BLOG vom: 14.10.2011
Im Wiesental D unterwegs: Todtnauerli und Gletscherschliff
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
Am 03.11.2010, dem „Tag der Deutschen Einheit“, fuhren Ewald Greiner mit seinem E-Rad und ich mit einem Sportrad von Schopfheim über Zell nach Schönau D (Hinfahrt: 20 km). Von Zell im Wiesental ausgehend, folgten wir bis Schönau der ehemaligen Trasse des „Todtnauerlis“. Es handelte sich hier um eine Ein-Meter-Schmalspurbahn, die zwischen 1889 und 1967 die Städte Zell mit Todtnau verband. Das „Todtnauerli“ dampfte damals durch das Wiesental und brachte viele Feriengäste, auch Skiurlauber, in die Ferienregionen Belchen und Feldberg (von Todtnau wurden die Gäste mit Bussen weiterbefördert).
Mit der Bahn wurden auch landwirtschaftliche Produkte, Grubenholz für Bergwerke, Fasern und Garne der Textilindustrie, Briketts und vieles mehr transportiert.
Am 22.02.2008 befuhren wir schon einmal eine Teilstrecke. Meine Erlebnisse habe ich in einem Blog beschrieben (15.10.2008: „Fahrradtour: Auf der Trasse der einstigen Todtnauer Bahn“). Diesmal hatte ich ein besseres Rad, so dass ich mit dem E-Rad-Fahrer Ewald mithalten konnte.
Auf der ehemaligen Trasse sind an einigen Haltestellen Info-Tafeln mit Text und Fotos aufgestellt. So gab es beispielsweise nur ein einfaches Wartehäuschen an der Haltestelle Niederhepschingen. Auf dem Foto ist der heranbrausende dampfende Zug zu sehen, während aus dem Wartehäuschen 3 Personen heraustreten. Links und rechts der Schienen wucherte das Gras in die Höhe. Es war also ein ganz einfacher Zustieg, ohne Bahnsteig. Unter „Tipps für Kids“ stand dies: „Man sagte, der Zug fahre oft so langsam, dass man zwischendurch aussteigen konnte und Blumen pflücken könne.“ Dazu gab es noch eine Empfehlung für die Kids von heute: Man solle doch nach den vielen Blumen am Bahndamm Ausschau halten.
Kurz nach dieser Haltstelle (das Wartehäuschen steht heute noch) fuhren wir weiter in Richtung Kastel und radelten frohen Mutes durch einen 80 Meter langen Felstunnel. Der Tunnel ist heute für die vielen Wanderer und Radfahrer mit einer Solaranlage beleuchtet.
Kurz vor Schönau kamen wir nach Wembach. Der Wembacher Bahnhof hatte schon ein Holzhaus und einen richtigen Bahnsteig. Im Bahnhofsgebäude wohnte der Bahnhofsvorsteher mit seiner Familie. Im Gebäude waren auch ein kleines Büro, der Fahrkartenausgabeschalter und ein geräumiger Wartesaal. Daneben standen eine Güterhalle mit Waage und ein Wirtschaftsgebäude (Stall und Scheune). Der Bahnhof hatte 2 Wirtschaftsgleise für das Be- und Entladen der Waren. Der Bahnhof war auch eine Milchsammelstelle für die umliegenden Landwirte. Mit der Bahn wurden aus dem Markgräflerland Spitzkraut (für Sauerkraut), Futterrüben und Kartoffeln angeliefert. Von Wembach aus wurde Holz aus den heimischen Wäldern weiterbefördert.
Nach etwa 1,5 Stunden Fahrtzeit (es ging leicht bergauf) erreichten wir bei herrlichstem Wetter Schönau. Wir entdeckten die Info-Tafel, auf der zu lesen stand, dass sich bis 1968 hier das zweistöckige Bahnhofsgebäude befunden hatte. Am 06.07.1889 war hier der Badische Grossherzog bei der Einweihung zu Gast. Alle waren hocherfreut, dass die damalige Amtsstadt Schönau, die bis 1806 zu Vorderösterreich gehörte und dann badisch wurde, Anschluss an das Eisenbahnnetz bekommen hatte. Besonders der Fremdenverkehr und die Industrie (Webereien, Bürstenfabriken) profitieren von dieser Neuerung.
Auch hier gab es Tipps für Kids: „Durch Schönau fuhren im Winter früher extra lange Skizüge – manchmal mit 2 Loks –, die Skifahrer von Basel bis ins Feldberggebiet brachten.“
Leider verkehrt heute nicht einmal mehr eine „Museumsbahn“ auf der alten Strecke. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass vielleicht in den nächsten Jahrzehnten wieder eine Dampflok mit Waggons durch das Wiesental fahren wird. Die Kandertäler haben eine gute Lösung gefunden: Zwischen Weil-Haltungen und Kandern fährt die Kandertalbahn, eine historische Museumsbahn, die sehr gut angenommen wurde (www.kandertalbahn.de). Auch in anderen Landesteilen von Baden-Württemberg gibt es Museumsbahnen.
Im „Schönauer Klösterle“
Nicht weit vom ehemaligen Bahnhof Schönau befindet sich das vermutlich 1780 erbaute „Schönauer Klösterle“, in dem heute das Heimatmuseum untergebracht ist. Von 1897 bis 1959 wohnten hier Ordensschwestern, dann erwarb die Stadt Schönau das Gebäude. Seit 1994 kann man sich im „Klösterle“ auch standesamtlich trauen lassen. Vor dem Museum ist ein alter Mühlstein aus der Wiesenmühle zu Schönau (seit 1278 bis 1926) zu sehen.
Dann schritten wir ins Gebäude, da ich schon seit einiger Zeit mich mit dem Gedanken spielte, das Museum zu besichtigen. Aber wir hatten an diesem Tag Pech. Das Museum ist nämlich jeweils nur am Mittwoch geöffnet. Wir konnten jedoch in das Erdgeschoss eintreten. Dort begrüsste uns die sympathische Schönauer Künstlerin Renate Schmidt, die eine Vernissage mit ihren neuen grossformatigen Bildern (stimmungsvolle Landschaftsbilder und farbenprächtige Blumenmotive) veranstaltete. Gleichzeitig stellte sie ihren neuen Kunstkalender vor.
Wir waren von der Leuchtkraft der Bilder überrascht. „Manches Bild erzielt die Wirkung eines Feuerwerks, so etwa die Spiegelung des Abendrots im Fluss. Die Farben scheinen zu explodieren“, schrieb Verena Wehrle, Mitarbeiterin der „Badischen Zeitung“ am 06.10.2011 sehr treffend.
Renate Schmidt fertigt die Bilder nach mehreren Techniken wie der Flüssiggummi-Technik an. „Es ist ein kompliziertes Verfahren, das nicht mit ein paar Worten zu erklären ist. Man braucht auf jeden Fall viel Erfahrung bis man sich daran wagen kann“, teilte mir Frau Schmidt in einer E-Mail am 11.10.2011 mit. Die Künstlerin stellt auch Firmenportraits und persönliche Portraits her. So können auf Wunsch der Auftraggeber originale Materialien der Unternehmen ins Bild eingearbeitet werden. Auch Firmenfarben und Logos werden berücksichtigt und die Philosophie und Unternehmensstrategie mit Aussagekraft dargestellt. Einige Beispielbilder konnte ich auf einem Prospekt bewundern. Auch diese Schöpfungen zeichneten sich durch eine grosse Leuchtkraft und Detailgenauigkeit aus.
Die Bilder kann man auch nach der Ausstellung in ihrer Galerie (Im Grün 4, D-79677-Schönau) ansehen. Auch der neue Kalender für 2012 ist über ihre Adresse zu bekommen. Ausführliche Infos unter www.galerie-schmidt.de.
Im Erdgeschoss erblickten wir den 1907 geschaffenen Kirchturmhahn der katholischen Pfarrkirche Schönau. 80 Jahre drehte sich der Wetterhahn im Wind, dann rissen ihn Winterstürme von der Turmspitze in die Tiefe.
Im Museum ist auch die riesige Turmuhr von der Bergkirche Schönau zu sehen. Die Turmuhr war von 1927 bis 1981 in Betrieb. Die Turmuhr mit doppeltem Viertel- und einfachen Stunden-Schlagwerk hat ein 1,70 × 1,70 m grosses Zifferblatt. Die Zeiger wurden neu angefertigt. Mittels Laserstrahlen wurden sie aus Kupferblech ausgeschnitten, von Hand getrieben und profiliert. Letzten Endes erfolgte noch eine Vergoldung mit Blattgold.
Am Eingang rechts ist ein Schwarz-Weiss-Bild, das ein Schwarzwälder Paar aus Multen um 1900 zeigt, aufgehängt. Frau Sofie Loritz sitzt häkelnd mit ihrem Mann August am Küchentisch. Der bärtige Mann raucht zufrieden seine Langpfeife. An der Decke hängt eine Petroleumlampe. Hinter dem Paar ist eine Küchenkommode zu sehen, die jedoch ziemlich ramponiert aussieht. Wahrscheinlich wurde diese von einem ungeübten Zimmermann oder vom Hausherrn geschaffen. Die sicherlich nicht reichen Leute auf dem Bild strahlten eine Ruhe und Zufriedenheit aus.
Die Tabakpfeife ist übrigens in einer Vitrine im Heimatmuseum ausgestellt.
Nach einer kurzen Kaffeepause fuhren wir wieder die 20 km zurück nach Schopfheim. Diesmal benötigten wir bergab nur 1 Stunde. Es waren eindrückliche Erlebnisse an einem wunderschönen Herbsttag.
Riesiger Granitblock
2 Tage später wanderten wir zu Fünft von Schönau über Michelrütte zum Zwei-Städte-Blick und dann auf einem Panoramaweg nach Tunau. Nach einer Einkehr im Gasthaus (und Pension mit Hallenbad und Sauna) „zur Tanne“, wo wir unseren Durst stillten, kehrten wir wieder nach Schönau zurück. Warum ich das erwähne, werden Sie sich fragen? Wir kamen nämlich in Michelrütte an einem riesigen Findling, der vom Eis der letzten Eiszeit dorthin transportiert wurde, vorbei. Auf einer Tafel neben dem Granitblock waren diese pathetischen Worte zu lesen:
„Durch einen Rieseneisstrom verfrachtet, lag dieser Granitblock unbeachtet Jahrtausende da, bis einer kam, der ihn genau in Augenschein nahm. Der Felsblock, rief er hochentflammt, ist ja geschliffen und geschrammt! Er soll als gewaltig Naturdenkmal, hoch über dem einst vergletscherten Tal, von keiner Menschenhand entweiht, Trotz bieten allen Stürmen der Zeit.“
Die Tafel ist dem Heimatforscher Rektor August Göller (1878−1965) gewidmet. Göller machte in der Umgebung glazialgeologische Streifzüge und entdeckte nicht nur diesen, sondern noch einige weitere geschliffene Felsbrocken. Im Museum „Klösterle“ ist eine Tafel mit Text und Abbildungen aufgestellt. Göller war seit Beginn seiner Forschungen bis zu seinem Tod Mitglied der „Naturforschenden Gesellschaft Freiburg“.
In einem urigen Gasthaus
Da uns das Gasthaus „zur Tanne“, das 4 km von Schönau entfernt inmitten von Almen und Wäldern liegt, sehr gut gefallen hat, schilderte ich Paula das gemütliche Schwarzwald-Gasthaus in den höchsten Tönen und bemerkte, dass es dort sehr gute regionale Speisen gebe. Ich schlug vor, man solle doch einmal dort das sonntägliche Mittagsmahl einnehmen. Mein Vorschlag fand bei ihr volle Zustimmung. Wir fuhren dann schon am 09.10.2011 nach Tunau und speisten im erwähnten Lokal, wie vorgesehen. Vorher wurden wir vom Seniorchef Erich Ruch mit Handschlag begrüsst. Er kannte mich ja schon von der Einkehr mit den Wanderfreunden.
Paula entschied sich für das kleine Menü für 27 Euro (Kürbisrahmsuppe, Salat, Kalbsfiletspitzen mit Steinpilzsosse auf feinem Gemüse mit Bandnudeln, und als Nachspeise Walnusseis mit Pflaumen), während ich mich für das Gericht „Kabeljaufilet auf Safran-Rahm-Sosse mit Gemüsereis“ (17 Euro mit Salat) entschied. Paula war danach ganz aus dem Häuschen. Sie lobte die hervorragend schmeckenden Speisen, die der Sohn des Hauses, Claus Ruch, mit einem anderen Koch zubereitet hatte. Natürlich war auch ich begeistert. Besonders mundete mir die hervorragend zubereitete Kürbiscremsuppe, die geschmacklich sogar meine heimischen Kürbis-Kreationen bei weitem übertraf.
Das Gasthaus ist in der Tat ein Geheimtipp für Geniesser (www.tanne-tunau.de). Besonders auffallend war der humorvolle Seniorchef, der sich in sehr angenehmer Weise mit den Gästen unterhielt und so manchen Witz erzählte.
Besonders eindrucksvoll waren die mit Geranien, Petunien und Grünpflanzen geschmückten Balkone des Hauses. Ein Hingucker im abgelegenen und ruhigen Tunau.
Im sehr gemütlichen und urigen Gastraum des 400 Jahre alten Hauses und auch im Vorraum zu den Toiletten sind viele Accessoires zu sehen wie Uhren, Krüge, Teller, Figuren, Puppen, Kannen und kleine landwirtschaftliche Geräte. Auf 2 Wandtellern las ich die folgenden Sprüche: „Wer in der Jugend viel nach Spatzen schiesst, der sucht im Alter nach Patronen“ ‒ „Ein lieber Gast ist keine Last.“
Ich hoffe, wir waren liebe Gäste. Der Seniorchef war bestimmt zufrieden. Er verabschiedete uns mit einem Handschlag und wünschte eine gute Heimfahrt. Kaum waren wir am Auto, da kam schon der Wirt aus dem Lokal gestürmt und überreichte uns eine Packung Tempo, die Paula im Gastraum verloren hatte. Wir werden wieder kommen.
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