Textatelier
BLOG vom: 03.05.2012

Die Artischocke reguliert Blutfette und hilft bei Völlegefühl

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Die Artischocke war für mich immer eine besondere Pflanze, die nicht nur kulinarische Höhepunkte brachte, sondern auch diverse Heilwirkungen. Über diese Wirkungen schrieb ich in den vergangenen Jahren den einen oder anderen Artikel. Das Thema wurde für mich wieder aktuell und zwar aufgrund einer Leserzuschrift von Rolf Hess, der auf Cebu (Philippinen) lebt. Es geht um seinen Schwiegersohn, der wegen Leukämie behandelt wurde und grosse Mengen Prednison erhält. Rolf Hess wollte nun wissen, wie man seine Gallenblase bzw. Leber schützt. Ich riet zu einem Artischockenpräparat, insbesondere zu einem Artischocken-Presssaft, weil in diesem die meisten Wirkstoffe konzentriert vorhanden sind. (Hinweis: Die Anwendung sollte man immer mit einem Therapeuten absprechen.)
 
Betrachten wir einmal die Besonderheiten der Artischocke näher:
 
Gemüse für Feinschmecker
Die zur Familie der Korbblütler gehörende Artischocke (Cynara scolymus L.) spielte schon im alten Ägypten eine bemerkenswerte Rolle. Man findet Artischockenköpfe abgebildet auf altägyptischen Monumenten. Plinius d. Ä. (23‒79), römischer Schriftsteller und Befehlshaber der kaiserlichen Flotte, bezeichnete das Distelgewächs als eine Speise der Reichen. Die Artischocke wurde zu horrenden Preisen gehandelt. Plinius tadelte die „Geldverschwendung für Disteln“ und äusserte, dass selbst das kleinste Beet mit diesem Gemüse einen Jahresertrag von 6000 Sesterzen einbrachte. Galenos (131‒201), ein griechisch-römischer Arzt, schrieb die ersten Anleitungen zur Herstellung verschiedener Gerichte nieder. In Italien wurde die grossköpfige Artischocke erst im 15. Jahrhundert bekannt. Der Gärtner Philipp Strozzi aus Neapel soll bereits 1466 diese Art nach Florenz und Venedig geliefert haben.
 
Im folgenden Jahrhundert kam die Gemüse-Artischocke (Kardone) nach Frankreich, Belgien und England. Die Kardone ist ein Stielgemüse und eng mit der Artischocke verwandt. Man vermutet sogar, dass die Kardone die Stammform der Artischocke ist.
 
In Frankreich blieb die Artischocke den Feinschmeckern der vornehmen Gesellschaft vorbehalten. 400 Jahre war die Artischocke bevorzugtes Gemüse der Herrschaftshäuser. Die Artischocke galt auch als ein Aphrodisiakum, also ein Mittel, das den Geschlechtstrieb anregt und stärkt. Madame de Pompadour, eine Mätresse von König Ludwig XV. von Frankreich, verspeiste grosse Mengen dieses Gemüses und machte sich damit bei den Moralaposteln jener Zeit sehr unbeliebt.
 
Heute ist die Artischocke zum Glück für jedermann zugänglich. Sie wird hauptsächlich als Vorspeise und als Zusatz zu Speisen wegen ihres feinen, leicht bitteren Geschmacks verzehrt, ausserdem werden durch sie viele Mahlzeiten pikant gewürzt. Verwendet werden der zarte, schmackhafte Blütenboden und der fleischige untere Teil der Blütenhüllblätter. Die meisten heilkräftigen Wirkstoffe stecken jedoch in den Blättern bzw. in den Artischockenblütenknospen.
 
Wirksame Inhaltsstoffe
Die Artischocke enthält Caffeoylchinasäuren, wie beispielsweise die Chlorogensäure und das Cynarin, aber auch Flavonoide und Sesquiterpenlactone. Für die Wirksamkeit wird ein Komplex aus den genannten Wirkstoffen verantwortlich gemacht (Synergismus). Am wirkungsvollsten scheinen die Caffeoylchinasäuren zu sein, da sie die Bildung von Galle in den Leberzellen anregen und Cholesterin und Triglyceride zu senken vermögen.
 
Darüber hinaus hat die Artischocke noch weitere Inhaltstoffe zu bieten. Genannt seien organische Säuren, Vitamine (Niacin, Vitamin C), Mineralstoffe (Kalium, Magnesium, Kalzium) und Ballaststoffe.
 
Die Wirkung des frischen Presssafts aus Artischockenblütenknospen ist deshalb so gut, weil in diesem der Gesamtkomplex von Wirk- und Inhaltsstoffen, also alle bioaktiven Stoffe in ihrer natürlichen Harmonie (man spricht vom gesamten Wirkstoffring der frischen Pflanze), unverdünnt und in konzentrierter Form und seiner natürlichen Zusammensetzung enthalten sind. Bei der Herstellung wird auch auf den richtigen Erntezeitpunkt geachtet. Dieser ist deshalb so wichtig, weil dann die höchsten Gehälter an Inhaltsstoffen in der Pflanze sind.
 
Artischocke als Arzneimittel
Schon Dodonaeur (1517‒1587) schreibt der Artischocke einen Einfluss auf die Gallenbildung zu. Wiederum andere Heilkundige weisen auf eine harntreibende Wirkung hin.
 
Eine der ersten gründlichen Untersuchungen stammte von J. Brel aus dem Jahre 1926. Schon damals stellte er in langwierigen klinischen Untersuchungen fest, dass sich der Artischocken-Extrakt eindeutig bei Leber- und Gallenstörungen bewährte. Weitere Untersuchungen folgten. So publizierte Dr. med. M. Dorn in der „Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren“ (Heft 11/1994) eine Arbeit, die aufhorchen liess. Mit dem naturreinen Heilpflanzensaft Artischocke (6 Wochen lang, 3-mal täglich 10 ml Presssaft) konnte er eindeutig eine Absenkung der Blutwerte von LDL-Cholesterin und Triglyceriden bei Patienten mit sekundärer Hyperlipidämie (erhöhter Gehalt an Blutfetten) erreichen. Das „gute“ Cholesterin (HDL-Cholesterin) wurde dagegen erhöht. Das HDL-Cholesterin ist befähigt, Cholesterin aufzunehmen und von den Geweben in die Leber zurückzuführen. Es kann dabei auch Cholesterin aus den Ablagerungen in den Arterien (arteriosklerotische Plaques) aufnehmen. Das „gute“ Cholesterin könnte man als Schutzstoff gegen die Zivilisationskrankheit Arteriosklerose bezeichnen.
 
Hilfreich bei Verdauungsbeschwerden
In einer ganz neuen Untersuchung in 6 Studienzentren (Fachärzte für Allgemeinmedizin und Innere Medizin) in Nordrhein-Westfalen und Hessen wurde erstmals die Wirksamkeit eines Presssafts aus frischen Artischockenblütenknospen (Schoenenberger) bei 110 Patienten mit Verdauungsbeschwerden näher untersucht. Die Studie wurde von Dr. Tankred Wegener ausgewertet und in der „Zeitschrift für Phytotherapie“ (S. 111‒116, 2009) publiziert.
 
Die Patienten litten unter Völlegefühl nach dem Essen, Appetitlosigkeit, Bauchschmerzen, krampfartige Schmerzen im Unterleib, Übelkeit, Aufstossen und Blähungen.
 
Die Patienten mit einem mittleren Alter von 54 Jahren erhielten 2- bis 3-mal täglich vor den Mahlzeiten 10 ml Presssaft. Die maximale Behandlungsdauer betrug 12 Wochen. Nach 6 Wochen erfolgte eine Zwischenuntersuchung.
 
Die Ergebnisse waren eindeutig: Sowohl die Bewertung durch die Ärzte als auch durch die Patienten fiel sehr positiv aus. Es besserten sich eindeutig die Appetitlosigkeit, Druck-, Schwere- und Spannungsgefühl im Oberbauch, Völlegefühl, Bauchschmerzen, krampfartige Schmerzen, Übelkeit, Aufstossen und Blähungen. Insgesamt besserte sich die krankheits- bzw. beschwerdebedingte Lebensqualität nach 6 Wochen um fast 60 % oder mehr und nach 12 Wochen um etwa 80 %. Die Wirkung wurde sowohl von Ärzten als auch von den Patienten in 87 % der Fälle mit „sehr gut“ oder „gut“ bewertet. Auffällig war die weitere zunehmende Verbesserung bei längerer Anwendung.
 
Bei den genannten Untersuchungen wurde nach 6 bzw. 12 Wochen eine Senkung des Gesamtcholesterins (12 % bzw. 21 %), des LDL-Cholesterins (11 % bzw. 18 %) und der Triglyceride (8 % bzw. 14 %) ermittelt. Der HDL-Cholesterinwert blieb unverändert.
 
Wichtig bei solchen Untersuchungen ist auch die Bewertung der Verträglichkeit. Die Medikation mit dem naturreinen Heilpflanzensaft wurde als „sehr gut“ und „gut“ sowohl von Ärzten als auch von Patienten bewertet.
 
Zusammenfassung der Wirkungen
Bis heute wurden folgende Wirkungen der Artischocke zugeschrieben:
 
O Eine Anregung der Gallenbildung in den Leberzellen.
 
O Eine Förderung der Ausschüttung der Galle aus der Gallenblase in den Zwölffingerdarm. Das ist besonders wichtig für die Fettverdauung. Die in der Galle enthaltenen Gallensäuren emulgieren nämlich die Nahrungsfette. Nun haben Verdauungsenzyme leichtes Spiel diese im Darm aufzuspalten, erst dann können sie vom Körper aufgenommen werden. Der Gallensaft spielt auch eine wichtige Rolle bei der Resorption von fettlöslichen Vitaminen (A, D, E, K).
 
Gerade in Zeiten der Völlerei, wie dies an den Festtagen der Fall ist, hilft der Heilpflanzensaft Artischocke sehr gut gegen die meist sich zeigenden Verdauungsbeschwerden. Immer wieder höre ich von Anwendern, die den Saft vor den Mahlzeiten einnehmen und dann solche Tage ohne Probleme überstehen.
 
O Eine Senkung des Gesamtcholesterinspiegels, des LDL-Cholesterins (umgangssprachlich vereinfachend als „schlechtes“ Cholesterin bezeichnet) und der Triglyceride. Erhöhung bzw. Stabilisierung des „guten“ HDL-Cholesterins.
 
O Antioxidative Wirkung. Antioxidantien sind an Entgiftungsvorgängen im Organismus beteiligt. Sie verhindern auch die Umwandlung des Cholesterins in „schädliches Cholesterin“ (oxidiertes LDL). Dieses oxidierte LDL-Cholesterin ist deshalb so gefährlich, weil es sich an den Gefässwänden ablagert.
 
O Harntreibende Wirkung.
 
O Eine Leberschutzwirkung und eine Steigerung der entgiftenden Funktion der Leber.
 
Hinweis: Artischockenzubereitungen dürfen nicht bei Verschluss der Gallenwege, bei Gallensteinen und bei einer bekannten Überempfindlichkeit auf Artischocken oder Korbblütler gegeben werden.
 
Literatur
Scholz, Heinz: „Frische Heilkräfte aus der Natur“ (Naturreine Pflanzensäfte), „Reform Rundschau“, 2008-11.
Scholz, Heinz: „Heilpflanzensäfte: Frische Kraft aus der Natur“, „Kneipp-Journal“, 2009-07.
Scholz, Heinz: „Artischocke reguliert Blutfette und hilft bei Völlegefühl“, „Reform Rundschau“, 2009-12.
 
Hinweis auf weitere Blogs mit Erwähnungen der Artischocke
Hinweis auf weitere Blogs von Scholz Heinz
Blütenpracht: Inkalilie, Sonnenbraut, Akanthus
Weidbuchen sind bizarre Schönheiten
Kurioses und Witziges von der Fussball-EM
Faszination von Fotos bei Regen
Maiglöckchen: Wunderschön, aber giftig für Mensch und Tier
Auf Pilzpirsch: Essbare von giftigen Pilzen erkennen
Ein bärenstarkes Museum in Gersbach
Barfuss über die Alpen
Foto-Blog: Auf geht`s zur Hohen Möhr
Foto-Blog: Vom Kleinen Rhein zum Altrhein
Fotoblog über den Schönauer Philosophenweg
Rote Bete (Rande), eines der gesündesten Gemüse
Hermann-Löns-Grab im Wacholderhain
Lüneburger Heide: Salzsau und Heidschnucken
Kutschenmuseum in Wiechs ist ein Schmuckstück