Textatelier
BLOG vom: 02.08.2013

Hier wird kein Kappes erzählt: Vom Kohl und Verkohlen

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Niederrhein D
 
Ich schreibe keinen Kappes! sage ich, wenn ich Wert darauf lege, nicht als Quatschkopf angesehen zu werden. Der lateinische Begriff caput, von dem Kappes abgeleitet ist, bedeutet Kopf. Die weitere Bedeutung von Kappes ist Weisskohl oder Weisskraut, wissenschaftlich Brassica oleacea. Weisskohl ist eine Kohlsorte mit hellgrünen Blättern.
 
In Dithmarschen, einem Kreisgebiet im nördlichsten Bundesland Deutschlands, Schleswig-Holstein, kommt keiner an Kohl vorbei. 280 landwirtschaftliche Betriebe erzeugen im Jahr 80 Millionen Kohlköpfe, überwiegend für die industrielle Weiterverarbeitung. Der Name stammt aus dem Lateinischen und bedeutet eigentlich Stängel (in der alten Rechtschreibung Stengel), später wurde danach eine Kohlsorte bezeichnet, der Stängelkohl.

Ich besichtigte einen landwirtschaftlichen Betrieb, auf dem Weisskohl angebaut wird. Wir haben Juli 2013, die Ernte hat begonnen und dauert noch bis Ende November. Auch dieser Landwirt verkauft sein Erzeugnis an industrielle Betriebe im In- und Ausland, die es zu Kraut, Kohlrouladen, Krautsalat und Sauerkraut verarbeiten.
 
Aus Kindertagen weiss ich, dass Kohl einen starken Geruch hatte, diesen rieche ich hier im Betrieb nicht; denn in den letzten Jahrzehnten sind die Senföle, die für den Geruch verantwortlich waren, herausgezüchtet worden.
 
Mir fällt auf, dass die Kohlköpfe eine frische hellgrüne Farbe haben, heller als sie mir in den Supermärkten vorgekommen sind. Der Kohlkopf ist empfindlich. Er muss schön kühl gelagert werden. Ausserdem, so erläutert uns der Landwirt, darf er beim Transport nicht anstossen, denn dann würde er sofort braune Flecken bekommen, die sich auf die anderen Köpfe übertragen. Sonst aber kann er sich ganz schön lange halten. Mit den Dithmarscher Kohltagen im September fängt die neue Kohlsaison, also der Verkauf der frischen Ernte, an und dauert das ganze Jahr über.
 
Der Landwirt und seine Arbeiter stehen auf einem Podest. Auf der einen Seite nehmen sie die Kohlköpfe, schneiden am Strunk ein Stück ab und lösen die oberste Schicht der Blätter unter einem Druckluftstrahl so, dass die Köpfe schön aussehen und keine braunen Stellen mehr aufweisen. Dann rollen sie vorsichtig in eine grosse Transportkiste aus dicker Wellpappe. Darin passen etwa 10 Doppelzentner. Im Hof vor der Halle fahren regelmässig grosse Lkws an, in die diese Kisten verladen werden. Ich darf in eine dunkle kühle Lagerhalle mit 3600 dt Lagerkapazität hineinsehen. Ein Doppelzentner steht für 100 kg und wird mit dt abgekürzt.
 
Rund um den Hof sieht man riesige Felder, auf denen der Kohl wächst. Pro Hektar werden davon etwa 650 dt geerntet.
 
Kohl ist ein echtes Power-Paket für die Gesundheit. Kohlgemüse ist allgemein reich an Vitaminen, Mineralstoffen und Ballaststoffen. Weisskohl enthält zudem noch nennenswerte Mengen an Vitamin E und Thiocynat zur Stärkung des Immunsystems. Diese Inhaltsstoffe machen freie Radikale unschädlich und können so dazu beitragen, die Entstehung von Tumorzellen zu verhindern. Das Vitamin K im Weisskohl sorgt auch für rasche Blutstillung und Wundheilung. Schon die Römer verwendeten Kohlblätter als Umschlag für schlecht heilende Wunden.
 
Rezept Dithmarscher Kohlsalat
Hier im Kreis Dithmarschen schwört man auf den Dithmarscher Kohlsalat:
 
Dazu rühren Sie eine Marinade aus einer halben Flasche Mineralwasser, einer halben Flasche Kräuteressig, einer Tasse Zucker, einer Tasse Öl, 1 bis 2 geriebenen Zwiebeln und je 1 Teelöffel Salz und Pfeffer an. Die Marinade geben Sie in einen Tontopf. Dann vierteln Sie einen schönen Weisskohl, entfernen grosszügig den Strunk und schneiden den Kohl hauchdünn in Streifen – das geht besser mit der Brotmaschine als mit einer Küchenmaschine. Dann den Kohl zur Marinade geben und gut stampfen. Zum Beispiel mit einem Fleischklopfer – der tut dabei gute Dienste. Jetzt noch 2 bis 3 Stunden durchziehen lassen – und schon ist der Krautsalat fertig! Der Salat hält sich bei guter Kühlung übrigens bis zu 3 Wochen.
 
Jedenfalls müssen Sie nach dem Essen keinen Kohldampf schieben, also keinen Hunger haben!
 
Die Begleitfauna
Mir fallen heute die schönen gelblich-weissen Schmetterlinge mit schwarzer Zeichnung an den Flügeln auf. Sie heissen Kohlweisslinge. Am Anfang ihres  Lebens waren sie gelbgrüne Raupen. Sie gelten als Schädlinge; besonders im Juni fressen sie sich durch den Kohl und können grossen Schaden anrichten.
 
Die Kohlmeise, also die Meise mit dem schwarzen Kopf, weist in ihrem Namen auf den Brennstoff Kohle hin und nicht auf das Gemüse. Keine Angst, ich verkohle (foppe, narre, veralbere) Sie nicht, sondern benutze hier ein Wort, das auf das jiddische Verb kole zurückgeht, mit der Bedeutung reden, sprechen, und auf das Rotwelsche bekolen, das im Gegensatz zu kolen, die Wahrheit sagen, versehen mit dem be-Präfix lügen bedeutet !
 
Sie meinen, das mache den Kohl nicht fett, auf solche Kleinigkeiten komme es nicht an? Ich bin der Ansicht, die Hinweise sind schon wichtig für das Thema, und sie tragen zum Verständnis bei. Das ist kein Kappes!!
 
Quelle
 
 
Einige weitere Blogs über das Kohl-Gemüse
 
Kohl-Wickel
 
Hinweis auf weitere Blogs von Scholz Heinz
Auf Pilzpirsch: Essbare von giftigen Pilzen erkennen
Ein bärenstarkes Museum in Gersbach
Barfuss über die Alpen
Foto-Blog: Auf geht`s zur Hohen Möhr
Foto-Blog: Vom Kleinen Rhein zum Altrhein
Fotoblog über den Schönauer Philosophenweg
Rote Bete (Rande), eines der gesündesten Gemüse
Hermann-Löns-Grab im Wacholderhain
Lüneburger Heide: Salzsau und Heidschnucken
Kutschenmuseum in Wiechs ist ein Schmuckstück
Canna verleihen einen Hauch karibisches Flair
Artenreiche Streuobstwiesen stark gefährdet
Liebe zu den Kräutern in die Wiege gelegt
Eine Hütte mit Fleischsuppe im Namen
Rätsel um die Russenbänke in Präg gelöst