BLOG vom: 07.02.2012
Warum nicht vor dem Eintreffen des Schadens klug werden?
Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
Durch Schaden wird man klug. Krise als Chance. Die Tage im Spital haben ihm gezeigt, dass er sein Leben ändern und kürzertreten muss.
Solche Plattitüden liest und hört man täglich in dieser Welt, in der Vernunft und Weisheit von einer schicksalsergebenen Banalkultur verdrängt worden sind. Das Nachdenken wurde abgeschafft. Gewiss, viele Krankheiten und Unfälle treffen Menschen unverschuldet, und zudem ziemt es sich nicht, Kranken die Schuld für ihren Zustand zuzuschieben. Doch sollten wenigstens Ärzte Ursachenforschung betreiben, im Interesse einer wohlverstandenen Präventivmedizin. Wieso denn breiten sich die Zivilisationskrankheiten so sehr aus? Was läuft mit unserer Zivilisation falsch? Was ist krankmachend an unserem Lebensstil, in den wir eingebunden sind?
Aber muss man denn wirklich zuerst eine Kollision mit einer Eisenbahn veranstalten, um zur Einsicht zu kommen, dass Bahnübergänge gefährlich sind? Muss man sich von unnötigen chirurgischen Eingriffen (es gibt sicher auch berechtigte) als verstümmelte Vorstufe eines Leichnams zur Einsicht begleiten lassen, dass man nicht leichtfertig unters Messer liegen sollte? Lehren aus Krisen und Elend, wenn sie sich halt einmal eingestellt haben, sind gut und recht – man soll ja aus jeder Situation das Beste herausholen. Doch es gibt mehr als genügend Anschauungsmaterial in der Umgebung, aus dem man lernen könnte. Aus den Fehlern anderer zu lernen, ist die weit komfortablere Lösung; denn sie erübrigt einem, die Fehler selber zu machen und das damit verbundene Leid zu tragen, zu ertragen.
Den Kult um die Grossartigkeit der Krankheit und die mit ihr verbundenen Chancen hat der deutsche Esoteriker Thorwald Dethlefsen (1946‒2010) in den 1970er-Jahren so richtig beflügelt – er starb in Wien an Schlaganfällen und dürfte inzwischen erfahren haben, ob an seiner Reinkarnationstheorie etwas dran war. Eine besondere Bekanntheit erreichte sein Buch „Krankheit als Weg: Deutung und Be-Deutung der Krankheitsbilder“, das er zusammen mit Ruediger Dahlke schrieb; später lebten sich die beiden auseinander. Dethlefsen suchte krampfhaft nach einem Sinn in allen Krankheiten, welche den Menschen dann in höhere Sphären zu hieven haben. Und Unfälle führte er nicht einfach auf mangelnde Vorsicht oder technische Mängel und dergleichen Pech und Pannen zurück: Er vertrat die Ansicht, dass uns der Weg, den wir gehen, nicht mehr passt, uns aber der Mut fehlt, ihn zu verlassen, so dass wir eigentlich herausgerissen werden müssen. Dem Menschen passiere nur das, was er eigentlich wolle, fand er heraus. Wollte er selber so früh ins Jenseits hinüber wechseln? Vielleicht trieb ihn der Forscherdrang dorthin.
Meine persönliche Philosophie ist vergleichsweise simpel. Man sollte aus Fehlern anderer lernen, beobachten, ergründen und daraus seine Lehren ziehen. Das gilt nicht nur für die eigene Gesundheit, sondern auch für die Politik auf allen Ebenen. Man hatte genug Gelegenheit, zu lernen, dass der Kommunismus nicht funktionieren kann. Man erfuhr, dass die von diesem System betroffenen Menschen ins Elend abgedrängt und bei leichten Unangepasstheiten ermordet wurden. Und alle Indizien weisen daraufhin, dass auch ein Kapitalismus, der sich nur bei einem Dauerwachstum über Wasser halten kann, keine Zukunft hat. Man hat genügend Indizien, die zeigen, dass die Globalisierung mit dem schwachsinnigen Ziel der maximalen Ausbeutung der Erde durch die Schaffung wirtschaftlicher Monokulturen unter US-Kontrolle eine folgenschwere Idiotie ist, die ganze Wirtschaftszweige ausradiert, zur Massenarbeitslosigkeit und zu ruinösen sozialen Unruhen führt. Der Persönlichkeits- und Datenschutz werden ausgehebelt; die gleichgemachten Menschen müssen sich sozusagen bis aufs Hemd ausziehen, wenn sie nicht in die kriminelle Ecke abgedrängt und auf Verdacht hin bestraft werden wollen. Immer mehr Erfindungen in dieser digitalen Welt machen es den Schnüfflern einfach. Die Staaten-Gemeinschaften verarmen, produzieren Geld am Laufmeter, versinken in der Schuldenwirtschaft und sterben (gemeinsam) den Massentod. Den narrenfreien Notenbanken sei Dank. Das Sterben im Kollektiv ist für das Individuum gleichbedeutend wie Sterben nach persönlichem Zuschnitt. Das Resultat ist dasselbe: Tot ist tot.
Sterben müssen wir alle. Das hat sich herumgesprochen. Aber müssen wir auch alle die gleichen Fehler persönlich machen und die gleichen Schmerzen zu ertragen, um, daran Gewachsen, den künstlich hinausgezögerten Tod mit künstlich herbeigeführtem Leiden und gereiftem Denken zu erlangen?
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Buchhinweis
Hess, Walter, und Rausser, Fernand: „Kontrapunkte zur Einheitswelt. Wie man sich vor der Globalisierung retten kann“, Verlag Textatelier.com GmbH, CH-5023 Biberstein 2005. ISBN 3-9523015-0-7.
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