BLOG vom: 06.07.2011
Ein Vorreiter der Kernfusion: Erinnerungen an Edward Teller
Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
Edward Teller, der sogenannte „Vater der Wasserstoffbombe“, machte den Eindruck einer emotionslosen, friedfertigen, zielstrebigen Persönlichkeit, die nichts aus der Bahn werfen konnte. Er weilte Ende November 1985 im aargauischen Baden. Da ich zu jener Zeit noch für die Energiepolitik des „Aargauer Tagblatts“ (AT) zuständig war, konnte ich mit dem damals 77-jährigen, aus Ungarn stammenden Wissenschaftler über Energie- und Kriegsfragen sprechen und darüber berichten (AT vom 30.11.1985: „Energietheorien des ,Vaters der Wasserstoffbombe’“). Er arbeitete gerade an Ronald Reagans Verteidigungskonzept im Weltraum (Strategic Defense Initiative, SDI), das nach der Selbstauflösung der Sowjetunion ab 1991 in dieser Form nicht weiterverfolgt wurde. Das Star-Wars-Projekt nach Hollywood-Manier zur Abwehr nuklearer Interkontinentalraketen trieb den Fachleuten, die dessen ganze Tragweite erahnten, den Angstschweiss auf die in Sorgenfalten gelegte Stirn: Würden die USA ihre nicht zu bändigende Lust am Kriegführen nun auch noch ins Weltall hinaustragen? Hollywood-Science-Fiction mit dem unsterblichen, dümmlich-infantilen Weltbild, das in Gut (Kriegsnation USA) und Böse (Opfer der Kriegsnation) aufgeteilt ist, schien Wirklichkeit zu werden.
Beim Gespräch mit Edward Teller wurde mir besonders deutlich bewusst, wie eng die militärische und zivile Nutzung der Kernenergie zusammenhängen, was sich von Anfang an zum Schaden des Ansehens der Kernenergie auswirkte, wozu selbstverständlich auch deren nicht zu bestreitendes Gefahrenpotenzial beiträgt. Die Entwicklung der Kernenergie sei notwendig gewesen, sagte Teller im Hotel Du Parc in Baden zu mir. Mit seinem markanten Gesicht – grosse, fast schläfrig wirkende Augen unter buschigen Brauen, einer ausgesprochen kräftigen Nase, dem breiten Mund, den langen Ohren – und der massigen Erscheinung wirkte er wie ein Fels in der Brandung auf mich, auch dann, wenn er auf jede Frage eine klare Antwort gab. Sein langer, gerader Stock, auf den er sich stützen konnte und sich manchmal auch sitzend abstützte, war an ihn angelehnt; um 1930 hatte er bei einem Verkehrsunfall ein Bein verloren. Vielleicht war der Holzstock auch ein Teil seiner Selbstverteidigung, hatte der doch nicht nur Freunde.
Eine Physiker-Biografie
Teller kannte sich in technischen und politischen Fragen aus; sein langes Leben hatte ihm viele Lektionen erteilt: Als Jude verliess er Deutschland nach dem Umsturz von 1933. Im folgenden Jahr 1934 arbeitete er als Rockefeller-Stipendiat beim Physiker Niels Henrik David Bohr in Kopenhagen, der sich der Struktur der Atome und der von ihnen ausgehenden Strahlung annahm, und 1935 wurde Teller Lektor an der Londoner Universität. Im gleichen Jahr zog er in die Vereinigten Staaten um, nachdem ihm Cloyd Heck Marvin, der damalige Präsident der George-Washington-Universität, eine Professur für Molekular- und Atomphysik angeboten hatte. Nach einer sechsjährigen Lehrtätigkeit schloss sich Teller dem von Enrico Fermi, dem berühmten Kernphysiker, geleiteten Forscherstab an der Columbia-Universität an und beteiligte sich zwischen 1941 und 1946 an der Herstellung der Atombombe. Die moralischen Bedenken seiner Partner teilte er nicht, auch was die Fusionsenergie und damit die Wasserstoffbombe anbelangte. Die Forschungsarbeiten wurden zusammen mit Julius Robert Oppenheimer, Hans Bethe und Emil John Konopinski im Atomforschungszentrum Los Alamos (Nationallabor, LANL) in New Mexiko, USA, durchgeführt, das in den vergangenen Tagen durch Buschbrände gefährdet war. Das Feuer soll im LANL aber zu keinem Schaden geführt haben, und die Anlage wurde wieder in Betrieb genommen. Zu den umfangreichen Bränden hat angeblich ein Baum geführt, der auf eine Elektrizitätsleitung gefallen war.
Edward Teller war ein Kalter Krieger durch und durch. Seine Empörung richtete sich vor allem gegen den kommunistischen Terror in seinem Heimatland Ungarn, und den Abrüstungsabkommen mit den Russen traute er überhaupt nicht über den Weg. Dazu sagte er in Baden, der Umstand, dass die Entwicklung der Kernspaltung nicht unter einer Diktatur wie den Nazis oder den Sowjets stattfand, habe die wichtige Folge gehabt, dass daraus keine neue und schreckliche Abart des Imperialismus entstanden sei.
Mit Blick auf die US-Weltherrschaftsbestrebungen könnte man das heute, wie ich meine, nicht mehr so sagen. Schliesslich waren die USA das bisher einzige Land, das von Atombomben Gebrauch machte (06. und 09.08.1945 in Japan). Auf meinen entsprechenden Hinweis, antwortete Teller, die Forschung sei des Wissenschaftlers einzige Angelegenheit, und kein Mensch könne die Folgen seines Handelns voraussagen. Die Forschung aber dürfe unter keinen Umständen gehemmt werden. Teller war nach seinen eigenen Ausführungen aber ein Gegner der Atombombenabwürfe über Japan gewesen. Denn damals hätte seiner Ansicht nach ohne Weiteres die Möglichkeit bestanden, die Atombombe nicht zu benützen, „sondern (wohl als Drohmittel) den Japanern vorzuführen. Das hätte zum Frieden leiten können“. Und man hätte die entsetzlichen Auswirkungen nicht hinnehmen müssen. Aber dann hätte Friedrich Dürrenmatt „Die Physiker“ nicht schreiben können“, fügte er noch mit offensichtlichem Galgenhumor bei. Eine Flucht aus unerträglichen Gedanken, die gern bei etwas Unbeschwertem Zuflucht suchen.
Vorbild Schweiz
Der Friede in der Schweiz, stellte Teller fest, sei seit ehedem durch Waffen garantiert worden, und zudem sei hier der Zivilschutz bereits verwirklicht. Deshalb könne man damit rechnen, dass niemals ein massiver Angriff gegen dieses Land gerichtet werde. Nicht auszuschliessen sei allerdings, dass sich eine Rakete verirre. Ein Interesse am Schutz gegen einzelne Raketen müsste nach Tellers Ansicht somit auch in der Schweiz bestehen, ein Hinweis auf die Bedeutung eines starken Verteidigungskonzepts. (Man erinnere sich an die Bomber der Amerikaner, die sich im 2. Weltkrieg immer wieder in die Schweiz „verirrten“.). Und er fügte noch bei, nach dem Schweizer Muster sollte der Friede auf der ganzen Welt gesichert werden. Krieg gebe es nur, wenn einer dem anderen etwas wegnehmen wolle.
Plädoyer für die Kernenergie
Anschliessend sprach er über die Sicherheit der Kernenergie: Wegen der Erfahrungen mit dem Atombombeneinsatz habe man bei der Konstruktion der Kernkraftwerke „einen gehörigen Respekt vor den Schwierigkeiten gehabt, und deshalb hat man diese vermeiden können und tatsächlich auch vermieden“. Bisher seien ausschliesslich Reaktoren, aber keine Menschen geschädigt worden. Er fügte bei, eine allgemeine Angst nütze nichts, sondern nur die Besorgnis, die mit klarer Vernunft verbunden sei und die man exakt formulieren könne, bringe einen weiter. Anlass zur Angst gebe insbesondere, was man nicht sehe und verstehe, sondern sich nur vorstelle.
Das durch den Bau von Kraftwerken gestiegene Energieangebot habe den zivilisatorischen Fortschritt begründet, sagte Edward Teller, was aber keine Energieverschwendung rechtfertige. Inzwischen hat sich das mit der ausufernden Digitalisierung aller Bereiche menschlichen Lebens überdeutlich bewahrheitet.
Teller erwies sich als überzeugter Gegner der Verbrennung fossiler Energieträger, deren Abgase „die Umwelt schwer schädigen“, wie er sagte. Das zunehmende Kohlendioxid in der Atmosphäre werde auf die Dauer „unvorhersehbare klimatische Änderungen herbeiführen“. Solche Probleme könnten mit der Kernenergie vermieden werden. Zwar sei auch diese nicht ganz sauber; „doch ihre Unsauberkeit beschränkt sich auf ein ganz kleines Volumen. Die Nebenprodukte (nicht Abfälle, weil sie für nützliche Zwecke verwendet werden könnten) sind leicht und verlässlich kontrollierbar. Die Abgase aus den fossilen Energie (Kohle, Erdöl, Erdgas) sind so massiv und voluminös, dass man sie unter keinen Umständen kontrollieren, das heisst unter Kontrolle halten kann.“
Wasserstoffbombe und Fusionsenergie
Der ständig exzessiv steigende Energiebedarf schrie geradezu nach anderen Befriedigungen der enormen Nachfrage. Diese führte ins Innenleben der Atome, das zunehmend besser bekannt wurde. Bereits 1927 hatte der englische Chemiker und Physiker Francis William Aston errechnet, dass bei der Verschmelzung von Wasserstoffatomen weit mehr Energie frei wird als bei der Uranspaltung – die Explosionskraft ist etwa 2500 Mal grösser. Die Erzeugung der dazu nötigen Hitze von rund 10 Millionen Grad C wurde aber erst durch die Erfindung der Atombombe möglich. Der in den USA geborene Sohn deutsch-jüdischer Einwanderer, der amerikanische Physiker Julius Robert Oppenheimer, befasste sich als erster damit, wurde allerdings von moralischen Bedenken befallen und anschliessend zum grössten Kritiker der ungehemmten amerikanischen Rüstungspolitik, die nach wie vor weitergeht und wesentlich mithalf, den Staat in den finanziellen Ruin zu treiben.
Nach 1945 arbeitete Teller, von weniger bis gar keinen Skrupeln geplagt, dort weiter, wo Oppenheimer aufgehört hatte. Er legte im Oktober 1949 erste erfolgsversprechende Resultate seiner Forschungen dem Beratungsausschuss der amerikanischen Atomkontrolle (AEC) vor. Der Bau einer Wasserstoffbombe (H-Bombe) wurde von diesem Ausschuss zuerst verworfen, unter dem Eindruck der Spionageaffäre um den deutsch-britischen Kernphysiker Klaus Fuchs, der mit der Sowjetunion zusammenarbeitete, und wegen des Ausbruchs des Koreakriegs (1950), in den auch China einbezogen war, schliesslich befürwortet.
Obschon die Forschungen zeitweise ins Stocken geraten waren, gelang es Teller dennoch, der H-Bombe auf der Forschungsebene insofern zu einem gewissen Durchbruch zu verhelfen, als er auf einer wissenschaftlichen Tagung in Princeton (New Jersey, USA) die entscheidende Formel präsentieren konnte, eine Erklärung aller einschlägiger physikalischer Phänomene. Und es blieb nicht bei der grauen Theorie: Bereits im Herbst 1952 wurde auf einem Atoll der Marshall-Inseln im westlichen pazifischen Ozean der erste H-Bombenversuch durchgeführt. Die gigantische Explosion entwickelte eine ums etwa 500-Fache grössere Sprengkraft der Hiroshima-Bombe (10,4 Megatonnen). Glücklicherweise war diese Art der Wasserstoffbombe in der Grösse eines Einfamilienhauses wegen der Verwendung von überschwerem Wasserstoff mit ihren 62 Tonnen so schwer, dass sie nicht mit Flugzeugen transportiert werden konnte und damit für militärische Zwecke ungeeignet war.
Im August 1953 wurde die Explosion einer Lithiumhydridbombe in der Sowjetunion festgestellt, was die Amerikaner veranlasste, ebenfalls eine solche Bombe herzustellen. Edward Teller war damit beauftragt, und diese Bombe wurde am 01.03.1954 ausprobiert – sie funktionierte.
Wie man sieht, war ein eigentlicher, irrwitziger Rüstungswettlauf entbrannt, der die Aktivitäten auf beiden Seiten beflügelte: Die Sowjetunion zündete ihre erste Wasserstoffbombe am 22.11.1955, und am 30.10.1961, wurde auf der Insel Nowaja Semlja, nördlich des Polarkreises, die grösste je gebaute Wasserstoffbombe zur Explosion gebracht. Sie hatte eine Sprengkraft von 58 Millionen Tonnen Trinitrotoluol (TNT, das man als Mass für die Explosionskraft von Sprengkörpern verwendet), also etwa 3800 Hiroshima-Bomben entsprechend, unvorstellbare Vernichtungspotenziale. Eine Geschichte des Grauens.
Im Zusammenhang mit Abrüstungsverhandlungen und dem Vorschlag eines zeitlich beschränkten Versuchsstopps für A- und H-Bomben, erklärte Teller zu jener Zeit, es sei möglich, eine „saubere Bombe“, also eine Bombe ohne die furchtbare Massenwirkung durch die radioaktive Verseuchung, zu bauen, wenn man ihn weiterforschen liesse. Und daran arbeitete er dann in den folgenden Jahren. Ob man dabei von einer „pathologischen Besessenheit“, wie ihm das vorgeworfen wurde, sprechen darf, bleibe dahingestellt. Zweifellos muss man alles vor dem Hintergrund einer schon damals ausser Rand und Band geratenen Zeit sehen. Teller hatte scharfe Kritiker. Sein Physikerkollege und Nobelpreisträger Isidor Rabi verbreitete die Auffassung, Teller sei ein „Feind der Menschlichkeit“.
Saubere Bomben gibt es zweifellos nicht. Auch die Neutronenbombe mit ihrer geringeren Sprengkraft, aber intensiveren Neutronenstrahlung verdient dieses Prädikat nicht. Jede, auch jede nicht nukleare Bombe ist schmutzig, richtet verheerende Schäden auch unter Zivilisten an, wie das serielle, eskalierende US-/Nato-Bombardement von Libyen in diesen Wochen zeigt. Um das libysche Volk zu schützen und die vom CIA aufgestachelten Rebellen zu unterstützen, wird auch einmal ein Wohnhaus oder eine Berufsschule bombardiert ... Die üblichen Verirrungen der im US-Sold stehenden Zerstörer. Im Irak wurde unter dem Vorwand des Despotenfangs praktisch die ganze Infrastruktur zerstört. Tausende von Zivilisten wurden ermordert. Bestätigt wird grundsätzlich nichts; offenbar weiss die Nato nicht, wohin ihre Bomben fliegen. Und wenn die Fakten für Schäden an der Zivilbevölkerung erdrückend sind und ein Abstreiten unmöglich ist, wird bestenfalls das Bedauern ausgesprochen. Auch Kriege, mit verlogenen Argumenten herbeigeführt, sind so schmutzig wie die dahinter stehende Denkweise.
Fusionsenergie aus dem Stromnetz?
Tellers Erforschungen der Wasserstofftechnologie haben für die friedliche Nutzung der Fusionsenergie eine möglicherweise wichtige Grundlage geschaffen. Bei der Wasserstoffbombe kann die gewaltige Fusionsenergie nur in unkontrollierter Form gewonnen werden. Das bedeutet, dass man diesen Vorgang für eine friedliche Energienutzung beherrschbar machen müsste. Die Natur kann mit der Kernfusion umgehen: Sterne mit der Sonne als bekanntestem Beispiel gewinnen ihre Energie, die sie in Form von Licht abgeben, durch eine unkontrollierte Kernfusion.
Aus solchen Gründen müht sich die Fusionsforschung seit nunmehr rund 40 Jahren ab, kontrollierte Kernfusionen herbeizuführen. Dazu werden vor allem das magnetische Verfahren und das Trägheitseinschlussverfahren erprobt. Dafür wird die Energie genutzt, die von der Fusion leichter Kerne bzw. Wasserstoffisotope wie Deuterium und Tritium freigesetzt wird. Vereinfacht gesagt: Wie auf der Sonne verbrennt der in beliebiger Menge zur Verfügung stehende Wasserstoff zu Helium. Bei dieser Kernverschmelzung kommt es neben der Bildung von Heliumatomen zu einer Energieumwandlung in Gamma-, Licht- und Wärmestrahlung, die in Strom umgewandelt werden können.
Damit die friedliche Nutzung der Fusionsenergie nicht graue Theorie bleibt, sind zahlreiche Forschungsaktivitäten im Gang, nicht erst seit Fukushima (Japan). Das umfangreichste internationale Projekt ist ITER (engl.: International Thermonuclear Experimental Reactor). In diesem Rahmen wird in Cadarache im Süden von Frankreich, das dem Atomstrom bis heute die Treue gehalten hat und damit hervorragende Geschäfte macht (KKW-freie Länder wie Italien und Österreich müssen ihren Atomstrom auswärts zukaufen) zur Zeit ein gigantischer Fusionsversuchsreaktor gebaut. Die beteiligten Länder werden dafür etwa 10 Milliarden Euro beizutragen haben. Partner sind die Europäische Atomgemeinschaft, Japan, Russland, China, Südkorea, Indien und die USA. Seit 2004 macht Kanada nicht mehr mit.
Dieses Forschungsprojekt soll beweisen, dass es möglich ist, aus Wasserstoff durch die Kernverschmelzung grosse Energiemengen zur kommerziellen Nutzung zu gewinnen. Die technischen Herausforderungen sind so gross, dass es aller Voraussicht nach erst ums Jahr 2050 möglich sein wird, Fusionsstrom zur Stillung des wachsenden Energiehungers der zunehmend von der Elektrizität abhängigen Menschheit zu erzeugen. Und den genialen Edward Teller gibt es nicht mehr. Er ist am 09.09.2003 im kalifornischen Stanford im Alter von 95 Jahren gestorben – 7 Wochen nachdem ihm die höchste zivile US-Auszeichnung, die Presidential Medal of Freedom, verliehen wurde. Was eher ein schlechtes Licht auf den Geehrten wirft, nachdem wir wissen, wie salopp dort mit dem Wort Friede und Friedensnobelpreisträger ungesprungen wird.
Der Versuchsreaktor basiert auf dem bereits in den 1950er-Jahren in der Sowjetunion stammenden Tokamak-Prinzip, bei dem das heisse Plasma (heisses Gas mit aufgespaltenen Atomen) in einem Torus (ein rettungsringähnliches Gebilde) eingeschlossen ist. Wenn das alles klappt, soll ein erstes Fusionskraftwerk namens DEMO (Demonstration Power Plant) erstellt werden. Es muss wirtschaftlich betrieben werden können, wofür eine gewisse Grösse nötig ist (1000 bis 2000 MW pro Block, entsprechend etwa den neuen Kernspaltungskraftwerken). Und all das braucht eben noch schätzungsweise 40 Jahre Zeit.
Die Schweiz ist seit 1985/86 ebenfalls in dieser Richtung tätig. Nach einer sechsjährigen Bauzeit betreibt die EPFL (École polytechnique fédérale de Lausanne, also die Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne) einen Kernfusionsreaktor, den Tokamak à configuration variable (TCV), der noch 1992 das erste Plasma gezündet hat. Und 1997 konnte mit einer Plasma-Lebensdauer von 2 Sekunden ein Weltrekord aufgestellt werden.
Die Schweiz leistet damit ihren Beitrag ans europäische Gemeinschaftsexperiment JET (Joint European Torus) in Culham, Grossbritannien. Laut der offiziellen JET-Webseite www.jet.efda.org ist JET „die weltweit grösste Fusionsanlage und die einzige, die mit dem späteren Brennstoffgemisch Deuterium-Tritium experimentieren kann. JET hält den Weltrekord von 16 Megawatt erzeugter Fusionsleistung. Die Anlage ist ideal zum Testen von speziellen, für den Reaktorbau benötigten Materialien sowie von Heiz- und Diagnostikeinrichtungen unter realistischen Fusionsbedingungen“.
Trotz der hervorragenden bisherigen Ergebnisse der Schweizer Fusionsforschung und ihrer beflügelnden Ausstrahlung auf die ITAR-Anstrengungen war diese bei der Energie-Ausstiegshysterie praktisch kein Thema in der öffentlichen Diskussion. Dies zeigt, in welch verengten Bahnen herumdiskutiert wird. Daraus liesse sich zudem der Verdacht ableiten, dass hinter all den unüberlegten Ausstiegsszenarien andere Motive als eine sichere Energieversorgung stecken müssen. Zweifellos haben moderne KKWs ein kleineres Gefahrenpotenzial als ältere (siehe KKW Mühleberg). Das erstrebenswerte Ziel müsste doch wohl eine sichere Elektrizitätsversorgung bei einer grösstmöglichen Vermeidung von Umweltschäden sein, die selbst mit dem Ausbau der sogenannten Alternativenergien einher gehen (bereits werden massiv eingeschränkte Einsprachemöglichkeiten für den Ausbau der Übertragungsnetze vorgeschlagen – ein Abschied vom Landschaftsschutz).
Die Schweiz hatte schon immer gegen Kräfte anzukämpfen, die sie als Auslaufmodell verächtlich machten oder als Gefängnis bezeichnete, weit über Max Frisch, Friedrich Dürrenmatt und Adolf Muschg hinaus, die sie als Wirtschaftsstandort schwächen und in möglichst grosse Auslandabhängigkeiten treiben wollten. Zum Glück waren solche Angriffe, die vor allem von linksintellektueller Seite kamen, politisch nie mehrheitstauglich. Das politisch erfahrene Schweizervolk hat die Machenschaften schon immer durchschaut, und mochten linke Schriftsteller und auf der linken Seite operierende Medien und Politiker noch so sehr bemüht sein, das Schweizer Selbstvertrauen zu untergraben.
Sie konnten nicht verhindern, dass heute die Schweiz als Erfolgsmodell dasteht und selbst die Führer der Sozialdemokraten jetzt einsehen müssen, dass es ein Irrsinn wäre, ein gesundes Land in eine kranke EU einzuverleiben. Wahrscheinlich müssen am Ende auch noch unsere 4 Bundesrätinnen und der nationale Medienmainstream die Position wechseln, wollen sie sich nicht vollends lächerlich machen.
Die Energiediskussion entbanalisieren
Jetzt läuft die gleiche Desinformationskampagne in Energiefragen ab, vergleichbar mit dem zum Standard gewordenen Häppchen-Journalismus, der ausserstande ist, Zusammenhänge herzustellen. Hat man die Wahl zwischen verschiedenen Energieformen, sollte die Beachtung der Umweltverträglichkeit neben der ortsabhängigen Zweckmässigkeit die höchste Priorität erhalten. Man wird auch diesbezüglich gescheiter werden müssen. Aber weil dem Zwang zum Gescheiterwerden immer Dummheiten vorangehen müssen, würde ich als einfachere Lösung empfehlen, den Blödsinn zu vermeiden, von Anfang an eine Gesamtschau anzustreben und verbesserte und neue Technologien nicht von vorneherein zu unterbinden und auszuschliessen. Einige Fachkenntnisse könnten dabei nicht schaden.
Die Energie tritt uns in den unterschiedlichsten, umwandelbaren Ausprägungen entgegen: Sonnenstrahlung, Kernenergie aus Kernspaltung und Kernfusion (Sonne), Elektrizität, chemische Energie (Akkumulatoren und Batterien), mechanische Energie (Magnetfelder und Lageenergie wie das Wasser in Speicherkraftwerken), Wasserkraft, Brennstoffe, Wärme als Bewegungsenergie der Moleküle, Erdwärme usw. Darüber sind fundierte und entsprechenden differenzierende Diskussionen nötig und keine eingeschränkten, gedankenlosen Panikreaktionen. So müsste man etwa in Rechnung stellen, dass bei der Sonnenenergienutzung Kollektoren ergiebiger als Solarzellen (Photovoltaik) sind; doch ist vielleicht auch darüber noch nicht das letzte Wort gesprochen. Auch hier läuft die Forschung weiter.
Weil beispielsweise ebenfalls offen ist, ob Brutreaktoren mit ihrem geringeren Anfall an radioaktiven Abfällen genügend sicher, wirtschaftlich und akzeptiert sein werden, darf man sie zumindest aufgrund rudimentärer Kenntnisse nicht einfach in Bausch und Bogen verwerfen. Natürlich könnten auch über sie Sicherheitsdiskussionen geführt werden – absolut sicher ist nur der Tod.
Selbst in Energiefragen wird einfältig in Gut und Böse analog zur Aufteilung in Krieg und Frieden unterschieden. Schon meinen vor gut 25 Jahren geschriebenen AT-Bericht über das Gespräch mit dem alten Mann Edward Teller musste ich mit der Feststellung beenden, auch er, der leidenschaftliche Forscher, wisse, dass es nichts Unvollkommeneres als uns Menschen gibt. Wohl deshalb geraten wir vor unserem eigenen Wirken in Panik und verlieren die Kontrolle über unsere Vernunft. Und dann geht uns erst ein Licht auf, wenn das Licht erloschen ist.
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