Textatelier
BLOG vom: 03.12.2013

Forschungsergebnisse bei Taufliegen: Männer und Sex

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Niederrhein D 
 
Die Freundinnen unterhalten sich.
Ich nenne meinen Mann jetzt nur noch: ‚meine kleine Tau-Fliege’’’!
„Wie kommst du denn darauf?“
„Weisst du, mit welchem Argument mein Mann jetzt kommt, wenn ich keine  Lust habe, mit ihm zu schlafen?“
„Mit was will er dich unter Druck setzen?“
„Er sagt, wenn ich mich verweigere, verkürze ich damit sein Leben, denn sexuelle Enthaltsamkeit mache krank und der Mann werde schneller alt!“
„Und wie begründet er das?“
„Mit wissenschaftlichen Erkenntnissen. Er hat sie mir erklärt.“
„Da bin ich aber gespannt!“
„Ich sehe die Ergebnisse natürlich anders als er!“
 
Besonders im Sommer treten diese kleinen Fliegen auf, besonders, wenn Obst fault, fliegen sie in grosser Zahl umher. Ich meine die sogenannten Fruchtfliegen, neuerdings auch „schwarzbäuchige Taufliegen“ genannt, mit dem zoologischen Namen Drosophila melanogaster (DM).
 
Wenn die DM so herumschwirrt, ist der erste Gedanke, wie man sie wieder los wird. Aber darum geht es nicht.
 
Die kleine Fliege ist nämlich bei der Erforschung des Genoms ein wichtiges Lebewesen geworden. Das liegt vor allem daran, dass sie einfach zu züchten ist, eine kurze Generationsfolge von 9‒14 Tagen und per Generation bis zu 400 Nachkommen hat. Jedes Individuum weist nur 4 Chromosomenpaare auf; Genmutationen sind leicht erkennbar. Forschungen an dieser Fliege haben der Forschergruppe um Christiane Nüsslein-Volhard 1995 den Nobelpreis für Physiologie und Medizin eingebracht.
 
Im Zuge der Forschung wurde festgestellt, dass etwa 70 Prozent der menschlichen Gene, die im Zusammenhang mit Krebs beschrieben wurden und im Verdacht stehen, in mutiertem Zustand an der Krebsentstehung beteiligt zu sein, auch im Erbgut der Taufliege vorkommen.
 
Der Alterungsprozess bei der DM wird durch Hormone gesteuert, in der Hauptsache das so genannte Juvenilhormon. Eine Behandlung von aussen mit diesem Hormon führt zu einer höheren Sterblichkeit. Das Alter wird also durch die neurodokrine Kontrolle dieses Hormons reguliert.
 
Juvenil wird in der Biologie und in der Medizin das Jugendstadium eines Organismus vor der Geschlechtsreife genannt. Dem Juvenilstadium folgt das Adultstadium.
 
Ob es sich bei der Fliege um ein Männchen oder Weibchen handelt, ermitteln die Forscher durch die Untersuchung bestimmter Regionen im Gehirn. Bei Männchen sind diese Regionen, genannt male enlarged regions, im Vergleich zum Weibchen um etwa 41,6 % grösser. Das Juvenilhormon ist bestimmend für die Ausbildung der Larvenmerkmale und das Produkt der Häutung.
 
Soweit einige Informationen über die Drosophila Melanogaster. Die Forschungen an dieser Fliegenart gehen natürlich weiter. Eine Universität, an der geforscht wird, ist die University of Michigan/USA. Zu dieser Universität gehört das Plechter Laboratory, und auf deren Website wird der Leser zum Drosophila Aging Core (DAC) willkommen geheissen.
 
Die kürzlich veröffentlichte Pressemitteilung des DAC hat als Headline:
Fruit flies with better sex lives live longer” (Taufliegen mit besserem Sex-Leben leben länger).
 
Unter dieser Überschrift wird bereits ein Bezug zum Menschen gezogen: Can sexual frustration be bad for your health? Male fruit flies that expected sex – and didn’t get it – experienced serious health consequences and aged faster.” ‒ Kann sexuelle Frustration schlecht für Ihre Gesundheit sein? Männliche Taufliegen, die sexuelle Aktivitäten erwarten – und sie nicht erhalten – erfahren ernste Gesundheitskonsequenzen und altern schneller.’
 
Ein Artikel über diese Forschung auf der BBC-Website Science and Environment, die sich auf eine Publikation im Journal Science bezieht,wird noch konkreter: Wissenschaftler fanden heraus, dass männliche Fliegen, die Sexualduftstoffen der Weibchen ausgesetzt waren, sich aber nicht mit ihnen paaren durften, eine um 40 % kürzere Lebenserwartung haben.“ – Diejenigen, denen erlaubt wurde, zu kopulieren, lebten nicht nur länger, sondern erlitten weniger Stress.“
 
Die nächste Aussage erfasst den Zusammenhang zwischen Sex und der Lebenserwartung, also das Altern.
 
„,Diese Daten können die ersten direkten Beweise liefern, dass Altern und Physiologie davon beeinflusst werden, wie das Gehirn Erwartungen und Belohnungen verarbeite’, sagt Plechter, ‘in diesem Fall förderten sexuelle Belohnungen ausdrücklich gesundes Altern.”
 
Bei dieser Aussage werden die Taufliegen nicht mehr genannt. Es wird suggeriert, dass die Forschungsergebnisse bei Fliegen auf den Menschen übertragbar sind.
 
Wie oben erwähnt, die Fliege lebt zirka 60 Tage, der Alterungsprozess hat mit dem Juvenilhormon zu tun, das es bei Menschen nicht gibt. Aufgrund der Erkenntnis, dass es vergleichbare Gene bei der Taufliege und dem menschlichen Genom existieren, wird munter spekuliert, dass die Forschungsergebnisse auf den Menschen übertragbar sind. So lassen sich die Aussagen deuten.
 
Also: Unterdrückte sexuelle Bedürfnisse bei männlichen Wesen können den Alterungsprozess beschleunigen und zu einem früheren Tod führen!
 
Interessant finde ich, dass die Taufliegemit Frustrationsempfindungen in Verbindung gebracht wird. Das gilt auch für Stress und ein krankes Aussehen: „The flies that were tantalised but denied any action showed more stress, a decrease in their fat-stores and had their lives cut short dramatically.“ – ,We immediately observed that they looked quite sick very soon in the presence of these effeminised males,’ explained Dr Scott Pletcher at the University of Michigan, US, co-author of the research.
 
Ich finde es zumindest fraglich, ob Taufliegen Frustration, Stress oder unterdrückte sexuelle Bedürfnisse empfinden können, bzw. ob sie das kranke Aussehen eines „verweiblichten Männchens“ annehmen können!
 
Ob sexuelle Enthaltsamkeit beim Mann zu früherem Altern und Tod führt, ist jedenfalls nicht erwiesen. Das Beispiel von Mönchen wird gern angeführt, unter denen viele es zu einem hohen Alter gebracht haben. Ich weiss aber nicht, ob das ein Beweis für oder gegen die These ist!
 
Fortsetzung des Gesprächs:
„Und wie reagiert er darauf, wenn du ihn ‚kleine Taufliege’ nennst?“
„Natürlich beleidigt!“
„So sind die Männer! Sie beziehen alles auf sich, aber nur, wenn es ihnen passt!“
 
Quellen
 
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