Textatelier
BLOG vom: 04.11.2012

Die wundersame Arbeitsplatzvermehrung vor den US-Wahlen

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
 
„Die Statistik ist dem Politiker, was die Laterne dem Betrunkenen ist:
Sie dient zum Festhalten, nicht der Erleuchtung.“
Redensart
 
Für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gibt es in den USA eine garantiert wirksame, wunderbare Lösung: Präsidentenwahlen.
 
In den Monaten vor solchen Wahlen schmelzen die Arbeitslosenzahlen regelmässig wie Eis im heissen Wasser. Das hat seinen Grund: Wegen der Zahlengläubigkeit manipulierter US-Bürger spielte und spielt die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen eine entscheidende Rolle im US-Wahlkampf. Eine Quote von 8 Prozent gilt als äusserst kritisch, da seit Franklin Roosevelt noch nie ein Präsident bei einem Stand von über 8 Prozent wiedergewählt wurde. Also wird nach bewährtem Rezept Hand an die Arbeitslosenzahl gelegt.
 
In den USA seien im Oktober 2012, also kurz vor den Präsidentschaftswahlen, 171 000 neue Jobs entstanden, posaunten die Medien heraus, hinterfragten die Informationen aus dem US-Arbeitsministerium nicht, und selbstredend fielen auch die Börsianer auf den offensichtlichen Schwindel herein – ein Kollateralnutzen für Barack Obama. Das Jobwunder von geradezu biblischen Dimensionen hatte in der religiösesten der westlichen Nationen schon in den Vormonaten begonnen. Die Zahlen der neu geschaffenen Arbeitsplätze waren kräftig angehoben worden: von 142 000 auf 192 000 im August und von 114 000 auf 148 000 im September 2012. Und so gelang es auch, die magische 8-Prozent-Obergrenze haarscharf zu unterbieten, auch wenn die Arbeitslosenrate von 7,8 % im September 2012 auf 7,9 anstieg. Der Anstieg wurde vor allem die vermehrte Zahl von Arbeitssuchenden zurückgeführt, die zuvor die Suche nach Arbeit aufgegeben hatten und nicht mehr mitgezählt wurden. In den USA verschwinden die Arbeitslosen bereits nach 6 Monaten auf Nimmerwiedersehen aus der Statistik.
 
Und spätestens hier drängen sich die Fragen gebieterisch auf, wer zählt und wie denn eigentlich gezählt wird – ich erinnere nur an die letzte Volkszählung in den USA, die nicht zu schaffen war. Und welchen Wert haben solche undurchschaubaren Statistiken überhaupt?
 
Der Trick: Die tatsächliche (?) Arbeitslosenzahl wurde „saisonal bereinigt“ – und schon sieht die Welt für Obama und die Aktienmärkte viel anmächeliger aus. Wie das mit dem saisonalen Bereinigen der Arbeitslosenstatistik zu und her geht, weiss niemand so genau. Es gebe keinerlei Transparenz darüber, wie das Bureau of Labor Statistics (BLS) die Zahlen ermittle, stellte der Investor Charles Biderman fest. Wahrscheinlich sind sie im Wesentlichen ein reines Fantasieprodukt. Rückwärts gerichtete Science Fiction.
 
Biderman stand als Brandstifter nicht allein auf weiter Flur. Der 73 Jahre alte ehemalige Chef von General Electric, Jack Welch, veröffentlichte kurz nach Bekanntgabe der jüngsten Zahlen auf seinem Twitter-Account die Nachricht: „Unglaubhafte Arbeitsmarktzahlen ... diese Typen aus Chicago sind wirklich zu allem fähig .... können nicht debattieren, also tricksen sie an den Zahlen“. Und selbst die „New York Times“, treue Verbündete von Obama, meldete nach dem Bekanntwerden der aktuellen Arbeitslosenzahlen Bedenken am Zustandekommen des Zahlenwerks an.
 
Eine neue Form des Aberglaubens ist entstanden, bei dem Zahlen und Bilder hoch über dem Wort stehen. Der Öffentlichkeit werden die entsprechenden Statistiken via die eingebetteten Medien als Tatsachen verkauft. Vertrauen ist wichtig, und der Glaube macht selig. Dabei könnte man die Mächtigen an ihren Daten erkennen.
 
Hinweis auf ein weiteres Blog über die Arbeitslosigkeit in den USA
15.09.2005: Bananenrepublik USA: Kapitale Böcke und arme Teufel
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