BLOG vom: 28.02.2011
Wie uns die Behörden grundlos salzarmes Brot aufzwingen
Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
Es läuft mehr oder weniger heimlich ab: Brote werden immer fader, weil der Salzgehalt schrittweise reduziert wird. Hinter dieser neuen Kampagne steht in der Schweiz das Bundesamt für Gesundheit (BAG), das durch seine unbedarften Grippeviren-Aufblähungskampagnen jede fachliche Glaubwürdigkeit preisgegeben hat. Michael Beer, Leiter der Abteilung Lebensmittelsicherheit, hielt am 13.05.2010 gegenüber der Zeitschrift „saldo“ fest: „Wir streben eine Reduktion auf 8 Gramm bis 2012 und später auf 5 Gramm an.“ Die Salzreduktion in Brot, Käse und Fleisch sollen so langsam erfolgen, dass die Konsumenten dies geschmacklich nicht wahrnehmen.
So werden wir Konsumenten also wieder einmal als grenzenlos dumm und manipulationsfähig verkauft. Wir seien vollendete Konsumtrottel mit verkümmertem Geschmackssinn, nehmen die Behörden an, die man beliebig an der Nase herumführen kann. Vor allem Migros und Coop sind auf das BAG-Programm „Actionsanté“ hereingefallen und haben mit der Reduktion des Salzgehalts 2009 begonnen. Ich bin ehrlich froh, dass es bei uns in Biberstein AG noch die ausgezeichnete Schlossbäckerei gibt, wo man noch normal gesalzene, schmackhafte Holzofenbrote kaufen kann, die ein Essvergnügen bereiten. „Die Salzreduktion machen wir nicht mit“, sagte mir am Mittwoch, 23.02.2011 der Schlossbäcker Laurent Seiffert. Er verwies auf all die widersprüchlichen Studien und bäckt Brote, in denen 17 Gramm Salz pro Kilo enthalten sind. Und diese schmecken wunderbar, haben eine dunkle Kruste wie aus dem Bilderbuch. Sicher gibt es auch andere handwerklich arbeitende Bäcker, welche die Salzhatz nicht mitmachen und gute Brote anbieten. Ich sehe hier eine Chance für Kleinbäckereien. Ich würde an ihrer Stelle ein Plakat vor den Eingang stellen: „Brot mit vollem Salzgehalt.“
Diese bedenkliche Geschichte ist eine Auswirkung der US-amerikanischen Zustände, wo die primitive Fast-Food-Ernährungsweise mit viel versalzenem Hormonfleisch zweifellos zu Gesundheitsschäden führt. Und von dort sind immer häufiger Stimmen zu hören, die eine Reglementierung des Salzgehalts in Nahrungsmitteln fordern. Im „New England Journal of Medicine“ (2010; doi: 10.1056/NEJMoa0907355) schwang sich eine Epidemiologin zur Hochrechnung auf, dass schon 3 Gramm weniger Salz pro Person und Tag jedes Jahr Zehntausende von Menschenleben retten würde ...
Der New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg hat eine landesweite Kampagne gegen das Salz im US-Frass laciert, um 150 000 „vorzeitige Todesfälle“ zu verhindern, was mich überhaupt nicht stört, zumal es mir schnuppe ist, was die Amerikaner an Fertignahrung in sich hinein stopfen. Wenn das aber wegen der Sucht zur Nachahmung im mein eigenes Biotop überschwappt, werde ich nicht salzig, sondern sauer. Nicht, dass ich jede Massnahme, die auf einen tatsächlichen Schutz der Gesundheit abzielt, als überflüssig betrachten würde. Aber wenn Prävention aufgrund von Fehlüberlegungen betrieben wird, stört mich das schon. Es mag ja sein, dass einzelne Menschen nur wenig Salz ertragen, und dann müssen sich diese eben entsprechend einrichten; doch daraus die Notwendigkeit eines flächendeckenden Salzentzugs abzuleiten, ist eine Zumutung, ein Skandal. Es ist, als ob man die Bienenhaltung verbieten würde, weil einige Leute allergisch auf Bienenhonig reagieren.
Vor allem wegen der Fertignahrung, in der unter anderen Tricken Salz den üblen Geschmack von Industriechemikalien überdecken muss, ist zu viel Salz enthalten, zweifellos. In dem Fall würde ich eher zu selber zubereiteter Kost und viel Frischnahrung raten. Doch die Salzmengen, wie sie vor der Einführung von fabrikmässig zubereitetem Industriefrass gang und gäbe waren, haben wohl niemandem geschadet. Dann der menschliche Organismus braucht Salz, vor allem zur Regulierung des Wasserhaushalts – ein Salzverzicht wäre fatal; wir kommen ja evolutionsgeschichtlich aus dem Meer. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) geht davon aus, dass für einen gesunden Körper 2 Gramm Salz pro Tag ausreichen, und man generell täglich nicht mehr als 6 Gramm Salz essen sollte. Recht viel Salz sind auch im Fleisch, Wurst und Käse enthalten.
Nun hat sich die Meinung herausgebildet, ein zu hoher Salzkonsum, wo immer auch die Grenze individuell anzusetzen sein mag, erhöhe den Blutdruck und damit das Risiko auf Herzkrankheiten. Wahrscheinlich liegt dieses Ernährungsdogma komplett daneben. Eine wissenschaftliche Basis fehlt im nach wie vor – es stützt sich auf Tierversuche und Vergleiche zwischen den Völkern mit unterschiedlicher Lebens- und Ernährungsweise. In einer 1988 publizierten Studie („Scottis Heart Health Study“) fand sich keinerlei Beziehung zwischen Salzkonsum und Blutdruck. Auch die grosse epidemiologische Studie „Intersalt“ mit über 10 000 Teilnehmern aus 32 Ländern konnte das Dogma von Salzaufnahme und Blutdruck nicht bestätigen. Im April 1997 erschien im bereits erwähnten „New England Journal of Medicine“ eine Studie, die herausgefunden haben wollte, dass diätische Faktoren zwar den Salzgehalt beeinflussen, Salz dabei aber keine Rolle spielt. Inzwischen hat wohl die Redaktion des Magazins gewechselt. Viele neuere Studien bescheinigen einer salzarmen Diät sogar ein Gesundheitsrisiko.
Es ist immer dasselbe: Wie mit der Statistik kann man auch mit Studien alles beweisen, was man bewiesen haben will, und es empfiehlt sich bei solch einem Sachverhalt, sein eigenes Gehirn zu aktivieren. Dr. Johann Georg Schnitzer, spezialisiert auf Fragen des Bluthochdrucks, hat das getan und den Zusammenhang zwischen Salz und Blutdruck überprüft. Er kam zum Schluss, dass sich der Rat zu salzarmer Kost als „Flop erwiesen hat, weil diese zu einer weiteren Verdickung des Blutes durch Wasserentzug führt. Das kann gerade zu jenen fatalen Herz-Kreislauf-Ereignissen führen, für die Bluthochdruckpatienten ohnehin besonders gefährdet sind. Aus dem gleichen Grund sind auch Diuretika gefährlich.“
Für mich ist das ohne Weiteres nachvollziehbar: Wenn man eine verdickte Flüssigkeit durch eine enge Röhre pumpt, ist dazu ein viel höherer Druck nötig als wenn etwas Dünnflüssiges durch die gleiche Röhre geschoben wird. Es würde mich deshalb nicht wundern, wenn sich die Massnahmen zur Salzreduktion als der gleiche Flop wie der anfängliche Umgang mit der Schweinegrippe erweisen würde.
Der heldenhafte US-Kampf gegen das Salz wurde selbstverständlich von den Beamtenheeren in Brüssel gierig aufgesogen und von der Schweiz in voraus- bis miteilendem Gehorsam in die Tat umgesetzt. Und zwar soll er, dem Vogel-und Schweinegrippe-Theater folgend, möglichst flächendeckend geführt werden, ansonsten werden bereits gesetzliche Vorschriften angedroht, was auf eine Limitierung des Salzgehalts auf 10 Gramm pro Kilo Mehl hinauslaufen könnte. Deshalb wurde eine Koordinationsinstanz unter der Federführung der Fachschule Richemont in Luzern, welche das Bäcker- und Konditoreigewerbe berät, bzw. der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Wädenswil ZHAW (die Kompetenzverteilung ist mir noch unklar) eine „IG Salzreduktion“ ins Leben gerufen, gewissermassen der BAG-Stosstrupp im Rahmen der Salzhatz.
Im Brot hat das Salz wichtige Aufgaben: Es stabilisiert die wasserunlöslichen Weizenproteine (Gluten), begünstigt die Krustenfärbung, die dank ihm knusperiger und feiner wird; es führt zu voluminöseren Broten und verbessert den Brotgeschmack.
Wenn ich erlebe, was aus unserem Brot jetzt wird, mit welcher Inkompetenz Behörden den Menschen die Art der Ernährung vorschreiben wollen, dann steigt mein Blutdruck derart an, dass ich hohe Salzmengen brauche, um ihn wieder in anständige Regionen zurückzuführen.
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