BLOG vom: 06.10.2012
Schülerleben (2): Auerbach, Mörike, mittelmässige Schüler?
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
Nachdem der 1. Teil als Blog publiziert war, versuchte ich, von Bekannten Streiche aus ihrem Leben als Schüler zu erfahren. Das Ergebnis war mager. Einer sagte: „Ich kann leider nichts dazu beitragen, war wohl ein sehr ruhiger Bürger in der Schule.“ Eine Dame meinte, die Schule und die eigene Jugend seien weit weg. Sie konzentriere sich jetzt auf die 3. Lebenszeit. Warten wir einmal ab, ob mir noch Anekdoten aus der Schulzeit von unseren Lesern ins Haus flattern.
In meinem Archiv fand ich etliche Geschichten aus vergangener Zeit. Da hatten es nicht nur die Schüler schwer, sondern auch die Lehrer, die oft schlecht besoldet waren. Es gab Zeiten, in denen das Lesen und Schreiben für den normalen Bürger eine Zeitverschwendung waren. Ganz amüsant fand ich die Anekdote über den Dichter Berthold Auerbach, der einem Schüler eine Arbeit schrieb und dafür eine schlechte Note bekam. Im einem Gymnasium waren zu viele Schülerinnen; das wurde vom Kultusministerium als „ungesunder Zustand“ bezeichnet.
Lesen war Zeitverschwendung
In Basel gibt es erst seit 1838 die allgemeine Schulpflicht. Vorher galten das Lesen- und Schreibenlernen als Zeitverschwendung. Nur wer Gelehrter oder Geistlicher werden wollte, musste Lesen und Schreiben erlernen. Zu jener Zeit gab es sogar Könige und Grafen, die kein Wort lesen oder schreiben konnten. Sie hatten ihre Vorleser oder Hofschreiber. Die angehenden Geistlichen erwarben ihre Kenntnisse in einer Stifts- oder Klosterschule. Hauptfächer in einer solchen Stiftsschule waren Latein und Singen. Die geplagten Schüler mussten viele lateinische Kirchenlieder und ein dickes Buch mit lateinischen Versen auswendig lernen. Ferner mussten sie Bücher mit schwerverständlichen Erklärungen über die Kunst des Redens und Disputierens studieren. In solchen Schulen sassen ganz junge und ältere Schüler nebeneinander. Auch wurden sogenannte fahrende Schüler, Scholaren, aufgenommen.
Das Schülerleben war nicht einfach. Die Kinder wurden streng erzogen. Nur einmal im Jahr, am St. Niklaus-Tag, durften sie fröhlich und ausgelassen sein. Sie bekamen einen Wecken aus feinem Mehl, zogen durch die Stadt und machten lauter Spässe. „Die Leute standen am Strassenrand, lachten über die Spässe der Knaben und gaben ihnen kleine Geschenke“, wird berichtet. Bevor der Winter Einzug hielt, kauften reiche Bürger der Stadt den armen Schülern Schuhe und Tuch für ein warmes Kleid.
1460 wurde Basel Universitätsstadt. Auch darüber gibt es einige interessante Episoden. So genossen Professoren und Studenten grosse Vorrechte. Sie mussten keine Steuern oder Zoll zahlen; auch durfte kein Beamter diese verhaften. Eine Verhaftung erfolgte nur durch den Rektor der Universität. Der Rektor war eine besondere Persönlichkeit. „Wenn er gewählt wurde, überreichte ihm der Universitätsdiener das silberne Szepter der Universität, das Zeichen seiner Macht über Professoren und Studenten. Wenn er zur Kirche ging oder an einer Prozession teilnahm, trug er einen roten Mantel und ein rotes Barett. Auf der Strasse begleiteten ihn stets zwei Diener“, berichtet Fritz Meier.
Quelle: „Heimatgeschichtliches Lesebuch von Basel“ von Fritz Meier, 1955.
Beinahe ungenügend
Ein Deutschlehrer in Baden-Baden machte sich das Leben leicht. Warum sollte er so viel Zeit beim Durchlesen der Aufsätze vergeuden? Er überflog die Arbeiten nur kurz und schrieb jedes Mal unter dem geisteigen Erguss seiner Schüler: „Beinahe ungenügend.“
Als eines Tages der Dichter Berthold Auerbach in Baden-Baden weilte, wandte sich ein Schüler hilfesuchend an ihn. „Könnten Sie nicht den Aufsatz für mich schreiben?“ meinte der Knirps. Der Dichter liess sich nicht lange bitten und schrieb einige Seiten des Schulheftes voll.
Wenige Tage danach bekam der Schüler das Heft zurück und gab es an den Dichter weiter. Und was bekam er für eine Zensur? „Beinahe ungenügend.“
Quelle: „Ergötzliche Geschichten aus Alt-Baden“ von Heinrich Berl, Verlag Dr. Willy Schmidt, Baden-Baden 1966.
Demut und Geduld
Mitte des 19. Jahrhunderts übernahm der Badische Frauenverein unter der Schirmherrschaft der Grossherzogin Luise die Organisation des Handarbeitsunterrichts als Schulfach für Mädchen. Hubert Döbele schrieb in der „Badischen Zeitung“ vom 10.02.1993 dazu folgendes: „Die Disziplinierung der Mädchen war ein wichtiges Ausbildungsziel des Strick- und Häkelunterrichts in den Volksschulen. Demut, Geduld, Ausdauer, Fleiss, Sauberkeit galten als wichtige Grundsätze jener Pädagogin der ,guten alten Zeit’, die vor allem Mädchen in den ,unteren Sozialschichten’ beizubringen waren, getreu dem Grundsatz: ,Wenn dich böse Buben locken, bleib daheim und stricke Socken’. Oder: „Langes Fädchen ‒ faules Mädchen.“
Hebels Geburtstag einmal anders
Der 10. Mai war für Schopfheimer Hauptschüler immer ein besonderer Tag. An Johann Peter Hebels Geburtstag wurde nicht gebüffelt, sondern es ging hinaus in Gottes Natur. Alle Schüler wanderten den Entegast entlang und erklommen Rümmelesbühl, eine Anhöhe unweit von Gresgen. Dort trugen Schüler Gedichte von Hebel vor und Schulleiter Meinrad Rümmele hielt eine Rede auf Alemannisch. „Wir wanderten, die Hausener feierten lieber in der Halle“, meinte der Pädagoge. Dieser Brauch wurde bis 1966 gepflegt. Damals, so Rümmele, waren alle noch mit Begeisterung dabei; heute bringt man sie kaum mehr zum Wandern. Auch wurde im Juni im Sengelewäldchen zu Ehren Hebels ein Fest gefeiert. Für Erwachsene und Kinder war dies immer ein grosser Spass. So wurden Kletterbäume aufgestellt, und jener, der den Wipfel am schnellsten erklomm, bekam einen Preis. Beliebt war auch das Wurstschnappen. Auch dieses Fest wurde leider nach der Gemeindereform (1970) ad acta gelegt.
Quelle: Meinrad Rümmele, Schopfheimer Schulleiter von 1966‒1991.
Gymnasiast blieb sitzen
Das Schützenfest in Biberach an der Riss, das in den letzten Junitagen jeden Jahres gefeiert wird, ist auch ein Fest der Kinder. Kinder werden überall eingebunden. Früher war es eine Ehre, mitzumachen. So geht das Gerücht um, dass ein Gymnasiast einige Male sitzen blieb, um etliche Male eine wichtige Rolle im Historischen Festzug spielen zu können.
Quelle: „Biberach an der Riss – Ein Gang durch Vergangenheit und Gegenwart einer alten Reichsstadt“ von Peter Griesinger, Biberach 1969.
Eduard Mörike, ein mittelmässiger Schüler?
Eduard Mörike (1804‒1875), Lyriker von hohem Rang, war in der Lateinschule nur ein mittelmässiger Schüler. Als er einmal seinen Tagträumen nachging, massregelte ihn der Präzeptor mit folgenden Worten: „Büble, von welchem Brückle hast jetzt wieder nunderguckt?“
Gottfried Keller nannte den Dichter als einen „Sohn des Horaz und einer feinen Schwäbin“. Anlässlich des Todes Mörikes schrieb Keller über den nicht so populären, aber doch bekannten Schriftsteller: „Wenn sein Tod nun seine Werke nicht unter die Leute bringt, so ist ihnen nicht zu helfen, nämlich den Leuten.“
Quelle: „Baden-Württembergische Portraits“, herausgegeben von Hans Schumann, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1988.
Arbeit statt Schulbesuch
In Mainwangen, Stohren und auf dem Madachhof wurden 1735 die Kinder wenig oder gar nicht zur Schule, in die Christenlehre und in den Gottesdienst geschickt. Die Eltern meinten, die Mädchen müssten spinnen und die Buben arbeiten. Es genüge, wenn der Sprösslinge das Kreuz machen und das Vaterunser beten konnte. Schliesslich wissen die Eltern auch nicht mehr. „In Salem nannte man das „Liederlichkeit unverschämter Eltern“. Trotzdem war man sichtlich von der Überschätzung der Bildung weit entfernt. 1730 drängte man der Gemeinde Oberstenweiler einen Amtmann auf, der noch gar jung war, nicht lesen und nicht schreiben konnte, kein Mundstück hatte und „von den Gemeindesachen nichts verstand. Kein Einspruch nützte etwas“, schreibt der Chronist.
Quelle: „Kulturgeschichtliches und Volkskundliches aus dem Linzgau im 18. Jahrhundert“ von Hermann Baier, Badische Heimat – Überlinger See und Linzgau, 1936.
Falscher Lehrer
Eine Köpenickade ereignete sich vor Jahren in einem abgelegenen Dorf in der Nähe von Staufen D. Dort fühlte sich ein Lumpen- und Knochensammler zu Höherem berufen. Er stellte sich nämlich als neuer Lehrer vor. Der Bürgermeister und der Pfarrer begrüssten den Lehrer und stellten ihn der Schuljugend vor. Kurz darauf verlangte er von jedem Kind Geld für ein neues Schulbuch, das er von nun an einführen wolle. Nach Einsammlung der Gelder verschwand der falsche Lehrer so schnell, wie er gekommen war. Er zog wieder als Sammler durch die Lande. Aber der Arm des Gesetzes war lang. Ein Gendarmerie-Brigadier kam auf die Spur des Betrügers. Der falsche Lehrer wurde dann eingesperrt.
Quelle: „Staufen und der Obere Breisgau“ von Leif Geiges (mit Beiträgen von Ingeborg Hecht u. a.), Verlag G. Braun, Karlsruhe 1967.
Die „Teutsche Schule“
1607 wird in Pforzheim neben der Lateinschule eine „Teutsche Schule“ erwähnt. In 2 Schulgebäuden wurden Knaben und Mädchen getrennt unterrichtet. Die Lehrer, die meist aus dem Handwerkerstand stammten und des Lesens und Schreibens kundig waren, wurden schlecht besoldet, so dass sie noch einem anderen Beruf nachgehen mussten. 1710 war die Besoldung noch knapper. Ein Lehrer beklagte sich, dass er sich „mit klarem Wasser und truckenem Brot“ durchbringen musste.
Quelle: „Pforzheim – Ein Heimatbuch“ von Robert Künzig und Karl Ehmann, Neuenbürger Verlagsdruckerei Fr. Biesinger, Neuenbürg 1956.
Schöne Erinnerungen
Emil Engesser, Pfarrer i. R. aus Hausach i. K.m überreichte anlässlich des 70. Geburtstags seiner Klassenkameraden eine Chronik aus der Volksschulzeit (1908-1916). In diesem Heft finden sich einfache, aber ergötzliche Geschichten aus der Schulzeit, aber auch Weisheiten, die jedermann sich zu Herzen nehmen sollte. Im Vorwort schrieb er beispielsweise das Folgende:
„Das Erinnerungsvermögen ist eine wertvolle Gottesgabe; aber man muss sie richtig anwenden. Viele Menschen denken fast nur an das Unangenehme und Ungerechte, das sie in ihrem Leben erfahren haben. Dadurch werden sie ganz griesgrämig und verbittert, im Alter fast unausstehlich! War denn unser ganzes Leben so miserabel? Waren nur Unglück und Ungerechtigkeit unser Los? Das kann wohl niemand von uns behaupten. Wir haben doch alle von Kindheit an so viel Gutes und Schönes erleben dürfen, dass wir uns darüber nie genug erfreuen und dafür nie genug danken können! Wer immer an sein Elend denkt, starrt in eine finstere Nacht hinein; wer sich aber oft des Guten und Schönen erinnert, dem geht jedes Mal die Sonne der Freude von neuem auf. So bleibt die Erinnerung an unsere schöne Jugendzeit unser stilles Glück im Alter; sie hält unser Herz jung und froh. Mögen diese Erinnerungen in Euch allen den Frohsinn und die Lebensfreude erhalten!“
Freude über 5 oder 10 Pfennige
Als 1913 die neue Schule eingeweiht wurde, bekam jeder Schüler eine Wurst mit Weck. Emil Engesser erinnert sich: „Welch eine Freude! Wir konnten uns herzlich freuen über jeden Apfel, über ein Stück Honigbrot, eine Bretzel, über 5 oder 10 Pfennig, die wir geschenkt bekamen! Der Zweck des Schenkens besteht doch darin, einem Menschen eine rechte Freude bereiten zu können! Heute kann man sehr grosse Geschenke machen, ohne eine Spur von Freude wahrnehmen zu können!“
Naaman, der Assyrer
Emil Engesser erinnert sich noch sehr genau an einen Oberlehrer, der sehr streng zu den Schülern war. Jeden Morgen mussten die Heranwachsenden zu Beginn der ersten Stunde etwa 5 Minuten über biblische Geschichten erzählen. Der Chronist: „Eines Tages ereignete sich etwas Köstliches! Wir hatten die Geschichte von der Heilung des Aussätzigen Naaman, des Assyrers, durch Elisäus, auswendig zu lernen. Da kam einer dran, der nicht gut gelernt hatte. Er stotterte einige Sätze mühsam zusammen! Aber den Namen Naaman wusste er beim besten Willen nicht mehr. Sein Hintermann sagte ihm, so leise als möglich, ein: ‚Naaman, der Assyrer’. Der Schüler sagte schliesslich: ,Amann, der Rasierer!’ Herr Schwarzhans hat ihn dann ,rasiert’!“
Quelle: „Chronik unserer Volksschulzeit“ von Emil Engesser, Hausach i. K., Eigenverlag 1972.
Schlechte Entlohnung
Adolf Blösch erinnerte sich an einen Vorfall aus seiner Schulzeit in Mannheim. Eines Tages kamen 2 Oberrealschüler mit weissen Mützen zu Adolf Blösch und seinem Kumpel. Sie gaben den jüngeren Schülern 10 Pfennig und sagten, sie sollen dem Professor zwischen 1 und 3 Uhr ein Ständchen bringen, er habe nämlich Geburtstag. Adolf Blösch: „Am nächsten Tag bekam jeder von uns in der Schule 2 Tatzen. Warum, wissen wir heute noch nicht. Wir glaubten damals, unser Herr Lehrer sei eifersüchtig und brachten ihm zur Versöhnung auch ein Ständchen. Wir hatten uns aber getäuscht, denn am nächsten Tag wurden wir über die Bank gelegt. So etwas kann einem die Kunst verleiden.“
Quelle: „Rund um die Neckarbrücke zu Mannheim“ von Adolf Blösch, „Mein Heimatland“, 23. Jahrgang, 1936.
Schule und Bildung
Die Schulmeister früherer Zeiten mussten neben ihrem Schuldienst noch den Mesnerdienst in der Kirche übernehmen, die Orgel spielen und Glocken läuten. Diese Multitalente waren natürlich sehr gesucht. Als ein neu ernannter Schulmeister die Orgel nicht spielen konnte, verweigerte der Pfarrer seinen Beitrag zur Besoldung. Dem Rat der Stadt Wurzach blieb nichts anderes übrig, als den Pfarrer so unter Druck zu setzen, dass er die jährlichen geforderten 4 Gulden doch noch herausrückte.
Es gab auch Kündigungen, besonders dann, wenn der Schulmeister den Mesnerdienst vernachlässigte oder die Schüler wenig bei ihm lernten. Otto Frisch schrieb in seiner Chronik: „Die Wurzacher Schulmeister mussten sich in ihrem Bildungsprogramm demnach wie in der ganzen Diözese Konstanz nach deren Synodaldekreten richten, die schon 1527 einsetzten und eine Erziehung zu Gottesfurcht und zu kritikloser Unterordnung gegenüber Kirche und Obrigkeit forderten.“
Quelle: „Bad Wurzach – Geschichte und Entwicklung einer oberschwäbischen Bäderstadt“ von Otto Frisch, Chroniken-Verlag H. Boxberg, Hinterzarten 1976.
Zu viele Oberschülerinnen
Folgender Vorfall ist aus heutiger Sicht beinahe unglaublich: 1950 befanden sich 171 Schüler und Schülerinnen an der Oberschule in Bad Waldsee. Der hohe Anteil an Mädchen – es waren 77 an der Zahl – wurde vom Kultusministerium als ein „ungesunder Zustand“ bezeichnet. ‒ Die Schülerzahlen in den 4 Klassen der Volksschule war unglaublich hoch: 90, 81, 73 und 67. „Viel zu gross, als dass ein rechter Unterricht möglich wäre“, kommentierte die Zeitung diesen Zustand.
Quelle: „Das waren Zeiten, Zeitungsgeschichten 1833-1983“ von Günther Kiemel; Band „Bad Waldsee – Zeugnisse aus Zeit und Zeitung“, Liebel-Druck & Verlag, Bad Waldsee 1984.
Keine Tränen zum Abschied
Fritz Nusshag, der das Pädagogium in Oberkirch D von 1907 bis 1913 leitete, löste allgemeines Erstaunen aus, als er die Schule 1913 ganz plötzlich an Herrn Dr. Lange verkaufte. Fritz Nusshag war Mitglied der nationalliberalen Partei, war eine streitbare Person und strengte etliche Prozesse an. Dadurch wurde das politische Klima in Oberkirch vergiftet. Kein Wunder, dass dieser Lehrer kaum Freunde hatte. Bei seinem Weggang sangen die Gegner Nusshags am Bahnhof das Lied: „Grosser Gott, wir loben Dich.“
Quelle: „Oberkirch – Die Geschichte der Stadt in grossherzoglich-badischer Zeit 1803‒1918“ von Dr. Hans-Martin Pillin, Oberkirch 1978.
Gesammelt wurde alles
Während des Ersten Weltkriegs wurde von den Schülern alles gesammelt, was es gab: Eicheln ergaben ein gutes Schweinefutter. Für den Zentner erhielten die Sammler 3 bis 4 Reichsmark. Die Kriegsgesellschaft liess Weissdornfrüchte für Kaffee-Ersatz sammeln und bezahlte fürs Kilo 20 Pfennige. Auch Bucheckern für die Ölgewinnung waren beliebte Sammelobjekte (1,65 Reichsmark je kg). Des weiteren wurden gesammelt: Kastanien, Knochen, Felle, Lumpen, Brennnesseln, Konservendosen, Flaschen, Kupfer, Stanniol, Frauenhaare, Gummiabfälle, Korken und Korkabfälle, Altpapier, Lederabfälle, tierische Haare, Stricke, Bindfäden, Wasser- und Gartenschläuche, Gummihandschuhe, Bälle, Hartgummiabfälle. Für den „deutschen Tee“ wurden die Blätter von 60 Pfennig bis 1,20 Reichsmark pro Kilogramm von folgenden Pflanzen gesammelt: Brombeeren, Heidelbeeren, Preiselbeeren, Ulmen, Ebereschen, Walnuss, Schwarzdorn, Weidenröschen, Heckenrosen, Waldmeister, Pfefferminze, Lindenblüten, Thymian, Salbei, Veilchen, Bucheckern, Eicheln, Kastanienfrüchte, Wegerich, Jasmin, Kümmel, Oleander, Schafgarben, Lavendel, Fenchel, Wacholderbeeren, Rosmarin, Heidekrautblüten, Huflattich, Kirschen, Brennnessel, Tausendguldenkraut und Johanniskraut.
1916 wurden von Schülern die überhandnehmenden Maikäfer eingesammelt. In der Zuckerfabrik in Waghäusel (Nordbaden) wurden diese getrocknet und zu Futter für Schweine und Geflügel verarbeitet.
Der Papierverbrauch in den Schulen wurde eingeschränkt. Die alte Schiefertafel kam wieder zu Ehren. Immer mehr Kinder kamen im Sommer aufgrund des Ledermangels barfuss in die Schule.
1916 wurde aus Steinobst wie Kirschen, Pflaumen, Zwetschgen und Mirabellen, Öl produziert. Für die Ernte dieser Produkte wurden Schüler eingesetzt.
Quelle: „Die Schule und ihre Lehrer“ von Otto Streule, Kapitel in der Chronik „Brombach“, Lörrach 1972.
Ein Stündlein Naturgeschichte
In einer Schule des Hotzenwalds wurden die Nagetiere durchgenommen. Als der Lehrer gefragt hatte, welches Nagetier die Schüler kennen, antwortete schlagfertig der Schlattererfritz: „Die Muus, die Muus.“ Er meinte natürlich die Maus, denn im Alemannischen heisst diese Muus. Der Lehrer: „Es heisst Maus! Merk dir das!“ Der Fritz war ganz durcheinander, denn zuhause und im ganzen Alemannenland sagt man eben Muus.
Als in der Religionsstunde der Schlatterfritz die Geschichte von Esau erzählen musste, sagte er: “... und der Esau hatte eine Maus!“ Der Religionslehrer meinte ganz konsterniert: „Was, eine Maus, eine Maus?“ - „Eine Linsenmaus“, verbesserte der Schüler. Der Lehrer lachte und die ganze Klasse johlte dazu. „Junge, das heisst doch nicht Maus, sondern Mus!“ Das hochdeutsche Mus wird natürlich anders geschrieben als das alemannische Muus, jedoch beides wird gleich ausgesprochen. Fritz blieb dabei und meinte: „Aber letzti hät der Herr Lehrer gsait, es heisse nicht Muus, sondern Maus.“ Und so machte der Schlatterfritz aus des Esaus Linsenmus eine Linsenmaus.
Das Gewissen oder der Magen?
Ein Hotzenwälder Erstklässler hatte sich mit Hafermus überessen. Aber lassen wir Paul Körber weitererzählen: „Obwohl dies die Buben sprichwörtlich stark macht, hatt er diesen Kleinen gar elendiglich geschwächt. Selbst eine kleine Palastrevolution im Ministerium des Inneren geht selten ohne Schmerzen ab. Und danach heisst es fasten, fasten, fasten. ‒ Sass nun besagter kleiner Hotz nach vollständiger Ausräumung seines Inneren erstmals vor der echten, währschaften Hotzensuppe, einer echten, rechten Hausmacher-Knöpfli-Suppe, Marke ,Drescher’“. Hinter dieser sass nun unser ,Geneser’ als ein rechter ‚Geniesser’ und löffelte drauf los. Die Mutter warnte den Bengel, er soll nicht so viel essen, er wäre doch erst krank gewesen, ausserdem solle er dem Vater etwas übrig lassen. Der Junge löffelte und löffelte lustig drauf los, dann fiel ihm wieder das Gesagte der Mutter ein und meinte: ,Gell Mutter ... wenn mer krank isch, mue mer öbbis in der Schüssle loo.’ Die Mutter bestätigte dies, und der Bengel löffelte und löffelte die Knöpfli heraus und liess die Brühe (für den hungrigen Vater) übrig.“
Quelle der letzten beiden Anekdoten: „Schulbremen vom Hotzenwald und aus dem Rheintal“, von Paul Körber aus „Mein Heimatland“, Heft 1/2, 1933.
Fortsetzung folgt.
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