BLOG vom: 22.01.2014
St. Chrischona BL: Sendeturm, Zierkohl und Zaubernuss
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
Manchmal wird eine Wanderung fast zur Wallfahrt. In der Vergangenheit unternahmen wir schon etliche Wanderungen, von Lörrach D oder Inzlingen D ausgehend, nach St. Chrischona (Schweiz). Am 15.01.2014 war es wieder so weit. Unser rühriger Wanderführer Toni von Lörrach hatte die Idee. Alle 8 Wanderfreunde, Mitglieder von Tonis-Power-Senioren (TPS), meldeten sich zu dieser Wanderung an.
Wir begannen unsere Wanderung am Parkplatz vor dem Inzlinger Wasserschloss, spazierten bei trübem Wetter (5 °C plus) an den alten Grenzwegen auf Schweizer Gebiet vorbei nach St. Chrischona (höchster Punkt: 522 m ü. M.). In dieser kleinen Gemeinde, die auf dem gleichnamigen Berg (höchste Erhebung im Kanton Basel-Stadt) liegt, ist heute das Zentrum der Pilgermission St. Chrischona ansässig. Es handelt sich um einen evangelischen Gemeindeverband in pietistischer Tradition. Die Pilgermission wurde 1840 von Christian Friedrich Spittler nach dem Wiederaufbau der ehemaligen Wallfahrtskirche St. Chrischona gegründet. Spittler war Sekretär der Basler Christentumsgesellschaft.
Heute konzentriert sich die DMH (Stiftung Diakonissen-Mutterhaus St. Chrischona) auf die Bereiche Altenpflege, Ausbildung und auf die Förderung sozialmissionarischer Projekte.
3 Jungfrauen und ein böser Bruder
Um die idyllisch gelegene Kirche St. Chrischona ranken sich viele Mythen. Sie ist heute ein beliebtes Ausflugsziel von Bettingern, Baslern und Badenern. Wir genossen auf dem Gelände um die Kirche den schönen Ausblick auf den Schweizer Jura (bei schönem Wetter blickt man bis zu den Berner Alpen), hatten aber auch noch Zeit, das Innere der Kirche zu besichtigen.
Der 1. Kirchenbau stammt aus dem 7. Jahrhundert. Der Name Chrischona geht nach einer Legende auf die Jungfrau Christina zurück. Markus Dörr schrieb: „Im Mittelalter lebte sie mit ihren Schwestern Ottilia und Margaretha und ihrem Bruder, einem finsteren Burgherrn, in der Nähe von Basel. Die 3 Jungfrauen waren in Ritter verliebt, die mit dem Burgherrn auf Kriegsfuss standen. Als die 3 Männer ihre Liebsten besuchten, liess er die Ritter gefangen nehmen und köpfen. Aus Protest zogen sich die Jungfrauen auf 3 Hügel zurück, um dort als Einsiedlerinnen zu leben. Jede gründete ein Gotteshaus. Aus Christina wurde im Alemannischen ,Chrischona’.“
Die ursprüngliche Kirche wurde im Dreissigjährigen Krieg durch kaiserliche und schwedische Truppen zerstört. Die Kirche wurde durch diese Barbaren ruiniert. Der Innenraum wurde geschändet und die Kirchenfenster zerschlagen. Sie schmolzen dann das Blei aus den Einfassungen der Fenster und vom Dach des Kirchturms und stellten daraus Munition her. Das Gotteshaus verwahrloste, es wurde sogar zeitweise als Stall genutzt. Gottesdienstbesucher mussten damals ihre eigenen Stühle zur Messe mitbringen.
Wie schon eingangs erwähnt, wurde die Kirche wieder aufgebaut. 1840 erfolgte die Einweihung. Das Innere des spätgotischen Baus ist schlicht gehalten.
Zierkohl und Zaubernuss
Auf einigen Beeten im Hofbereich der Pilgermission sah ich zum ersten Mal auffällige und mir unbekannte Pflanzen. Diese Gewächse hatten wunderschöne, buntfarbige Blätter, die an kurzen Stielen heranwuchsen und weiss, grün bis fast violett gefärbt waren. Wie ich mir von Frank Hiepe sagen liess, handelt es sich um den Zierkohl (Brassica oleracea var. acephala). Dieser ist mit dem Grünkohl (Federkohl) verwandt. Die meisten Sorten wurden in Japan gezüchtet; im Handel gibt es übrigens etliche Saatgutmischungen.
Der Zierkohl eignet sich als Winterschmuck von Beeten, Balkonkästen. Er kann auch in Blumentöpfen herangezogen werden und bildet einen schönen Zimmerschmuck. Der Zierkohl ist ziemlich robust, er verträgt je nach Sorte Temperaturen von minus 8° C bis minus 15 °C.
Kaum zu glauben, dass eine Zierpflanze auch zum Verspeisen geeignet ist. Der Zierkohl ist als Gemüse verwertbar. Empfohlen wird jedoch der Selbstgezogene. Da ist man sicher, dass er nicht mit Insektiziden behandelt wurde. Beim Zierpflanzenanbau kommen ja immer wieder diese Stoffe zur Anwendung.
Wie schmeckt der Zierkohl? Der Geschmack ähnelt dem Brokkoli oder Blumenkohl. Man traut sich kaum, diese schöne Pflanze zu verzehren. Ich würde den Zierkohl als Zimmer- und Balkonschmuck oder Tischdekoration verwenden.
Am Wegesrand im Park der Pilgermission entdeckte ich einen wunderschön blühenden Hamamelis-Strauch, der vielleicht 5 m hoch war. Die Hamamelis (Hamamelis virginiana) wird auch Virginische Zaubernuss genannt. Sie war bei den Ureinwohnern von Nordamerika eine geschätzte Heilpflanze. Die Indianer verwendeten Zubereitungen zur Wundbehandlung und bei Entzündungen.
Ihre Heilkraft steckt in den Blättern und in der Rinde. Extrakte kommen bei Zahnfleischblutungen, Wunden, Neurodermitis, Schnittwunden, Entzündungen, Windeldermatitis und bei Hämorrhoidalleiden zur Anwendung. Nach Angaben von Dr. med. Petra Orina Zizenbacher lassen sich die Blätter und auch die Rinde zu Tee, Sitzbädern und Spülungen verarbeiten. Cremes und Salben helfen auch bei leichtem Juckreiz.
Da die Inhaltsstoffe der Blätter (Gerbstoffe, Flavonglykoside, ätherische Öle) einen straffenden Effekt auf die Haut ausüben, wurden kosmetische Präparate entwickelt. Sie helfen bei erschlaffter, welker, leicht aufgesprungener, unreiner Haut. Aber es gibt auch Zubereitungen für Männer, nämlich Rasier- und Gesichtswasser, Deodorants.
Der Handel bietet neben Salben, Cremes auch homöopathische Zubereitungen an.
Anmerkung: Bilder vom Zierkohl und der Zaubernuss sind auf Twitter zu sehen
Am höchsten Bauwerk der Schweiz
Nach dieser Abschweifung wollen wir uns wieder auf die Wanderung konzentrieren. Der Weiler St. Chrischona hat noch eine ganz andere Sehenswürdigkeit zu bieten: den Sendeturm St. Chrischona mit 250 m Höhe. Er ist das höchste Bauwerk der Schweiz.
Im September 2010 war ich schon einmal dort. Der Schwarzwaldverein Schopfheim hatte eine Fahrt auf die Aussichtsplattform, die sich in 137 m Höhe befindet, organisiert. In einem Blog vom 16.09.2010 („St. Chrischona: Rundblick auf schwankendem Sendeturm“) beschrieb ich die Exkursion ausführlich.
Wir betrachteten die Infotafel am Fusse des hoch aufragenden Turms. Da der Wind uns um die Ohren blies, suchten wir eine schützende Stelle aus. Die ersten Regentropfen fielen. Aber bald darauf konnten wir trockenen Fusses die vielleicht 2 km entfernte Ortschaft Rührberg erreichen. Wir frequentierten den „Rührberger Hof“, dann einen Modellflugplatz und erreichten nach fast 2,5 Stunden wieder unseren Ausgangspunkt in Inzlingen. Es war für alle eine interessante und erfrischende Wanderung. Erfrischend deshalb, weil uns ab und zu ein Wind um die Ohren pfiff.
Anhang
Einige Rezepte mit Hamamelis
Kombination bei Hämorrhoiden: Teemischung aus Rosskastanienblüten, Hamamelisblättern, Hirtentäschelkraut, Schafgarbenblüten, Ringelblumenblüten, Steinkleekraut, Schlehdornblüten.
Frischpflanzentropfen bei Hämorrhoiden: Mischung aus Rosskastanien-, Hamamelis-, Königskerzen-, Hirtentäschel- und Schafgarbentinktur.
Kräuteremulsion bei Krampfadern: (HAB-Frischpflanzentinkturen, Rezept von Bruno Vonarburg): 5 ml Arnika-, 10 ml Ringelblumen-, 5 ml Hamamelis-, 10 ml Rosskastanien- und 10 ml Mäusedorntinktur mit 60 ml Grundemulsion mischen. Morgens und abends die betroffenen Stellen mit Emulsion einreiben.
Internet
http://chroschona.org (Dörr, Markus: „Kirche St. Chrischona – Chrischona-Gründungsort“)
www.altbasel.ch („St. Chrischona auf dem Dinkelberg”)
www.zrieche.ch („Die St. Chroschonakirche“)
Literatur
Grau, Jung, Münker: „Beeren, Weildgemüse, Heikräuter“ (Steinbachs Naturführer), Mosaik Verlag, München 1983.
Hlava, Bohumir: „Pflanzen für die natürliche Schönheit“, Werner Dausien Verlag, Hanau 1983.
Scholz, Heinz; Hiepe, Frank: „Arnika und Frauenwohl“, Ipa-Verlag Mühlacker/Mühlhausen 2013.
Vonarburg, Bruno: „3mal täglich 20 Tropfen“ (70 Krankheiten erkennen und selbst behandeln), Midena Verlag, Küttigen/Aarau 1992.
Zizenbacher, Petra Orina: „Heilpflanzen – Apotheke aus Feld und Flur“, Freya Verlag, Unterweitersdorf (Austria), 2003.
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