Taschen vergraben und auch keine anzüglichen Gesten im Bereich des Unterkörpers machen. Wirklich, das wäre schon unter der Gürtellinie.
 
Auch das Lächeln wird empfohlen, denn „ein Lächeln im Gesicht fördert die Durchblutung und versorgt das Gehirn mit mehr Sauerstoff. Dies hat wiederum Einfluss auf die Produktion von Glückshormonen.“
 
Deutsche Vorschriften
Bei uns in Deutschland gibt es für Banker ebenfalls eine empfohlene Kleiderordnung. Sie ist nicht so akribisch geregelt wie bei der UBS. Dazu ein deutscher Banker: „Wenn die UBS nicht mit ihrer Bilanz glänzt, glänzt sie wenigstens mit ihrem Erscheinungsbild.“
 
Niklas Arnegger schrieb in einem Kommentar in der „Badischen Zeitung“ vom 19.12.2010 ein passendes Schlusswort über das Bemühen der Grossbank um Seriosität und den rigiden Dresscode dies: „Der Kunde geht gerne hin. Schliesslich findet er es einfach schöner, wenn sein Geld mit Stil verzockt wird.“
 
Das ist natürlich nicht die Absicht der Bank. Sie möchte mit dieser Kleiderordnung und sonstigen Benimm-Regeln wieder ein seriöses Image anstreben.
 
Persönlich finde ich den Dressguide für Damen und Herren übertrieben. Die Mitarbeiter sind in ihrer persönlichen Freiheit bei der Kleiderwahl bis zur Unterwäsche wohl allzu sehr eingeschränkt, bei allem Respekt vor Massnahmen gegen ein schlampiges Erscheinungsbild.
 
Internet
www.badische-zeitung.de („Hautfarbene Slips und schwarze Socken: Grossbank UBS erlässt Dresscode“)
 
Schrift
UBS: „Corporate Wear Dressguide für Damen und Herren“, 2010.
 
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