BLOG vom: 14.02.2011
Mediales Geplapper: Was Moderatoren alles wissen wollen
Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
Die Medienprogramme werden heute im Wesentlichen durch Moderatoren beeinflusst. Das sind meist junge, aufgestellte Leute, die einleitende und verbindende Worte von sich geben, einfach irgendetwas, was ihnen gerade so in den Sinn kommt: Dampfplauderer, die lauwarme Luft in die Bläue des kommunikativen Himmels verströmen, meist ein belangloses Geschwafel. Von Radio DRS (Schweiz) wird das mit Publikumsnähe verwechselt – oder wie es auf der Radio-Webseite heisst: „Service public von höchster Qualität.“ So sagte die muntere, sympathische Moderatorin Joëlle Beeler am 11.02.2011 den Wetterbericht mit dem Hinweis darauf an, dass sie am selbigen Morgen mit Frühlingsfühlen im Bauch Vogelgezwitscher gehört habe. Und sie wiederholte das 10 Minuten später nochmals, damit auch Hörer-Frischlinge nicht ohne dieses Wissen dahinkümmern mussten: Sie habe am Morgen wirklich Frühling verspürt, repetierte sie. Solche Details können ja reizvoll sein – das Ganze ergibt sich aus Details. So weiss ich jetzt wenigstens, was sich in Frau Beelers Bauch abspielt. Man darf ihr Talent nicht unterschätzen: Sie ist eine der wenigen Radioschaffenden, die erkannt haben, dass etwas Regen der Natur manchmal gut tun könnte.
In dieser Höhenlage bestimmen die Moderatoren den Ablauf einer Sendung, zu deren Inhalt, der den Namen verdienen würde, sie meistens nichts Wesentliches beigetragen haben – die Ausnahmen, die über ein umfangreiches Wissen (wie etwa über den Nutzen von Niederschlägen für die Natur) verfügen und sich thematisch gründlich vorbereiten, mögen sich bitte nicht betroffen fühlen. Für jeden Fall haben sie ihre Experten abrufbereit, Leute also, die je nach der politischen oder wissenschaftlichen Couleur gerade ins Grobkonzept der Medienmacher passen. Und damit es sich zum Beispiel ein Radiomoderator noch einfacher machen kann, lässt er die Fragen vom Publikum stellen, wobei neben dem Handy auch die patente Einrichtung der E-Mails mithilft. So kann er sein Moderiertalent in der Managerpose besser ausleben, wobei nach alter Lesart das Verb moderieren auch mässigen, mildern oder einschränken bedeutet. Durchaus zutreffend! Der Gesprächsleiter fällt jedem Teilnehmer gleich ins Wort, wenn dieser etwas Medienkritisches von sich gibt beziehungsweise auch nur antönt, oder wenn ein Experte/Ratgeberpsychologe vom Sender tabuisierte Informationen verbreiten möchte.
Aus Moderatorensicht ist eine Erläuterung komplizierter Zusammenhänge fürs verdummte Publikum ohnehin unzumutbar. Da der Mann oder die Dame hinter dem Mikrofon die Zuschauer oder Zuhörer offensichtlich generell als geistig minderbemittelt betrachtet und sie durch diese Geringschätzung beleidigt, werden solch anspruchsvolle Darstellungen sofort unterbunden, besonders wenn sie aus Gründen der abrundenden Verständlichkeit andere Gebiete beschlagen müssen, um die es ja nicht geht und die deshalb nicht angesprochen werden dürfen. Katrin Hasler hat als vorübergehende „Arena“-Moderatorin das Hineinschreien („Jetzt rede ich!!“) bis über die Grenzen des erträglichen hinaus entwickelt. Auf diese Weise kann erreicht werden, dass alles an der quotentauglichen Oberfläche bleibt und die Hörer nicht an Wissen zulegen können.
Im Schweizer Fernsehen fallen auch andere Moderatoren den Diskutanten laufend ins Wort, besonders und präventiv immer dann, wenn eine Auseinandersetzung lebhaft zu werden droht. Sie mischen sich ein (moderieren), sorgen dafür, dass eine Diskussion moderat (gemässigt) bleibt und die unterschiedlichen Meinungen nur abgedämpft dargestellt werden können. Die Weichspülereien werden mit Anstand verwechselt. Die unantastbaren Moderatoren, deren Allmacht mit jener von Ärzten oder religiösen Würdenträgern vergleichbar ist, empfinden sich selber als unglaublich bedeutsam und entwickeln nicht selten eine krankhafte Arroganz. Diese drückt sich besonders auffällig in ihrer Sprache aus. Haben sie sich eine belanglose Frage ausgedacht, formulieren sie diese so: „Ich will von Ihnen wissen, ...“. Sie wählen also einen Verhörton mit Befehlscharakter: Ich will das und das wissen. Man könnte ja anständigerweise ja auch so fragen: „Können Sie mir diese Frage beantworten?“, oder: „Bitte geben Sie uns dazu Ihre Ansicht bekannt.“ Und die Ich-Form, gegen die im Prinzip nichts einzuwenden wäre, ist in diesem speziellen Fall deplatziert. Bei Medienübertragungen gibt ein Befragter seine Informationen und Ansichten schliesslich gegenüber dem Nutzerpublikum und nicht gegenüber der Moderatoren-Persönlichkeit bekannt, wie ich annehme. Zudem ist diese meistens ohnehin darüber im Bild, was kommen wird, weil die Sache bei einem Vorgespräch abgekartet wurde.
Die Kunstwelten werden nach dem immer gleichen Schema hergestellt: Beim Schweizer Fernsehen läuft ein zu Interviewender zuerst einmal irgendwo herum, bevor er dann vor der Kamera das Vorbereitete zum Besten geben kann. Beim Sport ist das unnötig. Denn man weiss inzwischen (sogar ich als Sportbanause), dass alle Sportler und Clubs gewinnen wollen, dass alle enttäuscht sind, wenn sie nicht gewonnen haben, aber voller Zuversicht in die Zukunft schauen. Bei mir hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass nicht alle gewinnen können, weil dann der Sport noch langweiliger wäre, und somit die Verlierer mindestens eine so wichtige Rolle wie die Gewinner spielen. Mein Defizit ist nur, dass es mich nicht interessiert, welcher Held auf dieser oder jener Seite ist.
Bei den elektronischen Medien gibt es so etwas wie eine Sprachregelung, die wahrscheinlich aus dem Drang zum schlichten Nachplappern entsteht. In der Infotainmentsendung „10vor10“, die bereits gut 2 Stunden vorher abgehandelte „Tagesschau“-Themen mit Belanglosigkeiten aufmotzt, wird überflüssigerweise immer von den „Meldungen des Tages“ (ausgesprochen: Thaaages) oder von den „Meldungen von heute“ geredet, obschon ich von einer spätabendlichen Sendung ohnehin erwarte, dass sie sich mit den Nachrichten aus dem zur Neige gehenden Tag und nicht mit jenen der Vortage befassen, und für die Meldungen von morgen ist es ja noch zu früh. Etwas mehr Konzentration auf Substanzielles könnte nicht schaden, was für die Programme ganz allgemein gilt. Endlose, sich immer im Kreis drehende Werbungen, die überbordete Signetitis und Vorschauen auf kommende Sendungen verwässern den Programmablauf ohnehin bis hin zur Ungeniessbarkeit.
Lustig ist es, wenn bei Nachrichtensendungen jeweils ein „für diese Sendung Verantwortlicher“ genannt wird; denn da wurde doch mehrheitlich Material von Medienagenturen abgespult, das man unüberprüft weitergab. Wer übernimmt zum Beispiel die Verantwortung dafür, dass Zeitungen, Radio- und Fernsehstationen die Marionetten Zine-al Abidine Ben Ali aus Tunesien und Hosni Mubarak, treue, gut bezahlte Diener westlicher Interessen, während Jahrzehnten in einem verherrlichten Licht dargestellt wurden, weil die beiden Autukraten von den USA geschmiert wurden? Wenn man so erlebt, wie von den globalisierten Mediennetzwerken ausgewählt, gewertet und berichtet wird, fühlt man sich eher in die Welt des Surrealen versetzt. Und bei solchen Verirrungen sind Fragen nach der Verantwortung ohnehin obsolet. Das hat mehr mit einer verirrten künstlerischen Narrenfreiheit zu tun.
So moderiert man sich eben durch. Beim Radio DRS1, das immerhin noch um 18 Uhr die hervorragend gemachte Sendung „Echo der Zeit“ betreibt, wird tagsüber ausgiebig US-amerikanischer Pop abgespielt, obschon die Jungen schon längst davongelaufen sind. Jeder US-Bundesstaat und jede grössere Stadt in den USA werden einzeln besungen. Und wenn die Staaten umrundet sind, kommen die Movie-Stars an der Reihe. Noch heute, und nach alledem, was geschehen ist.
Ich will wissen: Wie lang ist dieser Stil noch durchzuhalten?
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