Textatelier
BLOG vom: 15.03.2011

Wanderung bei Rünenberg BL: Holzdiebe, Holunderparadies

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Nach längerer Abstinenz im Wandergebiet Oberbaselbiet (Kanton Baselland, BL) plante unser Wanderführer Toni von Lörrach am 09.03.2011 eine Tour in der Nähe von Gelterkinden. Die Wanderung hatte Toni bereits eine Woche vorher mit einem befreundeten Ehepaar aus Sissach absolviert.
 
Wir fuhren zu Viert bei schönstem Vorfrühlingswetter von Lörrach D über Rheinfelden AG auf der A2 und der A3 durch den Arisdort-Tunnel bis zur Ausfahrt Sissach. Von Sissach ausgehend, führte unsere Reise nach Gelterkinden, wo wir auf dem grossen und kostenfreien Parkplatz vor dem Schwimmbad parkierten. Gelterkinden (400 m ü. M.) ist eine Gemeinde mit 5700 Einwohnern und befindet sich im Kanton Baselland, Bezirk Sissach (Infos unter www.baselland.ch).
 
Oberhalb des Schwimmbads ging es nach links über einen Feldweg zum „Zurich vitaparcours“, der sich in einem Wäldchen befindet. In der Schweiz gibt es 500 solche Parcours zur Ertüchtigung. Wir als bewegungsfreudige Wanderer versuchten uns an einigen Übungen (Klimmzüge, Bewegungen an Ringen, Durchqueren von Reckstangen). Da merkten wir alle erst, wie solche Bewegungen für uns Ältere etwas mühevoll sind. Früher bewältigten wir solche Übungen mit Links und ohne Stöhnen. Aber schliesslich wollten wir wandern und nicht im Wald herumturnen. Wer jedoch Lust hat, die Übungen zu Hause auszuführen, kann unter www.vitaparcours.ch sämtliche vorfinden.
 
Immer wieder hörten wir auf dem unteren Teil des Wanderwegs Güterzüge, Personenzüge und Fernzüge durch Gelterkinden donnern. Es ist die Hauptstrecke Basel–Olten (dort gibt es Abzweigungen in alle Richtungen, bis nach Italien. Das Streckennetz kann im Internet aufgerufen werden).
 
Ich werde mich in diesem Blog nicht auf eine genaue Wegbeschreibung konzentrieren, zumal die Ausschilderung der Wanderwege exzellent ist. Ich weise vielmehr auf Besonderheiten hin, die wir an diesem Tag zur Genüge kennen lernten.
 
Holzdiebe werden in der Hölle verbrannt
Nach dem Vitaparcours wanderten wir im Buchenwald immer bergauf in Richtung Burgruine Scheidegg (560 m ü. M.). Auf dem Weg dorthin bemerkte Bernd, der aus Rheinfelden stammt und seit kurzem Mitglied in unserer Wandergruppe ist, einen Zettel an einigen Ster Buchenholz. Darauf stand dies: „Holzdiebe werden in der Hölle verbrannt … und das gibt so heiss, dass sogar im Himmel oben die Holzhauer heisse Füsse bekommen.“
 
Wahrscheinlich waren in der Vergangenheit Diebstähle vorgekommen, und so wollte der Besitzer durch einen drastischen Aufruf die Diebe abschrecken. Wer will schon in der Hölle schmoren …
 
In der Burgruine
Der Wanderweg zur Burgruine Scheidegg ist gut zu begehen. Oft waren die Wege mit weichem Laub bedeckt, so dass diese für unsere Füsse eine Wohltat waren. Ab und zu ging es jedoch steil bergauf. Ein leichtes Schwitzen stellte sich ein.
 
Die Ruine befindet sich auf einer Felsrippe auf einer Anhöhe, die mit Bäumen umrahmt ist. Die Burg war wahrscheinlich Sitz der Herren von Gelterkinden. Sie wurde um 1220 erbaut und 1270 erweitert. Die Burg wurde nach einem heftigen Brand um 1320 aufgegeben. Später diente die Burg als Steinbruch. 1970/71 wurde die Burg vollständig ausgegraben und bis 1974 konserviert.
 
Die Funde in der Burgruine wie Waffen, Werkzeuge, Geräte, Töpfe, Ofenkacheln, Fenster- und Torgewände und Knochenfunde (u. a. Skelette von mehreren beim Brand umgekommenen Pferden) wurden ins Kantonsmuseum Liestal gebracht. Heute sind nur die Umrandungsmauern der Burg (ehemaliger Stall, Wohnturm, Keller und das Eingangstor) zu sehen, ausserdem eine Zisterne (Fakten zur Burg unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Scheidegg_(Tecknau).
 
Nach diesem Ausflug ins Mittelalter besannen wir uns wieder auf die Neuzeit und das zu erwartende köstliche Mahl in Rünenberg. Dieses Dorf mit seinen 791 Einwohnern (2009) erreichten wir nach 1,5 Stunden, von Gelterkinden aus gerechnet. Die höchste Erhebung in der Gemeinde Rünenberg befindet sich auf 690 m ü. M. und der tiefste Punkt bei 456 m.
 
„Der arme Wirt“
In Rünenberg machten wir uns sofort auf den Weg zum „Gasthof Löwen“, der in der Mitte des Ortes liegt. In der gemütlichen Gaststube, die mit 6 rustikalen Holztischen und dazu passenden Stühlen bestückt ist, wurden wir vom freundlichen und immer zu einem Scherz aufgelegten Wirt und Koch Samuel G. Fröhlich begrüsst. Auf seiner Visitenkarte, die ich später in Augenschein nahm, steht „ kreativ mit Kochlöffel und Pinsel“ (er kocht, wie ich mir sagen liess, nicht nur exzellent, sondern malt auch Bilder). Aber noch etwas anderes steht auf der Karte, nämlich dies: „Alles, ausser gewöhnlich! Lassen Sie sich verwöhnen und überraschen.“
 
Wir bestellten das Tagesmenü „Rahmschnitzel“ für 21,50 CHF und diverse Getränke. Auf einer Schiefertafel waren sämtliche Weine mit den Preisen für 1dl aufgeführt (z. B. 1,80 CHF für roten und weissen Fasswein je 1 dl. Im Sortiment befanden sich Weine aus der Schweiz, Chile, Österreich, Frankreich und Italien).
 
Bevor das Hauptgericht serviert wurde, brachte uns der Wirt einen grossen Salatteller mit einer dazu passenden weissen Sosse und ein Bauernbrot, das hervorragend schmeckte.
 
Danach wurde das grosse Rahmschnitzel mit der dazu passenden Rahmsosse auf einem annähernd rechteckigen Teller, der auf beiden Seiten spitz zulief, aufgetischt. Gesondert in Schüsseln wurden gedünstetes Gemüse und Spaghettini gereicht. Das Schnitzel, das mit einem Rahmbällchen dekoriert war, und die Sosse brachten uns ungemeine Gaumengenüsse. Ich habe mir noch nie eine so gute Rahmsosse einverleibt. Auch meine Wanderfreunde waren aus dem Häuschen und voll des Lobes.
 
Wer nach dem sättigenden Mahl noch einen Schnaps trinken wollte, konnte sich aus einem Arsenal von Flaschen, die in den 3 Fensternischen der Gaststube dekorativ ausgestellt waren, eine Spirituose auswählen. Wir konsumierten an diesem Tag jedoch nichts Hochprozentiges, da wir ja noch einen 1,5 Stunden langen Rückweg vor uns hatten.
 
Bevor wir die Gaststätte verliessen, entdeckte ich noch einen beschrifteten Zettel, der an der Wand neben der Theke hing. Darauf stand unter der Überschrift „Ein armer Wirt“ das Folgende: „Nachdem wir Konzessions-, Getränke-, Mehrwert-, Alkoholsonder-, Lustbarkeits-, Gewerbe-, Lohnsummen-, Einkommens-, Vermögens-, Grund-, Hunde-, Kirchen-, Zinsertrags-, Luft-, Kfz-, KOV- und Anzeigesteuer bezahlt, Beiträge zur Krankenkasse, Familienausgleichsfonds, Kammerumlage, Ankündigungsabgabe, Unfalls-, Lebens, Feuer-, Angestellten-, Arbeitslosen-, Einbruchs-, Kraftfahrzeughaftpflicht-, Betriebs- und Privathaftpflichtversicherung, die Gebühren für Gas, Strom, Wasser, Heizung, Müllabfuhr, Kanal, Telefon, Rauchfangkehrer, Zeitungen, Lesezirkel, Radio, Fernsehen, AKM usw. entrichtet und einen Teil der Wareneingangsrechnungen überwiesen haben, bleibt uns in diesem Monat nur das Geld für die Reklame übrig, um Sie zu bitten, unsere Raststätte durch regen Besuch unterstützen zu wollen.
 
Für Ihren Besuch danken Ihnen das Finanzamt, die Gemeinde sowie die Wirtsleute!“
 
Nun verstehen wir die Wirtsleute, die noch mehr Abgaben entrichten müssen als eine Privatperson. Und wir alle werden schon ausgiebig mit Steuern und Kosten aller Art gebeutelt. Der Staat ist unglaublich erfinderisch bei der Einführung von Abgaben und Steuern. Als ich die Zusammenstellung las, dachte ich an die „armen“ Wirte.
 
Scherzhaft meinte der Wirt, als ich den Text auf dem Zettel digital ablichtete, dies koste 5 CHF. „Und wenn der Wirt noch drauf ist, 20 CHF“, meinte er spitzbübisch grinsend. Als ich entgegnete, da müsste er doch reich sein, musste er schallend lachen.
 
„Kaiser von Kalifornien“
Wohl gesättigt und zufrieden gingen wir in Richtung Schule und Sportplatz. Auf dem Weg dorthin kamen wir an dem Dorfweiher vorbei. Am Dorfweiher befindet sich ein erratischer Block, der von Efeu umrankt ist, mit Gedenktafeln von Johann August Sutter und von Martin Birmann.
 
Rünenberg war die Heimat von General Johann August Sutter (1803‒1880), dem „Kaiser von Kalifornien“, von Martin Grieder alias Martin Birmann (1828‒1890), Schweizer Politiker und erster Armeninspektor des Kantons Basel-Landschaft und Präsident mehrerer gemeinnütziger Organisationen und Schriftsteller, und von Niklaus Riggenbach, Erfinder des Zahnradsystems und der Gegendruckbremse. Er war am Bau der Vitznau-Rigi-Bahn (1. Bergbahn Europas) beteiligt. Aber leider entdeckten wir von diesem Pionier und Erfinder keine Gedenktafel. Er hätte sie verdient. Über diese 3 Persönlichkeiten berichte ich demnächst in einem Blog.
 
Holunder-Paradies
Wir wanderten weiter am Sportplatz vorbei und erreichten eine Anhöhe. Von hier aus und später bei der Rückfahrt über Waldenburg hatten wir einen herrlichen Blick auf den Faltenjura mit dem Wisenberg (1001 m ü. M.), dem Passwang (1204  m) und dem Belchenflue, auch Bölchen genannt (1099 m).
 
Aber dann gab es noch eine weitere Überraschung: Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich kurz vor einem abwärts gehenden Waldweg ein Holunder-Paradies. Es handelte sich hier um eine Holunderplantage, die von Martin Bitterlin aus Diegten bewirtschaftet wird. Vor der Plantage stand ein Wildbienenhotel mit kleinen Schlupflöchern im Holz. Diese Wildbienen oder Solitärbienen sind sehr nützlich, da sie die Bestäubung der Pflanzen bewerkstelligen.
 
Im Angebot der Firma (Gartenservice M. Bitterlin) sind Holundersaft und eine Mischung von Saft (30 % Saft) und edlem Baselbieter-Kirsch. Diesen Likör gibt es in den Grössen 0,2 l und 0,5 l. Des Weiteren können weitere Edeldestillate und Liköre erworben werden (www.holunder-paradies.ch). Über den heilsamen Holunder werde ich demnächst einen gesonderten Blog verfassen.
 
Abwärts nach Gelterkinden
Nach dem Holunder-Paradies wanderten wir auf einem langen Waldweg nach Gelterkinden zurück. Im Tal ging es dann noch über eine Anhöhe zu unserem Parkplatz am Schwimmbad.
 
In den Wäldern lugten bereits die ersten Huflattichblüten und Bärlauchblätter aus dem laubgeschmückten Boden heraus. Auf Wiesen und in Vorgärten sahen wir Gänseblümchen, Primeln, Krokusse. An geschützten Orten durchströmte uns die wohlige Wärme der Vorfrühlingssonne. Wir waren alle überzeugt: Nun kommt der Frühling mit aller Macht.
 
Es war wieder eine schöne Wanderung, von Toni in bewährter Weise geführt, mit besonderen Erlebnissen und einem kulinarischen Höhepunkt.
 
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