Textatelier
BLOG vom: 25.05.2013

Erpressung: Moderne politische Waffe, tolerierte Gaunereien

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
 
Und bist du nicht willig, so brauch’ ich Gewalt.“ Diese Zeile stammt aus der dramatischen „Erlkönig“-Ballade von Johann Wolfgang von Goethe, 1782 geschrieben. Viele Interpreten halten den Erlkönig als einen Vergewaltiger – eine traurige Geschichte, die mit dem Tod eines schönen Knaben endet.
 
Das Gedicht befasst sich, juristisch gesehen, mit dem Tatbestand der Erpressung. Das Schweizerische Strafgesetzbuch regelt in Artikel 156 diesen wie folgt:
 
„1. Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selber oder einen andern am Vermögen schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
 
2. Handelt der Täter gewerbsmässig oder erpresst er die gleiche Person fortgesetzt, so wird er mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.
 
3. Wendet der Täter gegen eine Person Gewalt an oder bedroht er sie mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben, so richtet sich die Strafe nach Artikel 140.
 
4. Droht der Täter mit einer Gefahr für Leib und Leben vieler Menschen oder mit schwerer Schädigung von Sachen, an denen ein hohes öffentliches Interesse besteht, so wird er mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.“
 
Andere Länder kennen ähnliche Bestimmungen. Nach dem herkömmlichen österreichischen Recht ist der Tatbestand der Erpressung dann erfüllt, wenn mit einer (rechtswidrigen) Verletzung an Körper, Freiheit, Ehre oder Eigentum gedroht wird. Im römischen Recht kam die Erpressung als concussio ebenfalls vor.
 
Nahe verwandt mit der Erpressung ist die Nötigung, der sich das CH-Strafgesetzbuch in Artikel 181 zuwendet:
 
Wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.“
 
Meine grundsätzliche Frage: Gelten solche Regeln nur gegenüber Einzelpersonen und nicht auch gegen Staaten, die sich anderen gegenüber erpresserisch verhalten? In derartigen Fällen müssten die Strafandrohungen um Grössenordnungen härter sein.
 
Verbrechen gegen die Freiheit
Eine Abwandlung ist der erpresserische Menschenraub, das heisst die Entführung oder das Ergreifen und Festhalten eines Menschen oder einer Menschengruppe mit dem Ziel, die Sorge eines Dritten um das Wohl des oder der Opfer zu einer Erpressung auszunutzen. Die Erpressung ist in all ihren Formen ein Verbrechen gegen die Freiheit.
 
In der heutigen globalisierten westlichen Welt ist sie eines er üblichen Werkzeuge von mächtigen Ländern, Länderzusammenschlüssen und Institutionen, die Widerspenstigen, die nicht zu einer bedingungslosen Unterwerfung bereit sind, zu zähmen, in die Knie zu zwingen und auszunehmen. Die Ideen dazu stammen aus den Religionen: „Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden“, trichtert das Vaterunser den betenden Gläubigen ein, und das Wort Islam bedeutet Unterwerfung. Der Mensch soll gehorchen, nicht denken, kein Gefühl des Lebendigseins entwickeln. Darauf werden wir abgerichtet. Ist er vielleicht eine Fehlentwicklung, die der Fremdsteuerung bedarf?
 
Merkwürdigerweise taucht das Wort Erpressung kaum auf, wenn Staaten andere durch massive Strafandrohungen, meist wirtschaftlicher Natur, gefügig machen wollen. So hungert z. B. Israel Palästina aus, hält Wasser und Medikamente von den Nachbarn fern - subtiler Völkermord. Es scheint, dass das Erpressen als handliches, kostengünstiges Werkzeug für den Alltagsgebrauch zur Normalität und gewissermassen entkriminalisiert worden sei.
 
Für internationale Gerichtshöfe ist das kein Thema. Dieser merkwürdige Tatbestand ist ein Aspekt der Rechtsverluderung auf dem internationalen Parkett, wo die Mächtigen, insbesondere die sich zur absoluten Weltherrschaft berufen fühlenden USA und ihre Direktverbündeten, meinen, sich jedes Verbrechen ungestraft herausnehmen zu dürfen, das ihren vermeintlich „guten Zielen“ dient. Wer sich als „gut“ deklariert und als Guter in der infantilen Hollywood-Manier den Kampf gegen das Böse kämpft, läuft keine Gefahr, mit irgendwelchen Gesetzen in Konflikt zu kommen. Jedenfalls solange, als das kritische Denken unterbunden ist und die Juristen abseits stehen.
 
Unter dem schützenden Dach der vorgegaukelten Makellosigkeit haben die USA unter George W. Bush auch die Folter wieder salonfähig gemacht, auch wenn sie ein klarer Verstoss gegen die Menschenrechte ist. Sie sind deshalb und wegen der frei erfunden Kriegsgründe tief gefallen, was bemerkenswerterweise nicht dazu führte, dass die US-Fans kleinlauter geworden wären. Der Rückfall in die mittelalterlichen Abgründe, wo das Christentum versuchte, alles, was sich seiner Ausbreitung in den Weg stellte, auszurotten, ist unverkennbar, wobei es Folterungen allerdings schon im Römischen Reich gab; dort waren die Sklaven die Opfer.
 
Die hauptsächlich auf dem Hintergrund des Terrorismus, der seinen Nährboden in Unterdrückungsmassnahmen findet, wieder eingeführte Folter gehört ebenfalls ins Kapitel von Nötigung und Erpressung. Abgesehen davon, spielt sich die Erpressung im heutigen wirtschaftspolitischen Geschehen durch die Androhung oder Durchführung von Boykotten ab. Immer mehr Schweizer Banken, insbesondere die weltweit vernetzten, bekommen das zu spüren. Entweder liefern sie alle von den USA geforderten Daten aus, oder aber im arroganten Land der unbegrenzten Zumutungen droht ihnen der Lizenzentzug, dem sich die untergebenen Länder aus der „Wertegemeinschaft“ anzuschliessen haben. Im Gegenzug aber zeigen die USA, wie übrigens auch Russland und China, keine Bereitschaft, weder ihre Daten herauszugeben noch ihre Steuerprivilegien abzuschaffen. Doch mischen sich Russland und China nicht auf kriminelle Art und Weise in die Wirtschaft anderer Länder ein.
 
Misshandelte Kleine
Ja, ja, ja, immer auf die Kleinen, / ja, das ist der Lauf der Welt. / Immer auf die ... immer feste auf den armen kleinen Tropf, / es geht immer auf die Kleinen, weil’s den Grossen so gefällt.“ Das sang Peter Alexander 1982 und landete damit in der Hitparade. Und eine US-amerikanische Filmkomödie von und mit Jerry Lewis (1983, Smorgasbord“) verschrieb sich dem gleichen Thema, das für die Kleinen zur Tragödie werden kann: Mit ihrer Boykott-Politik, welche die Vasallenstaaten mitzutragen haben, können die USA nicht nur Banken vernichten (und sich damit einer unbequemen Konkurrenz entledigen), sondern auch ganze Staaten in den Ruin treiben. Ich bewunderte deshalb schon immer Länder wie Fidel Castros Kuba, welche die Kraft zum unbedingten Widerstand gegen alle Anmassungen, die bis zu kriegerischen Angriffen gehen können, aufbrachten, aufbringen und sich mit dem Leben in Armut und Isolation abfanden und abfinden.
 
Ein Musterbeispiel für eine egoistische, länderübergreifende US-Einmischung lieferte die Bill-Clinton-Regierung 1996, als nach dem Ausbruch der Dollarkrise unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung ein Gesetz unterzeichnet wurde, das alle europäischen und japanischen Unternehmen insbesondere aus der Erdöl- und Bauindustrie vom US-Markt verbannen wollte, die mit Libyen und dem Iran Geschäfte machten. Erst wenn etwas zu holen ist, werden die Boykottmassnahmen beendet (Beispiel: Burma/Myanmar). Wenn die USA umschwenken, aus geschäftlichen Erwägungen die Bösen in Gute verwandelt, dürfen Geschäftemacher anreisen und Hände schütteln. Dieses Amerika ist kein Hüter des Welthandels, sondern ein von Eigennutz fehlgeleiteter Beunruhigungsfaktor, der überall auf der Erde Unfrieden und Hass schürt.
 
Die EU kam auf den Geschmack
Erpressungsmassnahmen gegen die Schweiz kommen nicht nur aus Übersee, sondern auch aus der neiderfüllten Europäischen Union (EU). Obschon die Schweiz mehr aus den EU-Ländern importiert als sie dorthin verkauft, wird allerorten so getan, als ob die Schweiz nur als Verkäuferin und damit als Bittstellerin auftrete; selbst die Schweizer fallen auf diese seit Jahren betriebene Gehirnwäschereien herein. Die EU-begeisterten CH-Medien hüten sich, die Sache klarzustellen. Wenn wir weiter abkaufen und verkaufen wollen, müssen wir unsere Gesetze durch aufgezwungenes, fremdes Recht ersetzen, glauben wir Unterwürfigen. Am Schluss kommt es so weit, dass wir unsere schweizerische Verfassung EU-konform ausgestalten müssen, bloss um weiterhin Toblerone ennet der Grenze absetzen zu dürfen. Dann wird es sicher Bundesräte wie Eveline Widmer-Schlumpf geben, welche im „nationalen Interesse“ mitmacht – und auch um den Ausverkauf der Heimat lustvoll weiterzutreiben.
 
Das alles zeugt von Blindheit gegenüber dem transnationalen Geschehen, wie es die unselige Globalisierung hervorgebracht hat. Die USA und die EU haben es ausschliesslich auf eigene Handelsvorteile und das Einkassieren von Milliardenbussen abgesehen. Die mit Blindgläubigkeit geschlagene Erde hat bis heute nicht erkannt, dass es noch niemals ein selbstloses Amerika gegeben hat, das der Welt hilft, ihre Probleme zu lösen. Alle US-Regierungen intonieren das patriotische Lied „God Bless America“ (und Gott segne sonst gar niemanden); sie lassen ohne weiteres erkennen, dass sie Gott ausschliesslich für ihre Interessen gepachtet haben. Sie tun nur, was vermeintlich der eigenen Nation zustatten kommt – auch wenn sie sich damit auf der ganzen Welt verhasst machen. Den Märkten mit den Banken als Angelpunkte wird erpressungs-politisch nachgeholfen.
   
Verbrechen, Straftatbestände sind die Treibstoffe der heutigen Weltpolitik – ein rechtsfreier Raum. Auf diese Variante von Freiheit würde man noch so gern verzichten.
 
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