Textatelier
BLOG vom: 22.04.2011

Frühjahrskräuter (2): Huflattich – exzellentes Hustenmittel

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Während unserer Wanderungen im Februar und März 2011 sahen wir besonders an Wegrändern in den Wäldern oder an Schuttplätzen einen der ersten Frühblüher, den Huflattich (Tussilago farfara L). Der Huflattich ist mit seinen wollig behaarten Stängeln und den strahlend-gelben Blüten leicht zu erkennen. Die Strahlenblüten zeigen sich schon, bevor die langstieligen, rundlich-herzförmigen Laubblätter hervorspriessen. Es sind herrlich anzusehende Farbtupfer auf einem kargen Boden. Die Pflanze streckt ihr Köpfchen immer der Sonne entgegen. Bei Nacht und schlechtem Wetter schliessen sich die Blüten und neigen sich dem Boden zu. Jede einzelne Blume kann nach Angaben des Schweizer Kräuterexperten Bruno Vonarburg bis zu 300 Strahlenblüten aufweisen. Ein Wunder der Natur!
 
Bei meiner Wanderung rund um den Schillighof (Kreis Lörrach D) am 13.04.2011 sah ich schon viele Huflattiche, die verblüht waren. Aus war es mit der Herrlichkeit der schönen Blüten. Ich erblickte oft nur noch die weissen Haarschöpfe des Korbblütengewächses, die Samenstände darstellen. Sie ähneln denjenigen des Löwenzahns, sie sind jedoch kleiner. Der Wind sorgt dann für die Verbreitung der Samen.
 
Altbewährte Heilpflanze
Der Huflattich ist eines der ältesten und besten Hustenmittel. Er wurde von den Hippokratikern „bechion“ genannt. Dioskurides (50 u. Z.) empfahl die mit Honig zerriebenen Blätter gegen Entzündungen und Abszesse der Brust. Der eingeatmete Rauch von brennenden Huflattichblättern half gegen trockenen Husten und Schweratmigkeit. Dies wurde schon von Plinius dem Älteren, der beim Vesuvausbruch 79  u. Z. zu Tode kam, empfohlen. Auch die Heilkräuterkundigen des Mittelalters waren voll des Lobes über die Wirkungen der Heilpflanze.
 
Sebastian Kneipp empfahl in seinem Werk „Meine Wasserkur“ den Huflattichtee zum Reinigen der Brust und zum Säubern der Lungen. Auflagen der Blätter verordnete er bei Husten und Engbrüstigkeit. Dann hatte er noch ganz andere Verwendungen (wohl heute in Vergessenheit geraten): „Ganz besonders wirksam zeigen sich die Blätter bei offenen Füssen, wenn die Stellen blau und schwarz, stark entzündet sind, sie nehmen die Hitze und den Schmerz (…) Bei hitzigen Geschwüren, bei Rothlauf. Gesichtsrose und ähnlichen Zuständen haben wir im Huflattich ein vorzügliches Mittel.“
 
Er schildert den Fall eines Taglöhners, der schon Monate lang unter einem offenen Fuss litt. Die Wunde war so lang wie ein Finger und drei Finger breit. Er litt unter starken Schmerzen, und er konnte nur selten einige Stunden schlafen. Sebastian Kneipp gab ihm den Rat, er solle doch mit dem gekochten Samen des Bockshornklees (Trigonella foenum-graecum) ein Tuch bestreichen und dann auf die Wunde legen. Darüber solle er vom Knöchel bis zu den Waden Huflattichblätter legen, und darüber Strümpfe ziehen. Jeden Morgen und Abend musste der Patient das Pflaster und die Auflage erneuern. Ausserdem wurde dem Patienten geraten, einen Tee aus den erwähnten Samen zuzubereiten und alle 2 Stunden 2 Löffel des Tees einzunehmen. Der Mann konnte dann seine berufliche Tätigkeit wieder ausüben. Nach 14 Tagen waren schon 2/3 der Wunde geheilt. 3 Wochen später war die Wunde ganz abgeheilt.
 
Die Schweizer Wickelexpertin Maya Thüler verwendet Bockshornklee (er ist übrigens eng verwandt mit dem Schabzigerklee) in Form von Kompressen bei Sehnenscheidenentzündung und beim „Tennisellenbogen“.
 
Zubereitung der Abkochung: 1 kleinen Löffel Samen vom Bockshornklee mit zirka 200 ml Wasser eine Minute lang kochen, dann abseihen. Löffelweise einnehmen. „Es nimmt die innere Hitze und wirkt heilend von innen heraus“, so Kneipp.
 
Auch der Schweizer Kräuterpfarrer Johann Künzle (1857−1945) empfahl Auflagen von Huflattichblättern bei offenen Wunden, offenen Beinen, Gesichtsrose, Hitze auf der Brust, bei Krampfadern, Geschwüren und Hühneraugen. Einen Tee aus den Blüten verordnete er bei Husten, Heiserkeit, Verschleimung und Katarrh.
 
Tabakersatz
Die Huflattichblätter dienten in Notzeiten als Tabakersatz. So stellten beispielsweise die Wallonen schon seit alten Zeiten einen Tabak aus getrockneten, gedörrten und fermentierten Huflattichblättern her. Dazu noch einmal Johann Künzle: „Gedörrte Huflattichblätter geben in der Mischung mit Minzen und Waldmeister einen wohlriechenden und unschädlichen Rauchtabak. Diese Pflanzen sind auch Bestandteile unseres Asthma-Tabaks.“
 
Schleim- und Gerbstoffe
In den Blättern befinden sich 6−10 % Schleimstoffe, 5 % Gerbstoffe sowie Flavonoide, Pflanzensäuren, Triterpene und Sterole. Die Schleimstoffe gelten als wirksames Prinzip. Diese Stoffe kommen sowohl in den Blättern als auch in den Blüten vor. Die Schleimstoffe wirken auswurffördernd und reizlindernd auf entzündete Schleimhäute. Die Gerbstoffe entfalten eine entzündungshemmende Wirkung.
 
Giftige Substanzen im Huflattich?
Im Huflattich kommen geringe Mengen der toxischen Pyrrolizidinalkaloide (PA) Senecionin, und Senkirkin vor. Sie stehen im Verdacht der kanzerogenen Nebenwirkung. Aus diesem Grunde wurden Huflattichzubereitungen in einigen Ländern verboten (z. B. in Österreich und in Dänemark). In Deutschland wurden die Werte so niedrig angesetzt, dass sämtlich Präparate mit Huflattich vom Markt verschwanden. Die Einschränkungen und Verbote wurden durch einen Vorfall in der Schweiz forciert.
 
Dort trank eine Schwangere längere Zeit eine grosse Menge Bronchialtee mit Huflattich. Sie gebar ein Kind mit einer PA-typischen Lebererkrankung. Das Kind starb bald darauf. Eine Untersuchung ergab, dass die Erkrankung nicht durch Huflattich, sondern durch eine irrtümliche Beimengung von Pestwurzblättern ausgelöst wurde. Trotzdem hielt sich der Verdacht, Huflattich sei toxisch, und damit war wieder einmal eine Heilpflanze kriminalisiert, die synthetischen Medikamenten im Wege steht.
 
Man muss wissen, dass in einigen Pflanzen, wie in der Pestwurz, im Beinwell und im Alpendost, höhere PA-Werte gefunden wurden. Dies führte zu Verwechslungen. Dazu ein weiteres Beispiel: In Südtirol sammelte eine mit Heilpflanzen unkundige Mutter Alpendostblätter. Daraus fabrizierte sie einen Tee gegen den Husten ihres Kindes. Das Kind entwickelte eine Lebererkrankung mit Aszites (Bauchwassersucht).
 
Parallelen zum Beinwell
Apotheker Frank Hiepe wies in einer E-Mail vom 15.04.2011 an den Autor auf die Zubereitungen mit Beinwell, die auch wegen der PA vom Markt genommen wurden, hin. Da wurden Hersteller (Kytta-Werke, Hübner), die eine gut wirkende Salbe mit Beinwell gegen Muskel- und Gelenkschmerzen produzierten, gezwungen, diese nicht mehr herzustellen. Es gab für diese Firmen grosse finanzielle Einbussen. Zum Glück wurden auch hier PA-arme Pflanzen gezüchtet. Die Firmen konnten wieder produzieren.
 
Auch beim Beinwell kam es früher zu einem Vergiftungsfall nach chronischem Verzehr grosser Mengen Beinwell-Salat. Auf der 23. Schweizerischen Jahrestagung für Phytotherapie am 20.11.2008 wurde auf diesen Fall hingewiesen, aber auch auf das Folgende: „Die in der Schweiz zugelassenen topischen Arzneiformen (mit Beinwell), die zur Nachbehandlung von stumpfen Verletzungen sehr populär sind, enthalten ausschliesslich Extrakte, aus welchen die PA entfernt sind. Daher tauchen in der Arzneimittelinformation keine entsprechenden Warnhinweise auf.“
 
Tierversuchsstudien im Blickpunkt
Es wurden mehrere Tierversuchsstudien mit PA gemacht. So bereits in den 70er-Jahren. Dann folgten solche in Japan, jedoch mit den Blüten chinesischer Herkunft. Warum dies? Nun, in Japan werden diese Pflanzen für Therapiezwecke verwendet.
 
Wie bei allen solchen Studien wurden auch hier über längere Zeit grosse Drogenmengen den Versuchstieren (Ratten) verabreicht. Bei einigen Tieren entwickelten sich Lebertumore. In einer weiteren Studie erhielten die Tiere 650 Tage lang das toxische PA Senkirkin. Ergebnis: 45 % der Ratten hatten Leberadenome (Adenom = gutartige Geschwulst) und bei den meisten zeigten sich histologische Anomalien der Leber. Wie die Autoren der Arbeit „PA-freie Huflattichblätter“ (siehe unten: Literatur) berichteten, führte das Abwägen von Nutzen und Risiko zu den erwähnten gesetzlichen Verfügungen, obwohl bei kurzfristigen Gebrauch von Huflattichtee (2 bis 4 Wochen) keine leberschädigenden Wirkungen zu befürchten waren.
 
Die Vorgehensweise bei solchen Studien kann und muss man kritisieren. Man muss die Dosen immer mehr erhöhen und die Versuchstiere lange genug füttern, bis sich ein negatives Ergebnis einstellt. Das ist ein vollendeter Unsinn.
 
Als die Studien publik wurden, kaufte keiner mehr die bewährten Huflattich-Zubereitungen. Es wurden deshalb Züchtungen ohne diese Alkaloide unternommen. Verdienste bei der in-vitro-Kultivierung („im Reagenzglas“; d. h. im Versuch ausserhalb des Organismus) und Selektionszüchtung erwarben sich die Universitäten Wien und Bonn und die Firma Schoenenberger aus Magstadt D. Es gelang ihnen in 5-jähriger Forschungsarbeit aus über 100 Pflanzen aus aller Welt nur wenige zu selektieren. Diese enthalten keine PA, jedoch alle anderen wichtigen Inhaltsstoffe des Huflattichs.
 
Dr. Thilo Hassler, Apotheker bei Schoenenberger, teilte mir mit, dass der Presssaft aus frischen Huflattichblättern als einziges zugelassenes Huflattich-Fertigarzneimittel die Anforderungen an den PA-Gehalt erfüllt. Anwendungsgebiete des Presssafts sind Bronchialkatarrhe mit Husten und Heiserkeit, leichte Entzündungen der Mund- und Rachenschleimhaut.
 
Internet
www.gesundheit.de (Heilpflanzen-Lexikon)
www.rosenfluh.ch (Leber: „Sitz des Lebens“ und mehr; 23. Jahrestagung für Phytotherapie der Schweizerischen Med. Gesellschaft für Phytotherapie in Baden/AG, 20.11.2008)
 
Literatur
Dzialas, Gerda: „Der Huflattich – Heilpflanze des Monats“, „Reform-Rundschau“, 1999-02.
Jeannin, Jean-Michel; Meier, Beat: „Leber: Sitz des Lebens und mehr“, Ars Medici, 2009-07.
Kopp, Brigitte; Wawrosch, Christoph; Lebada, Roxana (Wien); Wiedenfeld, Helmut (Bonn): „PA-freie Huflattichblätter“, Teil I: In-vitro-Kultivierung und Selektionszüchtung, DAZ, 1997-45.
Künzle, Johann: „Das grosse Kräuterheilbuch“, Verlag Otto Walter AG, Olten 1945.
Scholz, Heinz; Hiepe Frank: „Arnika und Frauenwohl“, Ipa-Verlag, Vaihingen 2002.
Thüler, Maya: „Wohltuende Wickel“, 9. Auflage, Worb 2003.
Vonarburg, Bruno: „Energetisierte Heilpflanzen“, AT Verlag, Aarau 2010.
Wiedenfeld, Helmut: „PA-freie Huflattichblätter“, Teil II: Analytik der PA, DAZ, 1997-45.
 
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