BLOG vom: 19.11.2011
Rundwanderung: Kultur, Weinbau, alter Kalkofen ab Kreiterhof
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
Am 10.11.2011 unternahmen wir zu Viert eine ungewöhnliche und interessante Wanderung bei nebliger Witterung. Wir parkierten beim 200 Jahre alten „Kreiterhof“ in Kandern-Egerten D und suchten die 1. Station des Kulturlandwegs auf. Von einer Tafel erfuhren wir, dass es sich um einen bequemen Rundkurs über 3 km mit sanften Steigungen und Gefällen handelt. Da wir geübte Wanderer sind, hatte unser Wanderführer Toni bei dieser nachmittäglichen Tour eine Ausweitung der Strecke auf 2 Stunden ausgearbeitet.
An 12 Fixpunkten des Kulturwanderwegs stehen Infotafeln, die Informationen mit Bildern zum jeweiligen Flurbild und Besonderheiten bringen. So konnten sich die Wanderer über Gebüsche und Hecken, Obstbau, Schilf, Weinbau, Beerenkulturen, Kulturland im Wollbachtal, Forstwirtschaft, Ackerbau und Viehhaltung informieren. Die Gestaltung der sehr schönen Tafeln wurde von Armin Kreiter, Susi Peter-Just, Walter Bronner und Karl-Heinz Wiederhold durchgeführt.
Es ist hier eine abwechslungsreiche Landschaftsstruktur zu erkennen. Zu verdanken haben wir es dem badischen Grossherzog Karl Friedrich (1728−1811), der in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts eine Abkehr der Dreifelderwirtschaft durchsetzte und eine neue Landbaureform ins Leben rief. Es wurden dann auch kaum oder unbekannte Feldfrüchte, wie Kartoffeln, Dick- und Zuckerrüben angebaut. Der fortschrittliche Monarch setzte sich auch für die Einführung der Gutedelrebe ein. Die bäuerliche Kulturlandschaft des fruchtbaren Markgräflerlands hat sich in den wesentlichen Grundzügen bis heute erhalten. In bestimmen Fällen gab es jedoch bis einige Nutzungsveränderungen. Auch sieht man leider auch an Streuobstbäumen immer wieder nicht abgeerntete Äpfel, da nicht alles Obst zu Saft oder Most verarbeitet und verkauft werden kann.
Wichtiges Gestrüpp
Dann machten wir uns auf den Weg. Einige Stationen werde ich näher erläutern. Wir sahen an einigen Stellen wild wachsendes Gestrüpp, Tot- und Sturmholz sowie Geröllhalden und Brachland. Diese Landschaftselemente bilden wichtige Rückzugsmöglichkeiten und Habitate für unsere heimische Flora und Fauna und dienen der Erhaltung der Artenvielfalt. Dies war auf Tafel 3 zu lesen. In verrottetem Pflanzenmaterial überwintert beispielsweise die Erdkröte. Gebüsch und Hecken (alemannisch „Hürscht“) nutzen Vögel als Brut- und Nistplätze und als Nahrungsquellen. Und noch etwas ist für die Vögel überlebenswichtig: Die Gebüsche bieten Schutz vor Feinden wie Greifvögel. Und was finden wir noch im Gebüsch? Eidechsen, Igel und die geschützte Weinbergschnecke.
Dann konnten wir Interessantes über die Biene nachlesen. Der Nutzwert der Bienen in Deutschland wird mit 4 Milliarden Euro angegeben. Nach den Rindviechern (gemeint sind natürlich die Vierbeinigen) und Schweinen ist die Biene das drittwichtigste Nutztier. In Baden-Württemberg gibt es 16 000 Imker und 500 Wildbienenarten. Eine unglaubliche Zahl!
Wir kamen auch an kleinen Feuchtbiotopen unterhalb der Rebflächen im Berg vorbei. Auch diese sind Rückzugsgebiet zahlreicher Vogel- und kleiner Wildtierarten. An den Gewässerrändern wuchsen Grau- und Schwarzerlen. Sehr auffällig war ein grosses Areal an Schilf. Dieses 2 bis 3 Meter hohe Süssgras bildet ebenfalls Schutz für Tiere aller Art. Das wussten wir auch nicht: Die jungen Sprossen können als Gemüse verzehrt werden.
Reblaus und Rebhäuschen
Über den Weinbau konnten wir uns auf einer Infotafel an einem Rebhang informieren. Neben dem Gutedel (entspricht dem im Schweizer Waadtland und Wallis angebauten Fendant und dem Elsässer Chasselas) werden Spätburgunder, Riesling, Silvaner, Ruländer, Gewürztraminer und Weissburgunder angebaut. Die Südhänge des Markgräfler Hügellands eignen sich nämlich schon seit Jahrhunderten für den Weinbau.
Dann lasen wir dies: „Die im 19. Jahrhundert aus den USA via London eingeschleppte Reblaus führte zur Reblauskatastrophe, welche den europäischen Weinbau fast völlig vernichtete. Erst die Einführung der Pfropfrebe (Edelsorte auf reblaustolerantem Stock) führte zur nachhaltigen Verbesserung der Situation.“
Am Wegesrand kamen wir auch an Apfelbäumen vorbei, an denen noch einige Äpfel hingen. Auch sahen wir immer wieder Äpfel auf dem Boden liegen. Wir suchten uns noch nicht aufgeplatzte gelbe Äpfel heraus und bissen mit einer wahren Wonne ins saftige Obst und schmatzten lustvoll.
Nach den Beerenkulturen kamen wir am Rebhäuschen (alemannisch Räbhüsli), das sich am Südrain des Wollbacher Hausbergs Buchhole befindet, vorbei. Es ist heute eine Rast- und Schutzhütte, die früher auch der Bammert (Feldhüter) nutzte, da er von hier einen guten Überblick auf die Rebflächen hatte. Das Rebhäuschen „Baselblick“ wurde in den 1950er-Jahren auf einen zerfallenen Vorgängerbau errichtet.
Vor dem Häuschen befindet sich ein herrlicher Grillplatz, und in der Nähe ist der Fasnachtfeuerplatz. Nach uraltem Brauch werden am 1. Sonntag der Passionszeit (Invokavit) das traditionelle Fasnachtsfeuer und das Scheibenschlagen praktiziert. Die Bräuche dienen dazu, den Winter zu vertreiben.
Von hier aus und auf dem in der Nähe liegendem Dreiländerblick soll man einen herrlichen Blick auf Basel, Weil am Rhein, Lörrach und Gebiete des Elsass haben, aber an diesem Tag hatten wir alle einen vernebelten Blick. Wir waren nicht durch Alkohol umsäuselt, sondern konnten wegen des Nebels nur bis zur Gemeinde Wollbach sehen. Die Gemeinde, die seit 1974 zur Stadt Kandern gehört, hat einige Sehenswürdigkeiten zu bieten. Wollbach ist nicht nur Station der historischen Kandertalbahn (Hammerstein), sondern besitzt auch einen historischen Forsthof (1739 erbaut, jetzt Privatbesitz), historische Mühlen (Bruckmühle, Hofmühle, Hammersteiner Mühle). In der Evangelischen Pfarrkirche ist ein Turm-Museum eingerichtet.
Historischer Kalkofen
Danach gingen wir nicht auf den Kulturlandweg weiter, sondern weiteten die Wanderung aus und frequentierten den Kalkofenpfad (geologischer Lehrpfad) und erreichten den Planetenweg (Einstieg am Mars). In der Nähe konnten wir den historischen Kalkofen von 1929 bewundern. Er wurde Ende der 60er-Jahre renoviert und dient heute den Fledermäusen als Unterschlupf. Er ist übrigens der einzige Zylinder-Kalkofen des Markgräflerlands.
Im Kalkofen wurde früher bei einer Temperatur zwischen 900 und 1200 °C Branntkalk (CaO) aus Kalkstein (CaCO3) hergestellt. Aus dem Branntkalk wurden Kalkfarbe, Kalkmörtel oder hydraulischer Kalk hergestellt.
Heute erfolgt die Herstellung in vertikal arbeitenden Ring- oder Schachtöfen bzw. in Drehöfen oder Wirbelstromöfen bei einer Temperatur von 900 bis 1300 °C. Die neuen Verfahren sind wirtschaftlicher.
In der Nähe des „Max Böhlen-Museums“ (Max Böhlen war ein Schweizer Maler, er lebte von 1902−1971) verliessen wir den Planetenweg und wanderten durch den Ortsteil Egerten zum Kreiterhof. Hier wurde am 03.10.2009 das „Kreiterhofmuseum“ eröffnet. Das Museum, das von Armin Kreiter geschaffen wurde, kann auch ausserhalb der Öffnungszeiten besichtigt werden. Das Museum werde ich mir irgendwann einmal ansehen. Aber schon im Aussenbereich sind viele alte bäuerliche Gerätschafen, alte Kutschen und unter dem Vordach sogar ein aufgehängtes altes Motorrad zu sehen. Es ist ein Eldorado für Entdecker und Liebhaber von alten landwirtschaftlichen Gerätschaften. Besonders auffällig ist der schon etwas verrostete Kartoffeldämpfer (Krumbiredämpfi), der auf einem Platz vor dem imposanten Kreiterhof steht. Näheres über den Kartoffeldämpfer ist in meinem Blog vom 12.11.2006 „Nostalgisches am Weg: Kartoffeldämpfer, Dampflokomotiven“ nachzulesen.
An diesem Tag war die „Kreiterhof Weinschenke“ (www.kreiterhof.de) leider schon geschlossen, so dass wir unsere Schlusseinkehr in der „Alten Krone“ in Wollbach machten.
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