BLOG vom: 07.11.2012
Obama bleibt: Wahlen 2012 über dem schrecklichen Abgrund
Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
In der Mitte des Felsen ist eine benachtete Höhle,
Abendwärts, gewandt nach des Erebos' Gegend, allwo ihr
Euer gebogenes Schiff vorbeilenkt, edler Odysseus.
Von dem Boden des Schiffes vermöchte der fertigste Schütze
Nicht den gefiederten Pfeil bis an die Höhle zu schnellen.
Diese Höhle bewohnt die fürchterlich bellende Skylla,
Deren Stimme hell, wie der jungen saugenden Hunde
Winseln tönt, sie selbst ein greuliches Scheusal, dass niemand
Ihrer Gestalt sich freut, wenn auch ein Gott ihr begegnet.
Siehe das Ungeheuer hat zwölf abscheuliche Klauen,
Und sechs Häls' unglaublicher Läng', auf jeglichem Halse
Einen grässlichen Kopf, mit dreifachen Reihen gespitzter
Dichtgeschlossener Zähne voll schwarzes Todes bewaffnet.
Bis an die Mitte steckt ihr Leib in der Höhle des Felsens,
Aber die Köpfe bewegt sie hervor aus dem schrecklichen Abgrund,
Blickt heisshungrig umher, und fischt sich rings um den Felsen
Meerhund' oft und Delphine, und oft noch ein grösseres Seewild,
Aus der unzähligen Schar der brausenden Amphitrite.
Noch kein kühner Pilot, der Skyllas Felsen vorbeifuhr,
Rühmt sich verschont zu sein; sie schwingst in jeglichem Rachen
Einen geraubeten Mann aus dem blaugeschnäbelten Schiffe.
Doch weit niedriger ist der andere Felsen, Odysseus,
Und dem ersten so nahe, dass ihn dein Bogen erreichte.
Dort ist ein Feigenbaum mit grossen laubichten Ästen;
Drunter lauert Charybdis, die wasserstrudelnde Göttin.
Dreimal gurgelt sie täglich es aus, und schlurfet es dreimal
Schrecklich hinein. Weh dir, wofern du der Schlurfenden nahest!
Selbst Poseidaon könnte dich nicht dem Verderben entreissen:
Darum steure du dicht an Skyllas Felsen, und rudre
Schnell mit dem Schiffe davon. Es ist doch besser, Odysseus.
Homer: „Odyssee“, übersetzt von Johann Heinrich Voss
Ahnte Homer die US-Präsidentenwahlen 2012 voraus? An der Strasse von Messina einerseits und in den USA anderseits ging es, wenn auch zeitlich versetzt, um die Wahl zwischen 2 Übeln: Wird man nicht vom Monster aufgefressen, verschluckt einen der Abgrund.
Ebenfalls aus der altgriechischen Gedankenwelt stammt der Begriff Aporie = Weglosigkeit, Ausweglosigkeit, Ratlosigkeit, Verlegenheit. Er hat sich in die Philosophie eingenistet und wird immer dann angewandt, wenn es um die Unmöglichkeit geht, in einer bestimmten Situation die richtige Entscheidung zu treffen, eine passende Lösung zu finden.
Heruntergewirtschaftet
Die bestimmte Situation in den USA bezieht sich auf die Auswahl zwischen dem bisherigen Präsidenten und Demokraten Barack Obama und dem Republikaner Mitt Romney, worüber die Medien exzessiv berichteten. Beide Kandidaten traten als Retter der verschuldeten, verlotterten Nation auf, die ihre Weltbedeutung portionenweise verliert, und mag das Zerrbild vom „grossartigsten Land dieser Erde“ (Obama) noch so sehr heraufbeschworen werden. Dieser Staat hat sich finanziell und – was noch schlimmer ist – moralisch heruntergewirtschaftet und kann dem rasanten Aufstieg der sogenannten Schwellenländer kaum noch etwas entgegensetzen. Herrenvölker (einst Deutschland, heute USA) verloren bzw. verlieren an globalem Einfluss. Jetzt schwindet der Glaube an den Heilsmythos der Übernation USA wie jener an die Botschaften des Christentums. Es brauchte viel, bis sich etwas mehr Augen öffneten.
Die Neue Weltordnung US-amerikanischen Zuschnitts, die man auch als das Vierte Reich benennen könnte, hat global wegen ständiger Angriffskriege und der Unterstützung von Oppositionen in Ländern, in denen die USA aus strategischen und wirtschaftlichen mehr Einfluss gewinnen möchten, und den (grossenteils damit verbundenen) gigantischen Überschuldungskrisen rund um den Erdball zu katastrophalen Zuständen geführt. Vom Mittelstand an abwärts ist eine fortschreitende Verarmung festzustellen, die zu zunehmenden sozialen Unruhen und Flüchtlingsbewegungen führt. Das Geschäft der Hilfsorganisationen blüht.
Obama hat in den vergangenen 4 Jahren bewiesen, dass die meisten seiner Visionen und Versprechen aus leerer Luft bestanden haben; oft kam genau das Gegenteil heraus. Es war ihm 2008 gelungen, die Erkenntnisse des französischen Psychologen Gustave Le Bon (in „Die Psychologie der Massen“) praktisch umzusetzen: Man muss den Massen nur einreden, ein Wunder könne sie erretten und erlösen, dann liegen sie dem Erlöser zu Füssen. Und das kann nur ein gottähnlicher Führer. Die Voraussetzungen dazu sind im religiös verblendeten Amerika mit der damit einhergehenden Zerstörung der Vernunft geradezu ideal. Dieses Einheitsdenken (im Englischen unity thinking, im Französischen pensée unique genannt) bestimmt das Leben im Vierten Reich, das sich weit über die Vereinigten Staaten, die im Inneren politisch gespalten sind, hinaus erstreckt: Die USA sind die wunderbarste, die militärisch stärkste und damit mächtigste Nation. Die Gleichmacherei erleichtert die Führung mit Lug und unerfüllbaren Heilsversprechen. Wer am besten lügt, gewinnt die Wahlen. Und das war diesmal Barack Obama ... trotz allen Desillusionen, die seine ersten 4 Jahren mit sich zogen. Zuerst sah es so aus, als ob Mitt Romney, der republikanische Herausforderer, eine knappe Mehrheit der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen könnte und nur das merkwürdige System mit der Wahlmännermehrheit Obama zum Sieger machen würde. Der bisherige Präsident hatte am Wahltag die Mindestzahl von 270 Wahlmännerstimmen bald einmal zusammen, erreichte 303 Stimmen. Seine Wiederwahl stand am Mittwoch, 07.11.2012, um 05.15 Uhr fest, als die Resultate aus Ohio vorlagen, dem Staat, der die entscheidende Rolle spielte. Und beim Fortgang der Auszählung stellte es sich heraus, dass Obama auch bei den Popular Votes gewonnen hat: 59 838 867 Stimmen gegen Romneys 57 166 582 Stimmen (Stand: 17 h, MEZ).
Die US-Wahlen und die Schweiz
Für die Schweiz wird sich wohl kaum etwas ändern. Der Präsident bleibt der Alte, und die US-Verwaltung und -Gerichte, die sich mit dem geheimnisvollen Alpenvolk im Alten Kontinent befassen, ebenfalls. Es bekommt schmerzlich zu spüren, dass es sich noch nicht vollständig ins globalisierte System einbinden liess und wird durch Direkt-Attacken und solchen aus den US-Vasallenstaaten geplündert und destabilisiert. Die eskalierenden Angriffe beziehen sich auf die rechtliche und wirtschaftliche Ordnung und sind reine Erpressungen, gegen die in der Schweiz kaum Widerstand geleistet wird. Zudem wollen die Schuldenstaaten durch Raubzüge dorthin, wo etwas zu holen ist, etwas entlasten. So wäre Standfestigkeit gefragt; doch unnachgiebige CH-Politiker wurden entsorgt und durch unterwürfige Globalisierer ersetzt, die die Schweiz am liebsten einer Grossorganisation zum Frasse vorwerfen würden. Manchmal scheint es, auch der Schweizer Bundesrat vertrete die US- und EU-Interessen stärker als jene des eigenen Landes.
Die grosse Verblendung
Die Menschheit war nach der 8-Jahre-Ära George W. Bush jun., der z. B. die Folter wiederbelebte und propagierte sowie das Land herunterwirtschaftete, von der medial verbreiteten Rund-um-die-Uhr-Propaganda in einen rauschhaften Zustand von geradezu religiösen Dimensionen versetzt worden, als ein neuer Messias in einer flüchtigen Weihrauchwolke erschien. Es entwickelte sich ein beinahe umfassender Führerkult um Obama, wie ihn Europa vor weniger als 100 Jahren in der deutschen Nation schon einmal erlebt hatte. Der krankhafte Fahnenkult behielt seine Bedeutung; diesmal sind es keine Hakenkreuze, sondern die allgegenwärtigen Stars und Stripes: Das Weiss steht für Reinheit und Unschuld (purity and innocence), das Rot für Tapferkeit und Widerstandsfähigkeit (valor and hardiness) und das Blau für Wachsamkeit, Beharrlichkeit und Gerechtigkeit (vigilance, perseverance, justice): ein magisches Symbol, das den Sendungsglauben untermalt. Selbst der Konfettiregen nach Obamas Siegerrede hatte diese Farben.
Die Medien mischelten je nach Position mit, ohne Rücksicht auf Glaubwürdigkeitsprobleme, genau wie in den US-Vasallenstaaten in Europa, machten aus der Wahl ein sportliches Rennen, einen spannungsgeladenen Krimi. Die Wirklichkeit wird immer, wenn es um dieses Amerika geht, vernebelt. Das Volk, das einen eklatanten Bildungsmangel hat (in vielen Schulen fehlen selbst Bleistifte), wird (laut „Spiegel“ vom 05.11.2012, sinngemäss) „von einer perversen Mischung aus Verantwortungslosigkeit, Profitgier und religiösem Eiferertum beherrscht.“
„God bless America,Land that I love“
... es soll von einem Licht von oben durch die Nacht geführt werden.
Und dieses Volk wurde im Wahlkampf 2012 angeschrien wie einst vom Führer, der die Welt von Deutschland aus erobern wollte. Obamas Stimme versagte im Verlaufe der Geld- und Schlammschlacht zunehmend, als ob es keine Lautsprecher gebe. Er wollte den verblassten Hype um ihn mit Geschrei wiederbeleben, dessen Wortlaut ihm seine Helfer aufs Rednerpult lieferten.
Es kam nicht darauf an
Man fragte sich in diesem Getöse, ob sich denn unter dem geschäftstüchtigen Romney in der amerikanischen Innen- und Aussenpolitik etwas ändern würde. Nein. Die wesentlichen Aspekte in den USA werden hinter den Kulissen von den Finanzmächtigen mit Israel-Bezug, von den weltweit Unheil anrichtenden Agro-Riesenkonzernen und anderen globalisierten Unternehmen sowie einem ständig ausgebauten Sicherheits- und Geheimdienstapparat geregelt. Deshalb kommt es wenig darauf an, wer der Weltöffentlichkeit den US-Tarif durchgibt. So konnten der Sturm „Sandy“, der den himmeltraurigen Zustand der US-Infrastruktur aufzeigte, und die manipulierten Arbeitslosenzahlen getrost mitmischeln – beides im Interesse Obamas, der sich wieder einmal zum Retter der Nation aufschwang, die er selber tief in die Krise gestossen hat, über die unfassbar hohe Verschuldung hinaus.
Zum Führertalent braucht es die Megalomanie (Grössenwahn) mit dem Charakteristikum der Selbstüberschätzung. Nach der bisherigen Vierjahresbilanz hat Obama zwar etwas davon abgeben müssen; doch reicht das Selbstbewusstsein noch immer locker. Die Versprechen für eine bessere Zukunft wurden soeben mit etwas weniger schrillen Tönen in die Welt hinaus posaunt, aber sie bleiben bestehen. Und mit Gottes Hilfe, der anscheinend ausschliesslich die USA im Visier hat, wird es schon gelingen. Aber dieser Gott liess die US-Börsen nach der Bekanntgabe des Wahlresultats im Stich. Der Dow Jones brach am 07.11.2012 dramatisch ein. Und die europäischen Mitläufer, die zuerst etwas Zuversicht gefasst hatten, gaben sich Mühe, hinter den US-Vorgaben herzulaufen; aus dem Plus wurde ein Minus. Wegen der Zeitverschiebung wissen die Nachahmerbörsen an den Vormittagen jeweils nicht so recht, ob sie Aktien und dergleichen kaufen oder verkaufen sollen. So um 15 Uhr lässt sich dann endlich die US-Stimmung erkennen, und dann können die Gehirne der Händler im Ausland ausgeschaltet werden, ein lächerliches Schauspiel, Börsentag für Börsentag.
Die beiden Kämpfer wollten zur Belebung des schmutzigen Wahl-Events mit dessen Unterhaltungscharakter durch oberflächliche TV-Scheindebatten (die Wesentliches wie die Bürgerentmündigung, die Überwachungsstaatlichkeit, die verlorenen Kriege, den Ausbau statt die Schliessung von Guantanamo usf. ausklammerten) den Eindruck erwecken, sie würden komplett gegensätzliche Positionen vertreten. Aber bei genauem Hinsehen waren nicht einmal in der Kriegspolitik Unterschiede auszumachen, wobei allerdings Romneys Positionen flatterhaft waren, ein Wendehals („Flip-Flopper") und damit auf die labilen Zustände in den USA zugeschnitten.
Begeisterte Krieger sind der Friedensnobelpreisträger Obama und Romney gleichermassen. Dass wohl Israel, nicht aber der Iran Atombomben haben dürfen – darüber besteht Konsens. Der Ministerpräsident von Israel, Benjamin („Bibi“) Netanjahu, darf sich sogar mit der Drohung, er habe den Finger auf dem Auslöseknopf für Atombomben, ungestraft brüsten. Kämen solche Töne aus dem Iran, ertönte ein weltweiter Aufschrei der Entrüstung, gefolgt von massiven Strafaktionen. Wenn solche grässlichen Drohungen aus dem guten Israel kommen, werden sie kaum medial verbreitet.
Obama lässt mit unbemannten Drohnen töten, um die eigenen Truppen zu schonen. Kollateralschäden bei unschuldigen Zivilisten sind akzeptiert. Romney seinerseits, Mormone und schwerreicher Investmentbanker mit Herz für die Schweizer Vermögensverwalter, wollte die Kriegsausgaben nicht kürzen, sondern die Schlachten weiterführen und neue beginnen, wenn immer es im US-Interesse ist. Der Krieg als Geschäft.
Kandidaten wie Ron Paul, die auf eine Aussenpolitik im Zeichen der Intelligenz und der friedlichen Problemlosung setzen, haben in den USA nichts verloren und werden abgesägt – in einem Land, wo der Colt als Mittel zur Herstellung einer gerechten und friedlichen Welt betrachtet wird. Schon Jimmy Carter, US-Präsident zwischen 1977 und 1981, wurden friedenspolitische Initiativen zum Verhängnis. So etwas wird in den USA nicht toleriert.
Obama will jetzt endlich Hunderte von Milliarden Dollars in die Infrastruktur stecken, die es vielerorts mit dem Drittweltniveau aufnehmen kann – Geld, das er längst ausgegeben hat ... Romney setzte sich als Steuersenker in seinem Entwicklungsland im Retourgang in Position, eigentlich als Vergrösserer der ohnehin astronomischen US-Defizite, welche die Fortsetzung des Radikalkapitalismus erzwingen. Die US-Verschuldung wäre also auf jeden Fall gewachsen, und viele Nachahmerländer warfen die Gelddruckmaschinen ebenfalls an, kommende Generationen die Zukunft verbauend. Die ausblutenden Staaten werden immer schlanker (in unserer Gesellschaft ist Schlankheit ein geheiligtes Schönheitsideal), bis sie wegen Bulimie bzw. Auszehrung auf die Intensivstation kommen. Von Umweltschutz hält Mitt Romney gar nichts. Er würde Ölbohrungen auch in sensiblen Gebieten vorantreiben – ein Geschäftsmann uralter Schule, der keine Rücksicht auf Verluste nimmt.
*
Zwischen Skylla und Charybdis kam Odyssee nur durch, weil es ihm gelang, das bellende Ungetüm mit den 6 langen Hälsen mit 6 seiner Gefährten, Ruderern, zu füttern. Sie waren der menschliche Zoll, eine Bagatelle im Vergleich zu dem, was unter Obama in den kommenden 4 Jahren an weiteren Zollgebühren zu erwarten ist. Romney, der seine Niederlage gefasst hinnahm, begann für Obamas weitere Amtszeit zu beten.
Wie sagte Obama bei der Wahlfeier im McCormick-Palace in Chicago vor einem nach jedem Satz ohren- und gehirnbetäubend kreischenden Publikum doch so schön: „Das Beste steht uns noch bevor."
Davon bin ich ebenfalls überzeugt.
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