Textatelier
BLOG vom: 27.01.2013

Das Gen zur Macht, die Wiedergeburt und die Mächtigen

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Niederrhein D
 
Es war eine Geschichtsstunde der besonderen Art. Der Dozent sprach über Führer, Menschen an der Spitze eines Volkes, eines Heeres, einer Weltanschauung, einer Religion, also über solche, die daran glaubten und glauben, von Gott eingesetzt zu sein, dazu berufen, das Fortbestehen und Fortkommen ihres Volks, dessen Glauben, die Gemeinschaft zu lenken, zum Sieg zu führen. Führer, denen nie der Gedanke kam, dass die Masse aus einzelnen Individuen besteht, denn der Einzelne und sein Schicksal ist nicht wichtig in ihrem Kampf, sondern nur die Idee. „Für Gott und Vaterland! Für die reine Lehre! Für den Sieg!“ So erscholl und erschallt es überall.
 
Die Hörer vernahmen gespannt, was sie verbindet, die vielen Stammesfürsten, Könige, Kaiser, Feldherren, Eroberer, Kirchenfürsten und Inquisitoren. Es war nicht nur ihr Glaube, es war die Vorsehung, wiedergeboren durch die Jahrhunderte, weitergewandert von Mensch zu Mensch, ein vererbter Wille zur Führung, zur Macht, zum Kampf für eine Idee, der Idee des Überlebens, nicht des eigenen. Denn Sterben im Kampf für den Glauben war und ist in ihren Augen immer heroisch und wertvoll; es war die Kette von Geburt und Tod, der Übergang des Atma.
 
Und immer ist der Glaube auch Ideologie und Ideologie ist Glaube.
 
Adolf Hitler hat immer wieder auf die von ihm geglaubte Vorsehung hingewiesen und sich von Gott gesandt, als berufen gewähnt, das deutsche Volk in den Krieg zu führen. „Gott mit uns“ stand auf den Gürtelkoppeln seiner Soldaten.
 
In der Bhagavadgita, einem der wichtigsten Texten des Hinduismus, heisst es über den Geist, das Atma: „Ungeboren, beständig, ewig, uranfänglich wird es nicht getötet, wenn der Körper getötet wird ...Gleichwie der Mensch abgenutzte Kleider ablegt und andere anzieht, so legt der Geist die abgenutzten Körper ab und geht in andere neue ein.“
 
Hitler hat der Menschheit, Millionen und Abermillionen Menschen, unendlich viel Leid und Tod gebracht. Das gehörte zum unbedingten Willen, das deutsche Volk zu Weltbeherrschern werden zu lassen, auf dass sie „Übermenschen“ würden, „zäh wie Leder, flink wie Wiesel und hart wie Kruppstahl“. Menschlichkeit, Mitleid waren ihm fremde Worte, sie passten nicht zum „gottgewollten“ Ziel, zu siegen. Sein Wille sollte Volkes Wille werden. Immer wieder wollte er den Ruf „Führer wir folgen dir!“ hören, am liebsten mit dem Nachsatz „... bis in den Tod.“
 
Der Geist, die Seele, das Selbst, genannt das Atma, geht nach dem Tod in andere Lebewesen ein – in welche? Das ist abhängig vom Karma, dem universellen Gesetz von Ursache und Wirkung. Karma bedeutet: Wer Gutes tut, dem widerfährt auch Gutes. Und wer Böses tut, dem wird Schlechtes widerfahren. Man kann also in einem intelligenten Lebewesen wiedergeboren werden oder in einem krabbelnden Körper. Doch was ist „gut“, was „böse“?
 
Und so trat das Atma Adolf Hitlers nach seinem Ende ein in das Hormon eines gerade befruchteten Eis einer Roten Waldameise. Es war am 30. April 1945 gegen 15 Uhr, als der Führer sich selbst entleibte. Sein Atma verliess seinen Körper, ein winziger Teil der Weltseele. Und nur Äther war das Atma, nicht materiell, nicht erfassbar. Ein winziges Gen hatte sich im Tode mit dem Atma verbunden. Es war das Gen, das in einer langen Kette der Wiedergeburten mittransportiert wurde, das Gen, das seine Avatare und Hitler befähigte, sich skrupellos an die Spitze zu kämpfen, sich zu behaupten, sich über alle zu setzen, zu herrschen.
 
Es befand sich im Atma, das auf den Fötus überging, der am 20. April 1889 zur Welt gekommen war, gezeugt vom Vater Alois, von der Mutter Klara. Wer starb vor der Zeugung von Adolf, von wem kam das „Führer-Gen“? Am 9. März 1888 war Wilhelm I., erster deutscher Kaiser aus dem Hause Hohenzollern, gestorben. Auch er hatte „für Volk und Vaterland“ gelebt, bereits in jungen Jahren, 17 war er, als er gegen Frankreich gekämpft hatte, und schon ein Jahr später war er Kommandeur und Heeresführer. Er hatte die Revolution von 1848, die Demokratie versprach, blutig niedergeschlagen. Demokratie war etwas für Schwächlinge, für Weichlinge, sie stand für den Untergang des Volks. Wilhelm der I. war am 22. März 1797 geboren.
 
Von wem erbte er das „Führer-Gen“? Antoine Quentin Fouquier war es, der am 07. Mai 1795 auf der Guillotine hingerichtet wurde, der Revolutionär, der als öffentlicher Ankläger der Französischen Revolution zahlreiche Adelige, die Königin Marie-Antoinette, Girondisten, Dantonisten, mehr als 2400 Menschen zum Tode verurteilte und hinrichten liess und zusammen mit Robespierre herrschte, aber dessen Verurteilung er ebenso betrieb, wie die des Olymp de Gouges, dem Verkünder der Menschenrechte der Frau und Bürgerin. Unbedingter Wille zur Macht: Führer ohne Skrupel.
 
Dieser wiederum wurde im Juni 1746 geboren, und von wem ging „das Gen“ auf seinen Fötus über? Am 22. Mai 1745 war Françoise-Marie de Broglie gestorben. Unter seinem Kommando wurde Parma besiegt, und 1741 fiel er im österreichischen Erbfolgekrieg in Prag ein.
 
De Broglie wiederum wurde im Januar 1671 geboren und erhielt „das Gen“ von der Königin von England, Schottland und Irland, Henrietta Maria, Ehefrau von Karl I. Auch sie liebte die Macht, eine gefühlskalte Frau, war mit Mördern im Bunde und wollte die Entmachtung des Parlaments.
 
Noch viele Jahrhunderte können wir in die Vergangenheit zurückgehen. Es ist möglich, dass wir in unserer Kette der Geburten und Todesfälle auf Alexander „den Grossen“ stossen. Auch er ein Machtbesessener, dem der einzelne Mensch nichts war, der millionenfaches Leid über die Völker brachte.
 
Genug war es der Machtspiele, der Intrigen, der Morde, des In-den-Tod-Schickens zahlloser Menschen. Genug der jahrhundertelangen Kämpfe gegen die Menschlichkeit, gegen die Menschenrechte. Immer wieder war das Atma übergegangen in einen Menschen, aus dem dann ein Schlächter wurde, ein Verächter des Mitmenschen.
 
Jetzt, im 20. Jahrhundert, wurde es Zeit, dass das Karma endlich im Atma einen Ausweg finden musste, Zeit für den Übergang in ein Tier. Es wurde eine Ameise aus der Gattung der Roten Waldameise. Aber das „Führer-Gen“ war nicht ausgeschaltet. Es wartete auf eine neue Chance. Sie schaffte es, gut ernährt zu werden, ihre Eierstöcke bildeten sich aus. Sie wurde eine Königin, 11 mm lang.
 
Kräftige Mundwerkzeuge haben sie, stark sind sie, die Waldameisen, sogar eine tote Maus können sie damit bis zu ihrem Nest ziehen. Die Königin weigerte sich, mit anderen zusammen zu regieren, sie wollte nicht nur eines unter vielen polygynen Völkern sein. Sie führte ein monogynes Volk an. Sie vertrieb die Männchen aus dem Nest und mit ihnen ihre Samenspender, die bald starben. Sie ging in ihr Nest. Ihre Arbeiterinnen umsorgten sie. Sie gebar zahllose Ameisen, die Arbeiterinnen wurden. Diese erstarrten im Winter, verschliefen ihn, und im Frühling gebar sie aufs Neue.
 
Dann erwachte „das Gen“; nur ihr eigenes Volk sollte die Welt beherrschen. Sie wollte die anderen Völker nicht mehr neben sich dulden, nur ihr eigenes Volk war das Auserwählte. Ihre Kinder wurden immer grösser, wurden stärker. Und so wies sie ihre Arbeiterinnen an, Kämpferinnen zu werden, die Futterplätze der anderen Völker zu erobern, sie zu verjagen, sie zu töten, sie in ihr eigenes Nest zu schleppen und zu versklaven.
 
Und ihr Volk wuchs, auf Kosten ihrer Nachbarvölker. Sie aber lag in ihrem Nest und gebar immer neue Kämpferinnen. Ihr Nesthügel wurde grösser und grösser.
 
Dann kamen die Menschen mit ihren Bulldozern. Das Stück Wald wurde abgeholzt und zu Bauland gemacht. Gnadenlos hob die schwere Schaufel den Hügel und damit die Königin in die Höhe, verfrachtete den gesamten Aushub auf einen Lkw. Zusammen mit Sand, Lehm und Erde wurde die Königin ans Ufer eines Flusses gebracht. Das Material wurde benötigt, um den Deich als Schutz vor Überschwemmungen zu verstärken. Beim Abladen starb die Königin.
 
Wir wissen nicht, in welches Lebewesen ihr Atma überging, ob Tier oder Mensch. Aber immer, wenn wir in der Geschichte Machtmenschen erleben, gibt es die Möglichkeit, dass das Atma der Waldameise auf sie übergegangen ist und mit ihm das „Gen zur Macht“.
*
Der Dozent schwieg. Seine Studenten hielten inne. Atemlos hatten sie seinen Ausführungen gelauscht. Und einige dachten an Viktor Frankenstein, den modernen Prometheus, in der Geschichte von Mary Shelley. Frankenstein erschuf den Dämonen, der wie „das Gen zur Macht“ in die Welt kam. Es gab auch welche, denen Pol Pot, Osama bin Laden und Pinochet in den Sinn kamen. Andere dachten daran, von wem sie ihr Atma erhalten hatten und dass es weiterwandern wird, ewiglich. Der Gedanke wird sich in ihr Gedächtnis einprägen, wie auch die Skepsis gegen alle Mächtigen der Welt.
 
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