BLOG vom: 18.04.2011
Philippinische TV-Show: Kein Striptease eines Sechsjährigen
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
In der Tat gibt es perverse TV-Shows, besonders jene, die aus den USA zu uns kommen und hier nachgeahmt werden. Dabei werden die Teilnehmer lächerlich gemacht, diskriminiert und zu allen möglichen und unmöglichen Taten animiert. Meistens sind es ganz normale Menschen, aber auch B- oder C-Promis, die einmal im Rampenlicht stehen wollen, die mit sich alles machen lassen. Erinnern möchte ich an das Dschungelcamp („Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“), wo die Teilnehmer zu ekelhaften Aufgaben gezwungen wurden. So musste sich ein Darsteller in Würmern oder Ameisen wälzen, andere verzehrten mit Widerwillen Insekten usw. Dann gab es unter den Promis gewaltige Differenzen und Streitereien. Ob dies von den TV-Oberen vorgegeben war, kann ich nicht nachweisen. Die Darsteller müssen nämlich über ihre Verträge Stillschweigen bewahren.
Aber was ich am 11.04.2011 in der Online-Ausgabe der „Welt“ (www.welt.de) und auch in anderen Zeitungen las, stellte das bisher Produzierte in den Schatten. Da stand schwarz auf Weiss: „Skandal um Striptease von weinendem Sechsjährigen.“ In der philippinischen Fernsehshow „Willing Willie“ trat ein 6-Jähriger als Striptease-Tänzer auf. Er präsentierte angeblich seinen Tanz unter Tränen. Die Teilnehmer erhalten bei solchen Shows 10 000 Pesos (160 Euro).
Der Aufstand im Inselstaat war gross, Werbepartner wie Procter & Gable, Unilever und Del Monte sprangen ab. Kritiker warfen den Verantwortlichen vor, „den emotionalen Missbrauch und die Erniedrigung“ eines Kindes provoziert zu haben. Der Fernsehsender TV5 gelobte Besserung, und die Verantwortlichen wollen die Qualität der Familienunterhaltung verbessern.
Als Blogger wollte ich von Rolf P. Hess, der schon viele Jahre auf Cebu (Philippinen) wohnt, erfahren, wie das Fernsehprogramm dort punkto Qualität ist. Er schrieb mir in einer E-Mail vom 12.04.2011 dies:
„Einige der lokalen TV-Shows sind darauf abgerichtet, den armen Teil der Bevölkerung zu unterhalten. Mit etwa 90 Millionen Leuten ist der grösste Teil sehr arm. Ein anderer Teil ist, wie in allen Ländern, sehr reich. Der Mittelstand ist eher klein.
Als Ausländer leben wir hier in einer nochmals ganz anderen Welt. Unser Fernsehen ist von Satelliten, da sehen wir alles, inkl. DW – nur nicht die lokalen Sender (…). Dann kommt dazu, dass dieses katholische Land sehr prüde ist. In der Osterwoche zum Beispiel sind Bikini-Parties strikte untersagt. Topless (oben ohne) in der Öffentlichkeit gibt es schon gar nicht. Was sich in Bars oder zu Hause abspielt, ist eine andere Geschichte. An und für sich sind die Leute am Pazifischen Ozean sehr lebenslustig und offen.“
Rolf Hess konnte sich nicht vorstellen, dass im philippinischen Fernsehen ein Striptease gezeigt wurde. Nacktheit ist nämlich im dortigen Fernsehen und Kino tabu.
Ähnliche Verhältnisse sind auch in den USA zu beobachten. Als kürzlich bei einer Sängerin die Brustwarze zu sehen war und bei einer anderen einen Teil des Busens heraussprang, entrüsteten sich alle. Wird jedoch mit Waffen hantiert oder damit Kriege geführt, regt sich kaum einer auf.
Es ist immer gut, wenn man sich als Blogger richtig informiert. Rolf Hess teilte mir dankenswerterweise in einer E-Mail am 14.04.2011 die Fakten des Striptease mit. Er bekam die Infos von einer Dame aus dem Management des Shangri-La-Resorts (Mactan, Cebu). Sie erzählte, was bei der TV-Show wirklich passiert sei. Rolf schrieb: „Sie erklärte, dass dieser Bube automatisch diesen ,erotischen’ Tanz tanze, wenn er ein gewisses Musikstück hört. Dabei handelt es sich nicht um Striptease, sondern um einen Tanz, der in Schwulenbars getanzt wird – von Tänzern, die sich dann tatsächlich ausziehen.“
Hauptzweck der Show war übrigens, den Armen zu helfen. Die Eltern empfahlen ihren Knaben dem Sender, weil sie die Darbietung witzig fanden. Dem Leiter der Show gefiel der Tanz so, dass er mehrmals das Musikstück abspielte und dadurch der Junge reflexartig immer wieder tanzte. Er fühlte sich jedoch sehr unwohl.
Jeder kann sich ein Urteil bilden, wenn er den Ausschnitt der Show ansieht. Hier den Link dazu: http://www.youtube.com/watch?v=0s9FGls2uXc
Ich empfinde den Tanz trotz der obszönen Bewegungen, die heute ja bei vielen Musikern zum Standardprogramm gehören, als eher harmlos, bin jedoch dagegen, dass Kinder in einer solchen Show auftreten. Die Eltern tragen hier die wesentliche Mitschuld. In den USA werden Kinder von ihren publicitysüchtigen Eltern gezwungen, an Modeschauen teilzunehmen. Die kleinen Kinder (schon 6- bis 8-Jährige!) werden zu Püppchen bzw. Barbies hochgestylt. Wenn die eine oder andere Kleine nicht gewinnt. fliessen nicht nur die Tränen beim Kind. Solche Veranstaltungen erachte ich als Skandal.
Rolf Hess sagte am Schluss seiner E-Mail etwas Treffendes: „Wenn man das, was wirklich geschehen ist, nun mit dem Bericht vergleicht, den Du mir geschickt hast, dann muss man über die Qualität der Berichterstattung wieder einmal mehr den Kopf schütteln.“
Es ist leider so: Man kann sich auf die Presse heute nicht mehr verlassen. Da werden Skandale, Unglücke aufgebauscht und dem gläubigen Leser präsentiert, die sich im Nachhinein als Lügen entpuppen. Es ist immer gut, wenn man Berichte hinterfragt und mehrere Quellen nutzt.
Versteckte Kamera
Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch einen Vorfall, der auch in der „Badischen Zeitung“ vom 17.08.1996 publiziert wurde, erwähnen und darstellen, wie Teilnehmer von TV-Shows über den Tisch gezogen werden.
Viele haben schon sehr herzlich gelacht über die Streiche mit der „versteckten Kamera“. Aber für die Betroffenen ist das nicht immer lustig. So stellte damals eine Freiburger Bürgerin Strafantrag gegen einen privaten Fernsehsender. Und das kam so: Die Frau meldete sich auf eine Annonce, in der eine Babysitterin gesucht wurde. Sie bekam den Job. Sie musste auf einen 8-Jährigen aufpassen. Kurz nach Dienstantritt herrschte das grösste Tohuwabohu in der Wohnung. Der Kleine, der ein Pflaster über einem Ohr hatte, behauptete, seine Vogelspinne sei ausgebüchst. 2 Freunde, die plötzlich auftauchten, halfen bei der Suche.
Plötzlich klingelte es. Die Frau öffnete. Ein Pizza-Mann stand vor der Tür und behauptete, er bringe die bestellten Pizzen vorbei. Die Frau nahm die Ware entgegen und bezahlte. Währenddessen ging die Suche weiter. Hilfe konnte die Babysitterin nicht herbeiholen, denn die Telefonleitung war tot. Der kleine Bengel schleppte schliesslich noch ein Erotik-Magazin herbei und fragte die Angestellte nach ihrer Oberweite.
Nach etwa einer Stunde tauchte die „Mutter“ auf, hatte andere Haare und gab sich als Fernsehmoderatorin zu erkennen. Auch das Rätsel um das Ohrpflaster wurde gelöst. Hinter diesem verbarg sich ein Sender. Aus den Schränken tauchte ein ganzes Kamerateam auf. Alle waren sehr lustig, denn die Frau „spielte“ die Panik sehr lebensecht. Die Frau unterschrieb in ihrer Benommenheit eine Einwilligungserklärung zur Ausstrahlung des Bandes. Erst hinterher nahm sie sich einen Rechtsanwalt. Sie war der Meinung, sie fühle sich in ihrer Ehre und ihren Persönlichkeitsrechten verletzt. In ihrem Schock habe sie gar nicht realisiert, was sie da unterschrieben hatte.
„Die Methoden mit der versteckten Kamera sind unter der Gürtellinie“, meinte sie. Wie die „Badische Zeitung“ berichtete, ist ein solches Vorgehen kein Einzelfall. Oft werden Leute angelockt und in peinliche Situationen gebracht. So musste beispielsweise eine Frau in ein Kuhkostüm schlüpfen. 2 Kinder stopften sie mit Nougatcreme voll, danach musste die Frau brunstige Kuhschreie ausstossen.
Ich bin immer wieder erstaunt, dass sich jede Menge Leute für solche Shows hergeben. Und die Fernsehmacher frohlocken, wenn die Quoten in ungeahnte Höhen schnellen. Von Werten wie Anstand halten sie immer weniger.
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