BLOG vom: 11.07.2012
Heilpflanzen in der Stadt 3: Nachtkerze fürs Wohlbefinden
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
Man glaubt es kaum: Es kommt auch etwas Gutes aus Amerika zu uns. Die Nachtkerze mit ihren gelben Blüten (Oenothera biennis L.) fand erst im 17. Jahrhundert den Weg aus Nordamerika nach Europa. Die Zierpflanze verbreitete sich sehr rasch in der neuen Heimat und verwilderte bald.
Die Gemeine Nachtkerze wächst besonders gern an Bahndämmen, Böschungen, Schuttplätzen, Wegrändern, Flussufern und in Vorgärten. Bei meinen Streifzügen durch Schopfheim entdeckte ich etliche Pflanzen am Wegesrand und in Gärten. Auch bei Fahrten mit dem Auto durch unseren Landkreis oder auch bei der Fahrt zu unserem Wanderurlaub in Südtirol sah ich immer wieder am Wegesrand die gelb blühenden und hoch aufragenden Nachtkerzen. Ein schöner Anblick.
Die Blüten der Nachtkerze öffnen sich in der Nacht. Es ist dann ein zarter, süsslicher Duft wahrnehmbar. Tagsüber sind die Blüten oft verschlossen. Prof. Dr. Walter Baumeister empfiehlt in seinem Pflanzenlexikon, man solle doch im Garten eine Nachtkerze vom Typ der grandiflora (Grossblumige Nachtkerze) halten. „Bei einbrechender Dämmerung öffnen sich die geschlossenen Knospen ganz langsam und geben die Kronblätter frei. Sobald sie sich halb geöffnet haben, entfalten sich die Kronblätter fast ruckartig, ein Vorgang, der nur 5−10 Minuten dauert. Inmitten der Kronblätter sieht man die pollenbeladenen Staubblätter.“
Übrigens werden die Nachtkerzen von Nachtfaltern bestäubt. Bei der Gemeinen Nachtkerze bestäuben sich die Blüten selbst, wenn die Knospe noch geschlossen ist.
Volksnamen: Rapontika, Gelbe Rapunzel, Schinkenkraut, Nachtschlüsselblume, Stolzer Heinrich, Härekrut, Gelber Nachtschatten, Nachtblume, Eierblume, Tag- und Nachtblume, Siebenschläfer, Abendblume, Nachtstern, Sommerstern, Süsswurz.
In Peru werden ein Wurzelbrei bei Quetschungen und anderen Verletzungen und eine Auflage des Samenbreis bei Hautausschlägen und Asthma verwendet. In unserem Land wurde ein Auszug aus Blättern und Wurzeln bei Prostatabeschwerden, Durchfall, zur Blutreinigung und Stärkung empfohlen. Die jungen zarten Blätter werden gerne zu Wildsalaten verwendet. Die Wurzeln können wie Sellerie oder Schwarzwurzeln zubereitet und sogar gedünstet werden. Ein altes Sprichwort sagt, dass ein Pfund der Nachtkerzenwurzel mehr Kraft gebe als ein Zentner Ochsenfleisch. Diese Erkenntnis dürfte Vegetarier interessieren.
Blütezeit: Juni bis September.
Sammelgut: Samenkapseln (in der Volksmedizin auch Wurzel und Blätter. Die Blüten können auch roh gegessen werden!)
Sammelzeit: Blüten (morgens, abends), Samenkapseln (im 2. Jahr).
Interessante Inhaltsstoffe
In neuerer Zeit entdeckte man im Samen der Nachtkerze heilkräftige Bestandteile. Die Samen der Nachtkerze sind vollgepackt mit den lebensnotwendigen Fettsäuren Linolsäure und Gamma-Linolensäure (GLS). Diese sind wichtige Bausteine für Lezithine und hormonähnliche Stoffe, den Prostaglandinen.
Im Samen der Nachtkerze sind 70 % Linolsäure und 10 % Gamma-Linolensäure enthalten. Man kann es kaum glauben, dass 10 000 der winzigen Samen nur 1 g Öl liefern. Blätter und Wurzeln enthalten Phytosterine, Oenotherin, Pentosane, Schleimstoffe und Pflanzensäuren.
Innerliche Anwendung
Das Öl wird wie folgt angewandt: Prämenstruelles Syndrom (Beschwerden vor der Monatsblutung), Akne, Ekzem, Neurodermitis, Schuppenflechte, Überaktivität, zur Vorbeugung und Therapieunterstützung bei Herz- und Kreislauferkrankungen.
Dr. med. Petra Orina Zitzenbacher erwähnt in ihrem Heilpflanzenbuch die Anwendung des Öls nicht nur bei Entzündungen der Haut, sondern auch zur Behandlung von Multipler Sklerose und anderen Nervenerkrankungen. Die Blüten können, wie die Autorin mitteilt, in Form von Kräuterkompressen, als Badezusatz und auch für die tägliche Nahrung verwendet werden.
Kombinationsmittel: Im Handel gibt es ein Kombinationsmittel (Biolipon-Kapseln von Dr. Grandel), bestehend aus Borretschöl (64 %), Nachtkerzenöl (7 %) und stark tocopherolhaltige Extrakte natürlichen Ursprungs (Antioxidationsmittel). Die in diesen Ölen enthaltene stoffwechselaktive Gamma-Linolsäure (pro Kapsel: 12,8 mg GLS) und eine ganzheitliche Ernährung tragen dazu bei, das weibliche Wohlbefinden, die Leistungsfähigkeit und das Konzentrationsvermögen zu erhalten.
Literatur
Grau, Jung, Münker: „Beeren, Wildgemüse, Heilkräuter“ (Steinbachs Naturführer), Mosaik Verlag, München 1983.
Künzle, Johannes: „Das grosse Kräuterheilbuch“, Verlag Otto Walter AG, Olten 1945.
Rössler, Helmut: „Die grosse Heilpflanzenpraxis“, BLV Verlagsgesellschaft, München 1984.
Scholz, Heinz; und Hiepe, Frank: „Arnika und Frauenwohl“, Ipa Verlag, Vaihingen 2002.
Vonarburg, Bruno: „Natürlich gesund mit Heilpflanzen“, AT Verlag, Aarau 1993.
Vonarburg, Bruno: „Energetisierte Heilpflanzen“, AT Verlag, Aarau 2010.
Zizenbacher, Petra, Orina: „Heilpflanzen, Apotheke aus Feld und Flur“, Freya Verlag, A-4210 Unterweitersdorf 2003. Hompage: www.zizenbacher.at.
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