BLOG vom: 17.02.2014
Hohenrain LU, die Johanniter, der Turm Roten: Gut verteidigt
Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
Sie ist eine der touristischen Hauptattraktionen im luzernischen (oberen) Seetal: Die ehemalige Johanniterkommende Hohenrain. Die exzellent gepflegte, mittelalterliche Burganlage befindet sich in der Nähe von Hochdorf LU am südwestlichen Hang des Lindenbergs. Sie ist ein ganzer Gebäudekomplex mit dem Hohen Turm (einem Wohnturm), der Kirche und einem Heim.
Eine Kommende zeigt nicht etwas Kommendes an, sondern weist in die Vergangenheit: Der Begriff steht für ein Ordenshaus, in diesem Falle eines der Johanniter, die dem heiliggesprochenen Johannes dem Täufer huldigten (1175‒1870). Die Bedeutung der Johanniter als geistlichem Ritterorden lässt sich schon daraus erkennen, dass sie rund 1000 Ordenshäuser (Kommenden) betrieben; der Link zu einer verkürzten Liste findet sich im Anhang zu diesem Blog. Im Gebiet der heutigen Schweiz war der Orden ab dem letzten Viertel des 1. Jahrhunderts präsent; eine der Niederlassungen befand sich in der Zeit zwischen 1325 und 1535 auch im Schloss meines Wohnorts Biberstein (Aargau). Die wohl 1. Niederlassung aber war jene von Hohenrain.
Die Kommenden Hohenrain und Hitzkirch LU
Das (Luzerner) Seetal weise eine lange Siedlungskontinuität auf, schreibt Stefan Jäggi in der Schrift „Ehemalige Johanniterkommende Hohenrain“, die von der kantonalen Denkmalpflege und Archäologie Luzern zusammen mit dem heutigen pädagogischen Zentrum Hohenrain herausgegeben wurde; ich konnte sie im Sekretariat für 18 CHF erwerben. Ihr sind einige Informationen für dieses Tagebuchblatt entnommen.
Die Seetaler Siedlungsgeschichte reicht bis zu den neolithischen und bronzezeitlichen Anwesen am Baldegger- und Hallwilersee zurück, und selbstredend konnte auch eine römische Besiedlung in recht hoher Dichte nachgewiesen werden. Auch kirchlich war die Gegend seit dem Frühmittelalter gut erschlossen: Frühmittelalterliche Kirchen wurden in Hitzkirch und Hohenrain archäologisch nachgewiesen. An weiteren klösterlichen Gründungen in der Umgebung sind die Propstei Luzern, das Chorherrenstift Beromünster und die Benediktinerabtei Muri AG zu nennen.
Die militärische Komponente nach dem Vorbild der Templer trat bei den Johannitern bald einmal gegenüber den karitativen Tätigkeiten in den Hintergrund. Die Kommenden Hitzkirch und Hohenrain waren eigentlich Spitalgründungen. Doch als Befestigungsanlage kam Hohenrain nach der Reformation wegen der unmittelbaren Nachbarschaft zum reformiert gewordenen Amt Hitzkirch dennoch eine grosse militärische Bedeutung zu.
Während der Aufhebung der Helvetischen Republik erlitten die Kommenden im Luzerner Seetal dasselbe Schicksal wie alle Ordenshäuser der Eidgenossenschaft: ihr Vermögen wurde am 08.05.1798 zunächst sequestriert (amtlicherseits verwaltet), und am 17.09.1798 wurden sie säkularisiert (verstaatlicht) und ihr Besitz zum Nationaleigentum erklärt. Mit der Mediationsakte vom Februar 1803 wurde das Kirchengut zurückgegeben und die Kommenden wieder hergestellt. Doch ihr Ende konnte nicht mehr verhindert werden, und die Kommende Hohenrain fiel 1819 definitiv an den Kanton Luzern. Die wunderschöne bauliche Substanz mit den wiederentdeckten Wandmalereien aus dem Übergang von der Romantik zur Gotik im Kompturhaus ebenso wie ein Wappenfries blieb erhalten. In der erwähnten Schrift ist alles auch fotografisch dokumentiert. In Hohenrain wurde 1847 eine Taubstummenanstalt eingerichtet.
Am Nachmittag des 11.02.2014 fuhr ich durchs Seetal nach Hohenrain, mein erster Besuch dort oben. Im Luzerner Teil dieser Talschaft sind auffallend viele Niederstamm-Obstplantagen, die mit den momentan aufgerollten Netzen abgedeckt werden können. Nach dem Dorfausgang Gerlafingen LU, noch bevor das Ende des Baldeggersees erreicht ist, zweigt eine Strasse nach Kleinwangen ab, welche weiter oben am Lindenberg-Ausläufer in einem rechten Winkel nach Hohenrain abdreht.
Auf dem Areal der Kommende führt eine schmale Strasse am Turm Roten vorbei zu einem Parkplatz unter Platanen, deren Astwerk soeben mit einer Elektroschere zurückgeschnitten wurde. Ich begann einen Rundgang, mit Fotokamera bewaffnet. Ich dachte, die Umgebung der Anlage sei öffentlich zugänglich und geriet zuerst einmal in den Innenhof, der von den Bauten der ehemaligen Taubstummenanstalt umgeben ist und heute als Heilpädagogisches Zentrum dient. Ich machte eine Aufnahme von diesem architektonischen Ensemble, frei von allen Gefühlen, etwas Unredliches zu tun. Eine der beiden hier anwesenden Frauen mit einer Frisur im Afrolook kam auf mich zu, zog mich ins Verhör. Ich stellte mich vor, erklärte den Grund meiner Exkursion (Recherchen im Hinblick auf einen Artikel für die Zeitschrift „1A!Aargau“); doch weigerte sie sich, ihren Namen zu nennen („Tut nichts zur Sache“). Gerade willkommen kam ich mir hier nicht vor, eher wie ein auf frischer Tat ertappter Einbrecher. Immerhin begleitete sie mich bereitwillig ins Sekretariat, wo ich anständig behandelt wurde und auf meine Fragen Auskunft erhielt. Auch hatte die Sekretärin nichts dagegen, dass ich die Anlage im Freien fotografierte. Den Turm Roten konnte ich nur von aussen besichtigen, da er vom April bis Oktober jeweils nur jeden 1. Sonntag im Monat von 14 bis 17 geöffnet ist. Gruppenbesuche kann man über die E-Mail-Adresse aktuarin@turmroten.ch organisieren. Für Fachauskünfte wurde ich an die E-Mail-Adresse urs@albisser.org verwiesen.
Schon der Anblick des Turms neben dem Gerippe einer Birke mit seinen Lauben und den Tragkonstruktionen in Rot und den Wasserspeiern ist ein Genuss. Er wurde um 1250 erbaut und von 1530 bis 1570 innen ausgebaut. Leider konnte ich ihn inwendig nicht begehen. Aber auf Bildern habe ich die gotische Täferstube im hölzernen Oberganden mit der gewölbten Balkendecke gesehen. Die 1694 erbaute Johanniterkirche St. Johannes Bapt. mit dem spätgotischen Käsbissenturm steht im Schatten.
Ein starkes Stück ist auch der Blick zum Rigi-Klotz, der protzig in der Landschaft steht, und weiter zu den Glarner, Urner und Unterwaldner Alpen, sodann zum Pilatus mit all dem Zubehör bis zur Schrattenfluh und zum Hohgant, und hinten schaut noch die Kappe des Eigers hervor. Sie grüssten freundlich über die vordergründige Luzerner Landschaft hinweg. Einige schneeweisse Cumuluswolken stiegen in den klaren, blauen Himmel. Die Situation und die gute Laune waren gerettet.
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