Textatelier
BLOG vom: 26.01.2014

Recherchen 10: Der Kröver Nacktarsch. Woher der Name?

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Bei unserer Wanderung am 17.12.2013 im Markgräflerland erzählte ein Wanderfreund von seinen „umsäuselten“ Erlebnissen mit dem Moselwein „Kröver Nacktarsch“. Einer aus unserer Gruppe zeigte sich interessiert, zu erfahren, wie es zu dieser ungewöhnlichen Namensnennung kam. Es wurde gerätselt und sogar die Vermutung angestellt, ein Winzer oder ein Traubenleser habe sein entblösstes Hinterteil gezeigt. Was ist dran an dieser Behauptung? Gibt es verschiedene Deutungen? Handelt es sich um eine Verballhornung einer lateinischen Bezeichnung? Ich hoffe, meine Recherchen bringen eine Aufklärung.
 
Nun machte ich mich zunächst auf die Suche nach diesem Moselwein. „Einen Nacktarsch haben wir nicht. Wir führen viele einheimische Weine“, antwortete mir eine Verkäuferin in einem Lebensmittelmarkt in Schopfheim und lächelte süffisant. Ein Anruf bei einer Weinhandlung in Lörrach brachte ebenfalls einen negativen Bescheid. „Wir haben keine Moselweine, da müssten Sie schon im Lebensmittelhandel nachfragen“, war die Antwort einer Verkäuferin im Laden. Zum Glück kann man den Riesling auch über das Internet bestellen.
 
„Der Kröver Nacktarsch gehört zweifellos zu den bekanntesten Weinen der Welt. Bei Weinfreunden ruft der spritzige Riesling mit der feinen Säure und dem frechen Namen Heiterkeit und Frohsinn hervor. Bei prüden Gemütern gibt es auch Betroffenheit, bei miesen Typen Ablehnung und Empörung – aber die sind, Gott sei Dank, in der Seltenheit. Dieser Wein trägt zu vielen fröhlichen Stunden, zu manchem gelungenen Feste bei, wie man auch unschwer seit Generationen bei den zahllosen Festlichkeiten in Kröv selbst feststellen kann.“
 
Diese Information zum „Kröver Nacktarsch“ von Andreas Römer (www.weigutaroemer.de) sagt schon Vieles über die Qualität und die Besonderheiten des Rieslings aus.
 
„Kröver Nacktarsch“ ist übrigens eine volkstümliche Lagebezeichnung in Kröv. Die Bezeichnung geht bis ins 17. Jahrhundert zurück. Ende des Ersten Weltkriegs verkaufte die Firma Schnitzius-Müllers an einen Düsseldorfer Weinhändler diesen Wein. Es gab Anfeindungen, Verbote, Verleumdungen. Aber schliesslich setzten sich die Bezeichnung und der Wein dann doch durch.
 
Kröv  (rund 2300 Einwohner) ist ein lebens- und liebenswürdiger Ort an der Mittelmosel. Das Dorf liegt in Rheinland-Pfalz und gehört zum Landkreis Bernkastel-Wittlich. Hier ist es, wenn man die Bilder im Internet betrachtet, so schön, dass ich jetzt vorschlug, 2015 dort eine Wanderwoche mit unserer privaten Wandergruppe zu verbringen (2014 sind wir ja im Gebiet des Elbsandsteingebirges zu Gast).
 
Wurden Burschen versohlt?
Nun möchte ich mich auf die Suche nach der Namensgebung aufmachen. Zunächst wird vermutet, dass es sich um eine Verballhornung des lateinischen Namens „Nectarius“ bzw. des keltischen „Nackas“ handelt. Beide Begriffe weisen auf eine „felsige Höhe“ hin und leiten sich davon ab, dass der schiefrige Berghang im Herbst wenig Laub aufweist und „nackt“ aussieht.
 
Die andere Version: Ein Kellermeister erwischte 2 Jungs in seinem Keller, die sich am Wein genüsslich taten. Da versohlte der Meister die nackten Hintern der Burschen. Auf den Weinetiketten ist die Bestrafung eines der Jungs abgebildet. Darüber gibt es folgenden Reim: 
„Was begeistert Alte loben,
Moselwein, das edle Nass,
wollt die Kröver Jugend proben,
tief im Keller, Fass an Fass.
Der Küfer sah´s mit Bangen,
und wurde grob und barsch,
er haut den kleinen Rangen
den blanken nackten Arsch.“ 
Und noch eine Deutung: Während des „Herbstens“ wurden die Leser von den Klöstern beköstigt. Die Klöster hatten eine Vereinbarung mit den Winzern, wonach die Bauleute an einem Tag in den Klosterweinbergen lesen konnten. Einem Klostervogt missfiel diese Vereinbarung, und er sann auf Rache. Er schlachtete am Morgen ein Schwein, kühlte es in Wasser ab. Es gab schon eine fette Metzelsuppe zum Frühstück. Bald nach der Verköstigung begann es in den Därmen der Bauleute gewaltig zu rumoren. Die Weinlese musste immer unterbrochen werden. Nur einer liess die Hosen runter und liess fallen, was nicht zurückzuhalten war, während er weiter die Trauben las. Der Klostervogt rief ärgerlich: „Also über diesen Nacktarsch bin ich doch nicht Herr geworden!“
 
Auf Grund der grossen Beachtung der Namensgebung wollte man sogar die Kröver Mehrzweckhalle „Nacktarschhalle“ nennen. Das war jedoch zu viel des Guten. Man einigte sich auf den Namen „Weinbrunnenhalle Kröver Nacktarsch“.
 
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