BLOG vom: 16.11.2011
Hagebutte: Viel Vitamin C und Aktivstoffe sind in der Frucht
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
Unter der Parade der „Wilden“ hat die Hagebutte einige Besonderheiten zu bieten. So liefert sie nicht nur viel Vitamin C, sondern auch Aktivstoffe, die erst kürzlich entdeckt wurden. Sie sollen Gelenkschmerzen reduzieren und die Knorpelfunktion und die Kollagenbildung unterstützen. Das war absolut neu für mich und wohl auch für etliche Freunde der Hagebutte.
Immer wieder erfreue ich mich bei den herbstlichen Streifzügen durch die Natur an den leuchtend roten Scheinfrüchten der Heckenrose bzw. Hundsrose (Rosa canina L.).
Die Hagebutte weist im Inneren steinharte Schliessfrüchte, die auch Nüsschen genannt werden, auf. Die Nüsschen sind mit kratzenden Härchen besetzt. Das fanden wir Schüler Anfang der 50er-Jahre selbst heraus. Wir sammelten Hagebuttenfrüchte, schnitten sie auf und sammelten die Nüsschen. In der Grundschule probierten wir den Juckeffekt an Schülerinnen aus, indem wir einige dieser „Kratzbürstchen“ in den Rückenausschnitt ihrer Kleider brachten. Da waren dann ein Gekreische und ein Herumjucken angesagt. Zur Maikäferzeit brachten wir lebende Maikäfer mit in die Schule und probierten den Effekt bei unseren Mädels aus. Dann war es für eine kurze Zeit aus mit der Freundschaft. Aber wir Bengel im zarten Alter von 6 bis 9 Jahren hatten auch noch kein intimes Interesse an Mädchen, waren aber immer an Streichen interessiert.
Die Frucht war übrigens schon in der Steinzeit beliebt, wie Nüsschen-Funde in den Pfahlbauten am Bodensee bewiesen.
Die Hagebutte wurde auch früher als Zauber- und Sympathiemittel verwendet. Ein Spruch lautete so: „Kaue und esse täglich 3 Wacholderbeeren und 3 Hagebuttenschalen, ganz gleich, ob du gesund oder krank bist.“ Dieses Mittel kannten schon die Rittersleute.
Es ist heute so aktuell wie damals. Der Schweizer Naturheiler Bruno Vonarburg empfiehlt, im November/Dezember mit den frisch gepflückten, und entkernten(enthaarten) Hagebutten-Früchten eine Vitamin-C-Kur zu machen, d. h. 3 mal täglich nach den Mahlzeiten 1 bis 2 Früchte zerkauen und schlucken. „Das ist geradezu eine Vitamin-Bombe und beste Vorbereitung für den Winter, mit all seinen Strapazen", schrieb mir Bruno Vonarburg.
Nicht nur Vitamin C in der Frucht
Die Hagebutte ist die Vitamin-C-reichste heimische Frucht (bis 1250 mg je 100 g essbare Frucht). Sie hat im Vergleich zu Zitronen und Orangen den 20- bis 30-fachen Gehalt an Vitamin C zu bieten.
Die Hagebutte enthält aber noch weitere interessante Inhaltsstoffe zu bieten wie Karotinoide, Vitamin E, Glucose, Fructose, Saccharose, Apfel- und Weinsäure und etliche Mineralstoffe (Kalium, Magnesium, Kalzium), Schleimstoffe, ätherische Öle, Gerbstoff, Pektin und Flavone. Die Hagebutte wirkt appetitanregend, harntreibend, blutreinigend, stärkend und leicht abführend.
Die Hagebutte eignet sich sehr gut bei einem Mangel an Vitamin C. Von Bedeutung ist, dass das Vitamin C im Verbund mit den natürlichen Begleitstoffen besser vom Körper verwertet wird als das chemisch hergestellte Vitamin C (Ascorbinsäure). Ausserdem haben die Begleitstoffe auch eine gesundheitliche Wirkung auf unseren Körper.
Hilde Sieg wies in ihrem Buch „Baum und Strauch dir ewig heilverbündet“, schon 1939 auf diese Vitamin-C-Quelle hin, indem sie schrieb: „Es erscheint fast als Frevel, diese ungeheuer billige C-Quelle unbeachtet lassen zu wollen, zumal da unser Volk nachgewiesenermassen unter dem C-Mangel leidet. Mit den Hagebutten sind wir völlig unabhängig von den ausländischen C-Lieferanten des Winters, den Apfelsinen und Zitronen (…).“
Hagebutte hilfreich bei Arthrose
Der dänische Landwirt Erik Hansen, der unter Gelenksarthrose leidet, machte eine interessante Beobachtung. Wenn er regelmässig Hagebutten verzehrte, hatte er weniger Schmerzen. Die Hagebutte wurde daraufhin näher untersucht. Als aktive Inhaltsstoffe wurden durch dänische Forscher Zucker-Fettsäure-Verbindungen (Galaktolipide) entdeckt, die für die Wirkung verantwortlich sind. Inzwischen wurde ein standardisiertes Pulver aus den Samen und der Schale gewonnen (Schale und Kerne enthalten den erwähnten Wirkstoff). Das Pulver wird aus Bio-Hagebutten bei niedrigen Temperaturen (40 °C) schonend gewonnen (vorher werden natürlich die reizauslösenden Härchen der Kerne entfernt). Durch dieses Verfahren bleiben die Inhaltsstoffe erhalten. Ein Bio-Hagebuttenpulver ist in Reformhäusern erhältlich (ca. 25 Euro für 225 g). Für dieses Produkt werden Hagebutten einer speziellen Hundsrose aus den Hochlagen der chilenischen Anden verwendet. Die Früchte zeichnen sich durch einen hohen Gehalt an Galaktolipiden und Vitamin C aus.
Inzwischen liegen einige Studien vor. Das standardisierte Hagebuttenpulver schützt vor freien Radikalen, trägt zur Beweglichkeit der Gelenke bei, unterstützt die Knorpelfunktion und die Kollagenbildung und mindert Gelenkschmerzen.
Beispiel: In einer Studie erhielten insgesamt 32 Patienten mit Arthrose der Handgelenke entweder ein Placebo oder Hagebuttenpulver (5 g pro Tag). Bei 88 % der Patienten, die das Hagebuttenpulver innerhalb eines Monats erhielten, wurde eine Schmerzsenkung bei der Durchführung häufiger Alltags-Handgriffe ermittelt. In der Placebogruppe waren es nur 36 %.
Fazit von Jens Bielenberg: „Das Hagebuttenpulver hemmt Botenstoffe der Entzündung an verschiedenen Stellen innerhalb des Entzündungsprozesses. 2 randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudien belegen eine bessere Beweglichkeit der arthrosebetroffenen Gelenke. Die längerfristige Einnahme von Hagebuttenpulver kann den Konsum an klassischen Schmerzmitteln reduzieren.“
Und was sagt die Deutsche Rheuma-Liga in ihrer Online-Ausgabe dazu? Prof. Dr. med. Dirk O. Stichtennoth, Klinische Pharmakologie, Medizinische Hochschule Münster bemerkte, dass eine Zulassung als Medikament noch weit entfernt ist und deshalb das Hagebuttenpulver nur als Nahrungsergänzungsmittel verkauft werden darf. „Das Problem: Es wird der Anschein erweckt, es handle sich um ein Medikament mit nachgewiesener Wirksamkeit. Dadurch wird die Hoffnung vieler Arthrosepatienten auf ein wirksames und gut verträgliches Medikament ausgenutzt, um Profit zu machen“, so der Professor.
Als Fazit äusserte der Mediziner, dass es keine Bedenken gibt, einen Versuch mit Hagebuttenpulver zu machen. Abschliessend bemerkte er noch, dass „Wunder nicht zu erwarten sind.“ Ich finde, man sollte auf jeden Fall einen Versuch mit diesem natürlichen Produkt machen, zumal in einer italienischen Untersuchung (allerdings im Tierversuch bei einem Crotonöl-induzierten Ohrödem) eine bessere entzündungshemmende Wirkung im Vergleich mit Bethametason erzielt wurde. Weitere Studien am Menschen sind jedoch notwendig, um die Erfolge zu untermauern.
Anwendung von Tee, Mus und frischen Hagebutten
Auch in unserer Zeit wird die Hagebutte stiefmütterlich behandelt. Viele bevorzugen leider ausländische Produkte wie Acerola, Camu-Camu und andere Früchte, um ihren Bedarf an Vitamin C zu decken. Ich vertrete die Ansicht, dass man vermehrt die Hagebutte verwenden sollte, zumal man einen köstlichen Saft, eine Konfitüre oder ein Mus herstellen kann. Die Hagebutte eignet sich auch zur Herstellung von Wein, Likör und Sirup.
Tee: Tee aus frischen oder schonend getrockneten Hagebuttenschalen: Empfohlen bei Fieber, Erkältungskrankheiten, allgemeiner Schwäche und schlecht heilenden Wunden.
Aus gleichen Teilen Hagebutten und Lindenblüten können Sie einen vorzüglichen Haustee bereiten, der während Erkältungskrankheiten getrunken wird. Bewährt hat sich auch eine Teemischung aus Hagebuttenfrüchten (40 g), Lindenblüten (20 g), Holunderblüten (20 g), Thymiankraut (20 g) und Himbeerblättern (20 g).
Kernlestee: Die Kerne werden heiss getrocknet oder leicht geröstet, wodurch die feinen Härchen abfallen. Die Kerne werden in einem Mörser ohne Härchen zerstampft. Man kann aber auch die Samen abbürsten, um die Härchen zu entfernen. Der Kernlestee ist ein wohlschmeckendes und gesundes Getränk.
Laut Ursel Bühring sollte man die von Haaren befreiten Samen ½ Stunde in Wasser kochen. Der Kernlestee wird empfohlen als ein mildes Aquaretikum bei Ödemen, rheumatischen Erkrankungen und Blasen-Nierenleiden.
Frische Hagebutten, Mus, Marmelade: Appetitlosigkeit. Bandwürmer sollen nach einem alten Hausrezept abgehen, wenn frische ganze Hagebutten (mit den Nüsschen) gegessen werden.
Wem die Mühe der Zubereitung zuviel ist oder gerade keine Hagebutten zur Hand hat, kann auch im Reformhaus ein Hagebutten-Mus mit 62 g Früchten je 100 g (Firma Lorenz & Lihn) kaufen. Dieses zeichnet sich durch ein besonders schonendes Herstellungsverfahren aus, dadurch bleiben die wertgebenden Inhaltsstoffe erhalten. Dieses köstlich schmeckende Mus kaufe ich immer wieder.
Zutaten: Hagebutten, Zucker, Wasser, Zitronensaft, Geliermittel Pektine.
Hinweise: Manche Bäcker füllen ihre Krapfen mit Hagebuttenmus. Die schmecken mir besonders gut. – Wer Lust zum Experimentieren hat, kann ein Mus mit Hagebutten, Schlehen und Sanddorn herstellen.
Es gibt auch viele Anwendungen für die Blüten der Heckenrose. Wir wollen uns jedoch in diesem Blog auf die Hagebutte konzentrieren.
Anhang: Rezepte
Mus aus Hagebutten und Weissdornfrüchten
Die Hagebutten nach dem 1. Frost pflücken, Stiel abnehmen, mit Wasser 5 Minuten aufkochen, mit einem Holzstössel zerstampfen, durch die „flotte Lotte“ geben. Die zurückbleibenden Kerne trocknen und für den Kernlestee verwenden. Das Mus 1:1 mit Zucker kurz aufkochen, heiss in frisch gespülte Schraubgläser abfüllen und verschliessen. Das Mus bleibt jahrelang haltbar und behält die rote Farbe.
Hagebuttenmus mit Weissdornfrüchten 1:1 mischen und, wie oben beschrieben, zubereiten. Man muss bei der Bereitung darauf achten, ob die Früchte viel oder wenig Pektin enthalten. Bei reichlichem Pektingehalt muss mehr und bei geringerem Gehalt weniger Wasser genommen werden.
Das Mus mit Weissdornfrüchten wird verabreicht bei Kreislaufbeschwerden, Herzschwäche und zur Regulierung des Bluthochdrucks. (Rezept von Maria Finsterlin, Holzinshaus, Kreis Lörrach D; das Rezept wurde in unserem Buch „Arnika und Frauenwohl“ abgedruckt).
Hagebuttenmus
Zutaten: 700 g Hagebutten, 150 g heller Blütenhonig, 1 Zimtstange 6 EL Zitronensaft.
Zubereitung: Die Hagebutten halbieren und zusammen mit Honig, Zimtstange und Zitronensaft in wenig Wasser aufkochen. 15 Minuten köcheln lassen und anschliessend durch ein Sieb streichen. Den Saft auffangen und nochmals aufkochen. Noch heiss in 1 bis 2 Gläser abfüllen und sofort verschliessen. Zum Aufbewahren in den Kühlschrank stellen.
Dieses Mus eignet sich sehr gut als Brotaufstrich und als Grundlage für Fruchtsaucen. (Rezept von Carine Buhmann, Liestal, CH).
Vanillepudding mit Hagebuttenmark
Zutaten für das Hagebuttenmark: 500 g Hagebutten, 2 Vanilleschoten, 1−2 EL Zitronensaft, 3−4 EL Akazienhonig.
Zutaten für den Pudding: 5 dl Milch, 2 Eigelb, 3 EL Akazienhonig, 1 dl Rahm, 75 g feines Dinkelvollkornmehl, 2 Eiweiss, 1 Prise Salz.
Weitere: Einige Pfefferminzblätter zur Garnitur.
Zubereitung: Am Vortag zuerst das Hagebuttenmark am Vortag zubereiten. Dazu Hagebutten waschen, halbieren und mit den Vanilleschoten in einen Kochtopf geben. Mit kaltem Wasser knapp bedecken und einen Tag stehen lassen. Am nächsten Tag die Hagebutten und Vanilleschoten mit dem Einweichwasser aufkochen und 30 bis 40 Minuten weich kochen. Die Vanilleschoten entfernen und für den Pudding aufbewahren. Anschliessend die Hagebutten durch ein feines Sieb streichen. Das Hagebuttenmark mit Zitronensaft und Honig abschmecken.
Für den Pudding die Milch in einen Kochtopf geben. Die Vanilleschoten längs aufschneiden und das Mark herausschaben. Beides mit der Milch zum Kochen bringen. Einige Minuten leicht köcheln lassen und die Schoten entfernen. Eigelb, Honig und Rahm mit dem Schneebesen gut verrühren und unter ständigem Rühren beifügen. Das Vollkornmehl zum Schluss einrühren. Alles nochmals kurz aufkochen und beiseite stellen. Das Eiweiss mit dem Salz steif schlagen und sorgfältig unter die abgekühlte Puddingmasse heben. Kleine Puddingförmchen mit kaltem Wasser ausspülen und mit der Masse füllen. 2 bis 3 Stunden auskühlen lassen. Den Rand der Puddingförmchen mit einem Messer lösen und vorsichtig auf Dessertteller stürzen. Mit Hagebuttenmark und einem Pfefferminzblatt garniert servieren. (Rezept von Carine Buhmann, Liestal, CH; herzlichen Dank für die Abdruckerlaubnis).
Da kann man nur noch guten Appetit wünschen!
Literatur
Bielenberg, Jens: „Hagebutte auf dem Prüfstand“, „Pharmazeutische Zeitung“ online, 2007-06.
Buhmann, Carine: „Wildfrüchte und Wildbeeren“, „Natürlich“, 1997-10.
Bühring, Ursel: „Hagedorn und Hopfenkranz“ (Blüten und Früchte von Busch und Hecke), Edition Achillea, Freiburg 1993.
Helm, Eve Marie: „Feld-, Wald- und Wiesenkochbuch“, Kochbuchverlag Heimeran, München 1978.
Krebs, Susanne; Tempelmann Yvonne: „Die Jahreszeiten-Küche Früchte und Beeren“, Unionsverlag, Zürich 1988.
Künzle, Johann: „Das grosse Kräuterheilbuch“, Verlag Otto Walter, Olten 1945.
Scholz, Heinz: „Die Parade der ,Wilden’", „Natürlich“, 1997-10.
Scholz, Heinz: „Arnika und Frauenwohl“, Ipa-Verlag, Vaihingen 2002.
Sieg, Hilde: „Baum und Strauch dir ewig heilverbündet“ Rowohlt Verlag, Stuttgart 1939.
Souci, Fachmann, Kraut: „Lebensmitteltabelle für die Praxis“, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2004.
Vonarburg, Bruno: „Natürlich gesund mit Heilpflanzen“, AT Verlag, Aarau 1993.
Ohne Autorenname: „Aktivstoffe aus der Hagebutte“, Reformhaus Kurier, 2011-08.
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