Textatelier
BLOG vom: 13.09.2013

Eine Lebensgeschichte, ein besonderer Leichenschmaus

 
Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Niederrhein D
 
Dass er es „am Herzen“ hatte, wusste er schon lange. „Am Herzen“ war medizinisch gemeint, nicht gefühlsmässig. Die Ärzte hatten ihm damals, vor 12 Jahren, noch 2‒3 Jahre gegeben, aber da hatten sie sich geirrt.
 
Johann lebte immer weiter. Manche Dinge durfte und konnte er eben nicht; schwer heben, Treppen steigen und auf Berge klettern brachten ihn schnell an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit.
 
Johann war ein lebenslustiger Mensch. In seiner Motorradgruppe fühlte er sich wohl; er war ein begeisterter Harley-Fahrer. Die Gruppe unternahm Ausflugsfahrten, zeltete, traf sich regelmässig zum Fachsimpeln und feierte bei jeder Gelegenheit.
 
Eines Tages stiess Hannah zur Gruppe, und es dauerte nicht lange, da waren die beiden ein Paar. Auch sie hatte eine Harley Davidson, und beide genossen die gemeinsamen Fahrten. Sie liebten die Kurven der Bergstrassen, die kurzen Trips an das Meer.
 
Johann weihte nach ein paar Monaten ihres Zusammenseins Hannah über sein Herzproblem ein. Hannah war zuerst geschockt. Doch dann fand sie sich damit ab. Sie wollte mit ihm seine noch verbleibende Zeit geniessen, so lange es ging.
 
Sie zogen zusammen in ein Haus mit Garten. Jetzt konnten sie die Freunde auch hierhin einladen und im Garten feiern. Hannah liebte Tiere, wollte aber kein Haustier. Tiere gehörten nicht eingesperrt in 4 Wände, war ihr Argument, Tiere gehören in die Natur. Eines Tages, es war Herbst geworden, kaufte sie ein Kilo Vogelfutter und begann, regelmässig Futter auszustreuen.
 
Die Gruppe unternahm regelmässig Fahrten auch ins benachbarte Ausland. In den Niederlanden trafen sie sich mit anderen Harley-Fahrern, zelteten auf einem Campingplatz, und abends wurde ab und zu auch einmal ein Joint geraucht. Johann und Hannah rauchten mit, aber sie kannten die deutschen Gesetze und wussten, wenn sie Haschisch über die Grenze schmuggeln und erwischt würden, bekämen sie es mit der deutschen Strafverfolgung zu tun.
 
An einem schönen Tag entdeckte Hannah im Garten eine ihr unbekannte Pflanze ‒ und zwar an der Stelle, an der sie immer das Vogelfutter verstreut hatte. Die Pflanze wurde immer grösser. Johann meinte, das sei Cannabis. Der Hersteller des Körnerfutters hatte den Samen einfach mit in sein Produkt gemischt. Es war beiden bekannt, dass der Anbau von Cannabis strafbar ist, aber wer interessierte sich schon für ihren Garten und darin speziell für eine Pflanze?‒
 
Johann besorgte sich Informationen über Cannabis im Internet. Cannabis gibt es in 3 Grundsorten, Cannabis Indica, Cannabis Sativa und Cannabis Ruderalis.
 
Cannabis sativa (Nutzhanf) wird zwischen 1.5 m und 5.5 m gross, ist schwach belaubt, langsame Blüte, wird wenig durch die Photosynthese beeinflusst, etwas mehr „high“ als „stoned“ (mehr THC als CBN).

Cannabis Indica (Indischer Hanf ) ist kleiner, 1.2 m bis 2.5 m gross, dichter; sie blüht 50‒70 Tage, wächst jenseits des 30. nördlichen Breitengrads, harzig kompakt, eignet sich gut zur Haschischgewinnung, schwereres und lähmendes Highgefühl, hoher CBN-Gehalt. Ruderalis kommt aus Russland und hat nur eine geringe Wirkung.
 
Auf einer anderen Informationsseite über Cannabis, dieses Mal eine aus Österreich, konnte er lesen:
 
Sativa: grosse Pflanze (bis zu 9 m), guter Ertrag, mittel bis hohe Qualität, spät blühend, einzelne Blütenknospen;
 
Indica: kleine Pflanze, (ca 1.50 m), hoher Ertrag, höchste Qualität, früh blühend, grosse orange Knospen.
 
Die Pflanze im Garten war bereits bedeutend höher als 2 m; es musste also eine Sativa sein. Das war also schon einmal geklärt. Doch was ist TNC? Es ist die Abkürzung von Tetrahydrocannabinol, und dieser Stoff führt zum Rausch. Er ist also psychoaktiv. Besonders reich an THC sind die unbefruchteten weiblichen Blütenstände (etwa 6 bis 20 %). Der THC-Gehalt der übrigen Pflanzenteile ist weit geringer (knapp 1 %). In den Samen der Pflanze ist gar kein THC enthalten. Die Blätter nahe der Blüte enthalten etwa 5–6 % THC. Männliche Pflanzen haben im Unterschied zu weiblichen einen sehr geringen THC-Gehalt.
 
Die Pflanze zeigt viele Blüten, Blätter und Knospen. Johann schnitt sie ab, zerkleinerte sie und legte sie zum Trocknen. Danach legte er das Gemisch in die Gefriertruhe. Nach 2 Stunden holte er es heraus und schüttelte es stark. Danach presste er es, so dass ein kleines braunes Stück übrig blieb.
 
Am Abend versuchte er ein wenig davon in einer Pfeife, vermischt mit Tabak. Er wurde etwas schläfrig. Es war ein angenehmes Gefühl. Am nächsten Morgen brummte sein Kopf ein wenig.
 
Seit einiger Zeit hatte er bemerkt, dass er immer weniger Luft bekam. Sein Arzt schüttelte bedenklich den Kopf: Meine damalige Prognose über Ihre verbleibende Lebenszeit haben Sie lange und weit überschritten. So lange hat Ihr Herz noch mitgemacht. Aber jetzt gebe ich Ihnen nur noch ein paar Wochen. Ein Spenderherz ist momentan nicht zu bekommen.
 
Seltsamerweise war Johann nicht beunruhigt. Er lebte ja schon einige Jahre mit der Gewissheit, dass es bald zu Ende gehen konnte. Die verbliebene Zeit hatte er genutzt, und er war der Meinung: gut genutzt.
 
Er begann, Vorkehrungen für den Fall seines Todes zu treffen. Er bestimmte, dass sein Leichnam kremiert werden soll. Es sollte eine Leichenfeier geben, alle Motorradfreunde sollten kommen. Einen Priester wollte er nicht. Man sollte sich an die gemeinsam verbrachte Zeit erinnern. Trauerkleidung war nicht erwünscht, auch keine Kränze. Er wollte, dass man sich fröhlich seiner erinnerte, an viele schöne Erlebnisse und Tage mit ihm. Die Asche sollte im Rhein oder im Meer verstreut werden. Niemand sollte gezwungen sein, sein Grab zu pflegen.
 
Er machte ein kleines Gedicht dazu: 
Wenn ich einst gestorben bin,
stellt meinen Sarg auf eine Bahre,
so dass ich ins Nirwana fahre.
Meine Asche sollt ihr verstreuen
Das Leben war nach meinem Sinn
und nichts davon muss ich bereuen.
 
Denkt an unsere schönen tollen Fahrten
Und an die Kunst ein Motorrad zu warten.
Ich wünsch’ Euch allzeit eine frische Brise
Und eine schöne Zeit auf unserer Wiese.
Den Leichenschmaus, das Abschiedsessen,
Sollt ihr Euer Leben lang nicht mehr vergessen! 
Seine Lieblingsmusik sollte gespielt werden, ein wenig Klaviermusik, Jazz, die Beatles, Simon und Garfunkel und Blues. Für jeden etwas. Er wollte kein starres Zuhören, die Gesellschaft sollte mitswingen.
 
Dann überlegte er, wie die Feier ausklingen soll. Er dachte an einen Leichenschmaus. Es sollte Tee oder Kaffee geben und Trinkschokolade, aber keine gewöhnliche!
 
Je 1 Tasse Wasser wird mit einer halben Tasse Zucker und einer Prise Gewürznelken und Zimt zum Kochen gebracht. Darin werden 50 g Schokolade und ein Teelöffel Haschisch verrührt. Das Ganze muss 4 Minuten kochen, man kann süsse Sahne unterschlagen oder das Getränk mit Sahne servieren.
 
Er begann, Rezepte herauszusuchen.
 
Die Freunde wussten, dass seine Eierpfannkuchen herrlich schmeckten. Wenn es eine Feier bei ihm zu Hause gab, hatte er in der Küche gestanden und gebacken. Seine Pfannkuchen waren entweder süss mit Apfelstückchen, zermahlenen Nüssen, Zwetschgen und anderen Früchten oder mit Schinkenstücken, Käse, Paprika usw. garniert.
 
Das Rezept ist einfach: Mehl, ein Ei oder mehrere, je nach Anzahl der zu backenden Pfannkuchen, etwas Salz und Milch, evtl. noch etwas Zucker.
 
Dieses Mal verzichtet man aber auf die Milch und nimmt 3-4 g Haschisch für etwa 5 Pfannkuchen, erwärmt es und vermischt es mit Butter. Nach dem Abkühlen wird Eigelb unter die Haschischbutter gerührt und das Mehl hinzugeführt. Das Eigelb wird mit Zucker steif geschlagen und unter die Masse gehoben. In einer Pfanne mit heisser Butter wird der fertige Teich dann zu Pfannkuchen gebacken.
 
Brownies
Die empfohlene Menge Haschisch von 3 g ergibt 30 Stück.
 
Man benötigt ein Backblech von 36 × 30 cm und folgende Zutaten:
 
250 g Butter, 200 g Honig, 1 Packung Vanillezucker, 4 Eier, 2 Prisen Salz, etwas Zimt, 150 g Mehl, ½ Teelöffel Backpulver 100g flüssige Zartbitterschokolade, 150 g Walnüsse oder gehackte Mandeln und 3 g Haschisch. Für den Guss: 150 g Schokoladenglasur; zum Garnieren: Walnusshälften oder halbierte Mandeln.
 
Das Haschisch muss zerbröselt und in 50 g Butter aufgelöst werden. Mit der restlichen Butter wird es verknetet und mit Honig, Eier und Gewürzen verrührt. Nach und nach wird lauwarme Schokolade hinzugefügt. Das Mehl wird mit dem Backpulver und den Walnüssen oder Mandeln vermischt und ebenfalls darunter gerührt.
 
Auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech wird der Teig verteilt.
 
Im kalten Backofen bei 200 Grad C auf mittlerer Temperatur muss der Teig ca. 25 Minuten backen. Die Glasur wird geschmolzen und das kalte Gebäck mit dem Schokoladenguss überzogen. Anschliessend wird der Kuchen in 6 × 5 cm grosse Stücke eingeteilt und jeweils mit einer halben Walnuss oder Mandel belegt.
 
Dann war es soweit. Hannah fand ihn eines Morgens leblos im Bett. Er hatte sich von der Welt verabschiedet.
 
Der Abschied von ihm und die anschliessende Leichenfeier waren grandios. Hannah hatte ein Zelt gemietet und es im Garten aufgebaut. Hannah probierte alle Rezepte aus. Die erforderliche Menge an Haschisch kam von den holländischen Freunden. Der Leichenschmaus war ein Genuss.
 
Die Stimmung war anfänglich ein wenig bedrückt, wurde dann aber immer aufgelockerter. Und das war es, was Johann sich vorgestellt hatte.
 
Es wurde ausgesprochen fröhlich, alle lachten, ulkten herum. Manche tanzten, zu zweit oder drehten sich allein zum Rhythmus der Musik. Das Leben ist schön! La vita é bella!
 
Quelle
 
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