BLOG vom: 21.10.2011
Der verheerende 2. Sturm über dem Zofinger Heiternplatz
Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
Am 13.07.2011 brauste ein Sturm über den Zofinger Heiternplatz, dieses Hochplateau oberhalb der Stadt. Das Hochplateau galt einst als „der schönste Festplatz der Schweiz“, seiner Lage und der alten Baumkreise wegen. Der Sturm, ein gewaltiges, eindrückliches Naturereignis, hatte in die gärtnerisch nach den Grundsätzen der Geometrie gepflegte Anlage die Dimension der Ökologie eingefügt: umgelegte und geknickte Baumriesen, abgerissene Äste. Uralte Linden und eine Pappel lagen am Boden, schaurig-schöne Bilder, wie gemacht fürs Naturstudium. Einige Bäume legten ihr Innenleben offen.
Ein umgelegter, sterbender Baum hat für die natürlichen Abläufe eine grosse Bedeutung. Totholz ist eine erstrangige Lebensgrundlage für Insekten, von denen sich die Vögel nähren, Pilze und Pflanzen; Bäume keimen mit Vorliebe auf vermoderndem Holz, wobei abgestorbene starke, voluminöse Pflanzen wie Baumstrünke und -stämme innerhalb des Naturgeschehens besonders wertvoll sind. Ein Viertel aller Waldorganismen sind auf Totholz angewiesen. Hätte man einige Bäume einfach liegen gelassen, wäre auf dem Heiternplatz ein Refugium für jeden Naturfreund und eine Ausbildungsstätte für den Biologieunterricht an den Schulen von Zofingen und Umgebung entstanden. Gratis und franko. Aber dann hätte man den Sterilrasen nicht durchgehend maschinell rasieren können und hätte an einigen Stellen eben den Fadenmäher einsetzen müssen.
Es hat nicht sollen sein. Über die beschädigten Bäume brach ein 2. Sturm herein – diesmal in Form von försterlichen Motorsägen, die den Bäumen zu den bestehenden Wunden neue zugefügt haben. Bei meinem neuerlichen Besuch am 15.10.2011 auf der „Heitere“ boten sich Bilder des Grauens: Mitteltriebe von Linden wurden auf halber Höhe waagrecht geköpft; von Seitenästen sind noch Stummel mit sauberen Schnittflächen übrig geblieben. Zugegebenermassen ist in Bruchstellen das Infektionsrisiko grösser als bei scharfen Schnitten; doch in der freien Natur, wo es immer wieder zu Brüchen im Baumgerippe kommt, haben die Bäume gelernt, zum Beispiel durch Harzausstoss damit umzugehen. Und wenn Hohlräume zurückbleiben, dienen diese vielen Kleinlebewesen als Unterschlupf.
Das Sturmholz ist abtransportiert, zu Häckselgut verarbeitet. Die Zofinger konnten Hackschnitzel abholen und wurden, wie mir ein Einheimischer sagte, um Spenden für die Herrichtung des Heiternplatzes angegangen, was ich kaum glauben konnte. Durch weniger brutale Eingriffe nach dem Sturm hätte man ja viel Geld sparen können. Die beschädigten Bäume hätten von Klimageschichte erzählt, die Erinnerung an ein markantes Ereignis in der Geschichte des Platzes festgehalten. Die verstümmelten Bäume aber reflektieren bloss dilettantische Eingriffe.
Der klinische Rasen ist wird wieder aufgebaut. Die Baumreihen sind unnatürlich verstümmelt; man mag gar nicht mehr so richtig hinsehen. Aus Sturmmonumenten wurden amputierte Invalide, die zusätzlich leiden mussten, die einem Leid tun. Ein Trauerspiel auf der Heitern, dem Zofinger Hausberg, bei dem jeder Heiterkeit entschwindet. Schon fast eine Erweiterung des nahen Friedhofs Bergli.
Hinweis auf das vorangegangene Blog über den Zofinger Heiternplatz
18.07.2011: Zofinger Heiternplatz: Baummonumente bitte nicht abholzen!Hinweis auf weitere Blogs von Hess Walter
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