Textatelier
BLOG vom: 29.03.2014

Gentechnik: Superunkräuter bedrohen US-Landwirtschaft

 
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
In der 3sat-Sendung „Gefährliche Geheimnisse“ berichtete der Farmer Wendel Lutz über den Fehlschlag mit genmanipuliertem Soja. Er erwähnte, dass viele Farmer auf die Versprechungen von Monsanto und anderen Firmen hereinfielen. Monsanto versprach, man könne durch den Einsatz von  gentechnisch veränderte Sojabohnenpflanzen (Roundup Ready), die gegen das Unkrautvernichtungsmittel Roundup (Hauptbestandteil ist Glyphosat) resistent sind, ein schnelleres Wachstum und gute Ernten erzielen, weniger Herbizide einsetzen und auch den Arbeitsaufwand bei der Ernte reduzieren.
 
Das Gen-Saatgut und das Glyphosat wurden zum Verkaufsschlager. Glyphosat ist weltweit das am häufigsten eingesetzte Pflanzengift. Die herbizidresistente Sojabohne Roundup Ready ist die verbreitetste gentechnisch veränderte Pflanze weltweit. Das Saatgut wird im Paket mit dem Breitbandherbizid Roundup verkauft. Monsanto jubelt, da 40 % seiner jährlichen Einkünfte mit diesen Produkten erzielt werden.
 
Es wurden nicht nur die Monokulturen vorangetrieben, sondern es passierte etwas Gravierendes für die Landwirtschaft: Es bildeten sich Super-Unkräuter auf den Baumwoll-, Soja- und Maisfeldern der USA heraus, die sich als resistent gegen Vernichtungsmittel erwiesen. Bis Ende 2013 waren schon 24 Unkrautarten resistent. 25 Millionen Hektar der landwirtschaftlichen Flächen sind bereits betroffen!
 
Ein besonders schnell wachsendes Unkraut (6‒7 cm pro Tag!) ist das Fuchsschwanzgewächs Amaranthus Palmeri. Dieses kann bis 3 m hoch werden und verstreut 1 Million Samen pro Pflanze. Das Gewächs könnte landwirtschaftliche Maschinen beschädigen, weil es einen harten Stiel besitzt.
 
„Ich brachte das Unkraut nicht unter Kontrolle. Das Kraut will einfach nicht absterben“, so Wendel Lutz in der 3sat-Sendung. Er hat schon einen vermehrten Herbizid-Einsatz und erwartet Umsatzeinbussen.
 
„Die Vereinigten Staaten steuern auf eine Krise zu“, warnte das Wissenschaftsmagazin „Science“.
 
2012 gaben 49 % der befragten Landwirte an, sie hätten Glyphosat-resistente Unkräuter auf ihren Feldern gefunden (Anstieg um 34 % binnen eines Jahres).
 
Ausreden der Saatgut-Konzerne
Ganz kurios war daraufhin der Kommentar der mächtigen Saatgutindustrie. Eine Sprecherin von Monsanto behauptete, Unkräuter habe es schon vor Einsatz von GVO (gentechnisch veränderte Organismen) gegeben und die seien auch schon resistent gegen Pflanzengifte gewesen. „Die Pflanzen betreiben eine natürliche Selektion, um mit der Zeit resistenter zu werden.“
 
Dies zeigt, wie unverfroren sich Angestellte der Saatgutproduzenten mit frei erfundenen Ausreden zu Wort melden.
 
Bill Freese vom Zentrum für Lebensmittelsicherheit − einer Gentechnik ablehnenden Nichtregierungsorganisation −, betonte, es gab zwar Resistenzen, aber die hätten sich jetzt „stark beschleunigt“. Charles Benbrook von der Washington State University bestätigte diese Aussage. Nach Einführung gentechnisch verändertem Saatgut kamen auch grössere Mengen Pflanzengift auf die Felder. Danach wurde erst eine beschleunigte Resistenz beobachtet.
 
Ein Sprecher des Agro-Chemikonzerns Dow und auch Gentech-Hersteller Pioneer (auf einer Website) sind der Ansicht, die Bauern hätten Glyphosat „übermässig angewendet“, weil sie keine bessere Alternative gesehen hätten.
 
Fehlbildungen beim Menschen
Inzwischen wurde beobachtet, dass Unkräuter auf mehrere Pflanzengifte resistent wurden.
 
Die Industrie lässt nicht locker. Sie haben 13 verschiedene Saatgutarten vorbereitet, die angeblich auch gegen die Unkrautvernichter Dicamba und 2,4-D resistent sein sollen. Die beiden Mittel werden mit dem Non-Hodgkin-Lymphom (bösartige Erkrankungen des lymphatischen Systems) in Verbindung gebracht.
 
Ein Forscherteam um Adrés Carrasco von der Universität Buenos Aires brachte heraus, dass Roundup sogar in geringen Dosen an Frosch- und Hühnerembryonen Geburtsschäden verursachen kann. „Die Laborergebnisse sind jedoch mit den Fehlbildungen bei Menschen, die während der Schwangerschaft mit Glyphosat in Kontakt kamen, kompatibel“, so Carrasco.
 
Die von den Saatgutkonzernen vorgeschlagene Praxis brachte finanzielle Einbussen für die Landwirte und für die Bevölkerung ein Gesundheitsrisiko. Der vermehrte Einsatz von Herbiziden führt zu einer dramatischen Belastung der Umwelt.
 
Der Verbraucher in den USA hatte bisher keine Möglichkeiten, etwas gegen die Saatgutkonzerne zu unternehmen. Die Konzerne demonstrieren immer wieder ihre Macht. Sie drängen die US-Regierung, Zulassungen zu ermöglichen. Bisher wurde kein GVO abgelehnt. Wie in der 3sat-Sendung betont wurde, sind die Zulassungsregeln in den USA sehr simpel. Die Zulassungen gründen sich auf ein Gesetz von 1986.
 
Und noch etwas wurde bekannt: Nach Schätzungen haben 60 % der Lebensmitteln in US-Supermärkten gentechnisch veränderte Bestandteile.
 
Wie schon im Blog vom 24.03.2014 „Freihandelsabkommen: Extrarechte für 600 Lobbyisten“ erwähnt, sollte die EU-Kommission bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen zwischen USA und der EU wachsam sein und sich nicht an die USA verkaufen. Aber Achtung! Sollte es zur Ablehnung des Investorenschutzes kommen, könnte die USA Zugeständnisse in anderen Bereichen fordern (Gentechnik, Chlorhühnchen, Hormonfleisch usw.). Wir brauchen in Europa kein Genfutter und keine Superunkräuter. Diese sollen gefälligst im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ („Unmöglichkeiten“ und Dummheiten) bleiben!
 
Rückmeldungen auf Tweets
Am 21.03.2014 schrieb ich folgenden Tweet bei Twitter: „EU-Parlament entschied, dass Honig, der gentechnisch veränderte Pollen enthält, nicht gekennzeichnet werden soll. Unverständlich!“
 
Walter Hess kündigte meinen Blog-Beitrag über das Freihandelsabkommen am 24.03.2014 so an: „Freihandelsabkommen USA-EU wird den Amerikanern erlauben, Schurkennahrung nach Europa zu liefern.“
 
Die Resonanz unter den Lesern war super. Wir bekamen 30 Rückmeldungen (Retweets) und Favorisierungen. Die Bevölkerung ist sensibilisiert und auch wachsam. Sie ist mit der uneingeschränkten Lieferung von gentechnisch veränderten Nahrungsbestandteilen und GVO-Saatgut nicht einverstanden.
 
 
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