BLOG vom: 30.04.2012
Die Schlacht der Oasen-Inhaber im Revier der Steuerjäger
Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
Seit den Lehrstücken, die uns der im Irreführen und Belügen der Weltöffentlichkeit begnadete Alt-US-Präsident George W. Bush hinterlassen und welche sein Nachfolger Barack Obama weitergeführt hat, gehört es zum allgemeinen Wissensgut, dass bei der Einleitung von Kriegen, und sei es auch nur ein Wirtschaftskrieg, eine Nation als Schurkenstaat heruntergemacht wird. Das bedeutet im Klartext: Feuer frei!
Innerhalb des Bankwesens mit dem damit verbundenen Steuergeheimnis gilt die reiche Schweiz als der global herausragende Schurkenstaat – mit den entsprechenden Konsequenzen. Wie immer treten die US-Jünger auf den Plan, die durch eigene Inszenierungen die weltherrschaftlichen Polizisten unterstützen und ihre Ergebenheit an die des Christengottes liebste Nation zur Schau stellen möchten. Das kann man nicht nur im Bereich der handfesten Kriege wie beispielsweise gegen den Irak und Afghanistan, der aktiven Unterstützung (wenn nicht gar Inszenierung) des sogenannten afrikanischen Frühlings, sondern auch in der Finanzwirtschaft spüren. Denn auch alle anderen Sektoren werden davon betroffen.
Die Vorgänge sind immer gleich: Als der mächtige und höchst gefährliche damalige US-Notenbankboss Sir Alan Greenspan, der sein Zerstörungswerk 1987 begann, orakelnd die Gelddruckmaschinen auf Hochtouren laufen zu lassen und das Sparen zu torpedieren und in eine Schuldenwirtschaft umzufunktionieren begann, war der Jubel von Politik, Bankfachexperten, Medien und Gesellschaft riesig. Die Welt geriet in Verzückung. Noch 2002 adelte die britische Königin Elizabeth II. den Schuldenakrobaten mit dem Titel „Knight Commander of the British Empire“. Die USA begannen, weit über ihre Verhältnisse hinaus zu leben und Schlachten zu führen und durch den Dollarzerfall auf Kosten der dummen Restwelt zu leben. Die Folgen bekommt nun ein Land nach dem anderen zu spüren, vor allem jene, die sich von den Greenspan-Entgleisungen mitreissen liessen. Die Blasen platzen zurzeit in Serie.
In einer Art Dauertrance verharrt der Mainstream in der Welt des Irreseins, ohne etwas zu hinterfragen. Und wenn es Einzelne wagen, begründet auf Fehlentwicklungen hinzuweisen und damit den Gottesdienst zu stören, müssen sie halt von der Bildfläche verschwinden. Geradezu verheerend ist es, wenn ganze Regierungen wie die überwiegende Mehrheit des Schweizer Bundesrats nicht mehr für das Wohlergehen des eigenen Lands schauen, wozu sie eigentlich amtseidlich verpflichtet wären, sondern sich ebenfalls ihren Feinden unterwerfen und deren Interessen zu vertreten beginnen.
Gleiche Oasen für alle
Das neueste Schweizer Beispiel, das in den Medien nur ein ganz kurzes Aufflammen bewirkte und sogleich wieder von der Bildfläche verschwand, spielte sich hinsichtlich der vor einigen Monaten eingebrachten Verpflichtung des Parlaments an die Adresse des Bundesrats (Exekutive) ab, gegen Steueroasen in den USA und Grossbritannien tätig zu werden. Die Motion fand deutliche Mehrheiten, selbst die „Grünen“ stimmten und engagierten sich dafür.
Bei der gegenüber der USA landesüblichen Unterwerfungsmentalität, den Kniefällen in der Kirche ähnlich, traf der Bundesrat den Fehlentscheid, der Sommersession 2012 des eidgenössischen Parlaments zu beantragen, die verbindliche Motion abzuschreiben, also nichts zu unternehmen. Dabei ist das Anliegen naheliegend und berechtigt: gleich wenig oder gleich viel Oase für alle. Und wenn schon: Abschaffung des Bankkundengeheimnisses für alle Finanzplätze. Der Bundesrat, der die Interessen der Schweiz, für die er eigentlich da wäre, einmal mehr mit Füssen trat, begründete seinen Entscheid damit, es gebe keinen Anlass, gesetzgeberisch tätig zu werden. Punkt. Weitere Auskünfte war vom Finanzdepartement, das Frau Widmer-Schlumpf leitet, nicht zu bekommen ... sehr vertrauenerweckend. Manchmal wird man das Gefühl nicht los, der linksbetonten Landesbehörde gehe es darum, die Selbstbestimmung der Schweiz auszuhöhlen und sie als unabhängigen Staat abzuschaffen, eine moderne Form von Landesverrat.
Es ist doch nicht einzusehen, dass andere Steueroasen wie die USA und Grossbritannien, die durch die Zerstörung des Finanzplatzes Schweiz die Vermögensverwaltungsgeschäfte an sich reissen wollen, unbehelligt geschäften können. Seit Jahren habe ich in zahllosen Blogs immer wieder daraufhin gewiesen und mich entsprechend gefreut, dass sich in der Schweiz, aus der bereits Milliardenvermögen abgeflossen sind, allmählich und endlich ein Widerstand regt, sogar von linksorientierter Seite. Arbeitsplätze und Steuern gehen verloren. Die Schweiz wird aufs Mittelmass hinuntergestampft. Nichtsdestotrotz ist die Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf ununterbrochen dabei, vorne- und hintenherum bei der Bankgeheimnis-Aufweichung ein Zugeständnis nach dem anderen zu machen. Es ist kaum zu fassen, dass man sie weiter gewähren lässt und sogar noch bejubelt. Im Prinzip ginge es ja nur darum, zu verhindern, dass die Schweiz in Bezug auf das Bankgeheimnis gegenüber anderen Ländern, insbesondere auch gegenüber den arroganten USA, verschärfte Sonderregeln akzeptieren muss. Sie hat schon vieles unternommen, ging in ihrer Nachgiebigkeit (auch wegen der unglaublich schwach agierenden Banken) viel zu weit.
Bei Verhandlungen über dieses delikate Geschäft müsste immer wieder betont werden, man lasse sich in der Schweiz mit Bezug auf die Ansprüche zur Informationsherausgaben so lange nichts mehr bieten, als andere Steueroasen unbehelligt weiterbetrieben werden können. Zu diesen gehören in erster Linie die USA, die ein einziges grosses Steuerschlupfloch sind, wobei einzelne Bundesstaaten wie Delaware dieses noch um eine Extraportion ausgeweitet haben. Ein verlogenes Verhalten auf der Basis von schreiendem Unrecht ist nicht etwas, was man durch seinen Applaus noch adeln sollte.
Der CVP-Ständerat Pirmin Bischof ist einer der aufrechten Schweizer, der sich dagegen wehrt. Ihm, der nicht eben als Haudegen bekannt ist, sind vor allem die amerikanischen und britischen Steuerschlupflöcher ein Dorn im Auge. Denn dort sei es völlig legal, nicht nur Steuerdelikte zu begehen, sondern sogar Geldwäscherei zu betreiben. Dies sagte Bischof gegenüber Schweizer Radio DRS. Entweder gelinge es der Schweiz, diese Praktiken in Grossbritannien und den USA zu unterbinden oder man müsse sich überlegen, „ähnliche Systeme – wie den britischen Trust – zu prüfen und einzuführen“. Der Mann kommt draus, und seine Anregung verdient grosse Beachtung.
Das Thema wurde stattdessen medial sogleich wieder vom Tisch gefegt. Hoffentlich halten wenigstens die Parlamentarier daran fest. Es darf doch kein vernünftig denkender Mensch erwarten, dass nur die Schweiz das Bankgeheimnis abschaffen muss und alle anderen diese gerade im Zeitalter des sich aufweichenden Datenschutzes wichtige Massnahme behalten und darüber hinaus auf Kosten der Schweiz profitieren können – worin ja die USA unbestrittene Meister sind.
Das selbstverständliche Bankgeheimnis
Das Bankgeheimnis bzw. Bankkundengeheimnis findet seinen Ursprung in der „actio iniuriarum“ des römischen Rechts und der „Lex Visigothorum“ des germanischen Volksrechts. Der Privatsphäre einer Person wurde schon immer eine besondere Aufmerksamkeit zuteil. Es gibt ja auch viele andere Berufsgeheimnisse, die von Bedeutung sind – bis hin zur Post. Und gerade auch die Bankfachleute schufen mit einer Diskretion, auf die man sich verlassen konnte, Vertrauen und Ansehen, Grundlagen für jedes Geschäft.
Im Prinzip ist das Bankgeheimnis eine organisch gewachsene Geschäftsübung, die erst spät im Bankengesetz verankert wurde. An sich gehört das Bankgeheimnis zu einem selbstverständlichen Vertragsinhalt zwischen Kunde und Bankier. Bankdaten dürfen nur weitergegeben werden, wenn dafür eine Gesetzesgrundlage zur Verfügung steht, und solche Gesetze sind Ländersache. Wer sich über dem Gartenhag einmischen will, soll sich bitte in seinem eigenen Land umsehen und sich überlegen, ob er nicht von anderen etwas zu liquidieren verlangt, was ihm selber heilig ist. Zudem ist es ja doch wohl Sache jedes Lands, die Besteuerung der eigenen Bürger zu regeln und das Geld einzutreiben. Andere Staaten damit zu beauftragen, ist ein Nonsens, eine Anmassung, die schon aus Gründen der Praktikabilität scheitern werden. Zudem ist das Bankgeheimnis nicht einfach ein anderes Wort für Steuerbetrug oder Steuerhinterziehung. Es hat seinen tieferen Sinn, seine einleuchtende Bedeutung .
Der Europarat
Im Dienste der amerikanisierten Globalisierung (der wirtschaftlichen und kulturellen Plattwalzung) steht neben vielen anderen Institutionen der im Mai 1949 gegründete, in Strassburg ansässige Europarat, ein kurioses, überflüssiges Gebilde auf der Suche nach Beschäftigungsmöglichkeiten, dem 47 Mitgliedstaaten angehören, darunter seit 1963 leider auch die Schweiz. Der Europarat war die erste internationale Organisation, dem die Alpenrepublik beigetreten ist, obschon das nur schwer mit der Neutralität zu vereinen war. Eine Phase der Umnachtung des demokratischen Geists begann. Dummerweise überdachte man die langjährige und restriktive „Neutralität der Schweiz“ neu, was man oft besser lassen würde, und kam offensichtlich zu einem falschen Schluss. Viel Blödsinn richten die doofen Gutmeinenden an.
Die Zielsetzungen des Europarats tönten ja auch nicht so schlecht, wenn auch sehr verallgemeinernd: Der Europarat fördert Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Und man konnte ja nicht so genau vorhersagen, was dabei herauskommen würde ... und wenn immer man die Folgen nicht voraussehen kann, sagt man besser nein, eine alte Überlebensregel, von der sich erfahrene Demokraten bei Abstimmungen leiten lassen. Der Europarat ist ein Musterbeispiel dafür, dass internationale Organisationen selbst dann nicht verschwinden, wenn sie niemand mehr braucht und nur noch belästigend wirken.
Tatsächlich ist es bemerkenswert, wie der Europarat mit liederlichen Mitteln gegen eigene Mitglieder agitiert, wenn er bloss einen Beitrag an die allmächtigen USA leisten kann. So hat sich der belgische Europarat-Abgeordnete und Sozialdemokrat Dirk van der Maelen dazu berufen gefühlt, einen Finanzgeheimnis-Index zusammenzubasteln. Die Grundlage seiner Bastelei war eine Tabelle des in London angesiedelten Tax Justice Network (Netzwerk für Steuergerechtigkeit), einer internationalen Nichtregierungsorganisation. Und obschon die Schweiz in der letzten Zeit ihr Bankgeheimnis bis zum Gehtnichtmehr aufgeweicht hat, fällt ihr die Ehre zu, auf der neu erarbeiteten schwarzen Liste den Spitzenplatz einzunehmen; was sie alles an Geheimnislüftung tat und tut, fand offensichtlich noch kaum einen Niederschlag. Das Gremium tagte ausgerechnet unter Schweizer Vorsitz: Die SP-Ständerätin Liliane Maury Pasquier präsidiert die Kommission.
Was herauskam, ist erschütternd: Die Schweiz nimmt auf der Liste den Spitzenplatz ein. Dahinter folgen die Cayman-Inseln, Luxemburg, Hongkong und – man höre und staune! – die USA. Sogar Deutschland, das die Schweiz in Steuerfragen enorm unter Druck gesetzt hat (wobei der Finanzminister Wolfgang Schäuble, ein Freund der Schweiz, eine moderate Rolle spielte) hat es in die Top-Ten unter den „Verdunkelungsoasen“ geschafft: auf Platz 9. An anderer Stelle schreibt das Netzwerk: „Ohnehin sind die grossen Finanzzentren wie Grossbritannien, die USA und die Schweiz die grössten Übeltäter.“
Aufgrund des Anklageberichts wollen die 47 Mitgliedstaaten des Europarats mehr Druck auf die üblen Steuerparadiese ausüben. Ausdrücklich fordern sie die Abschaffung des Bankgeheimnisses; dafür soll in ganz Europa der automatische Informationsaustausch eingeführt werden. Datenschutz ade! Dabei geht es ja logischerweise nur um Europa und besonders um die Schweiz; die USA werden vom Europarat einmal mehr unbehelligt bleiben. Eine Resolution ruft die Mitläufer auf, mehr Druck auf jede Art von Bankgeheimnis und insbesondere auf die Schweiz auszuüben. Und der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) werden aufgefordert, die „Überwachung der Steuerregime ihrer Mitgliedsländer zu verstärken“. Blöderweise hat sich die Schweiz auch in beide angesprochenen Organisationen verirrt. Sie zählt nichts, aber zahlt mit. Der Europarat verpulvert pro Jahr etwa 210 Mio. Euro.
Urs Schwaller ist einer der Europarat-Abgeordneten. Er stimmte gegen die Resolutionsidee und kam sich einsam vor. Zum „Tages-Anzeiger“ (12.04.2012) sagte er, der Bericht sei tendenziös und unvollständig. Der Ursprung der zugrunde liegenden Zahlen sei unklar. Zudem werde im Bericht in keiner Weise auf die zahlreichen Fortschritte der vergangenen Jahre eingegangen: „Die Schweiz ist kein Schurkenstaat, trotzdem stehen wir am Pranger.“
Der Europarat hat der Resolution am 27.04.2012 zugestimmt, was zu erwarten war. Alle Schweizer Mitglieder stimmten dagegen, mit Ausnahme von SP-Mann Andreas Gross, der auch von Strassburg aus die Schweiz schwächen möchte und von der Schweiz finanziert wird, weit, weit über das von Gewerkschaften geforderte Grundeinkommen hinaus. Er gilt als der mit Abstand grösste nationale Spesenritter, dessen ungehemmtes Geldverschleudern von uns Steuerzahlern aufgebracht werden muss. Die Resolution, die ihm so gut gefallen hat, verlangt auch eine europaweite Harmonisierung (Egalisierung) der Unternehmensbesteuerung – wahrscheinlich damit abgezockte Firmen in andere Erdteile auswandern müssen.
Bei der momentanen Qualität unserer Landesbehörde (dem Ueli Maurer, der sich der linken Übermacht beugen muss, möchte ich kein Unrecht tun) haben Schurken in aller Welt ein leichtes Spiel, gegen uns Oberschurken vorzugehen. Was wir dringend brauchen: Eine brauchbare Politik und den Mut zum Widerstand gegen Erpressungen.
Man kann doch kein ausgemachter Schurke sein, wenn man sich so grenzenlos nachgiebig zeigt und sogar unlimitiert Euro-Schrott zusammenkauft. Das geht schon eher in Richtung Geistesschwäche.
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